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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Für Peloponnesliebhaber und solche, die es werden wollen



Armin G.
20.February.2009, 20:33
Sommertraum auf zwei Rädern - Der Osten der Peloponnes


Ein (fast schon historischer) Reisebericht aus dem Jahr 1998.

Vorwort: Den Bericht habe ich im Jahr 1998 geschrieben, einiges ist inzwischen überholt, das meiste immer noch so aktuell wie damals. Vielleicht gibt es ja unter uns einige Motorradfahrer und/oder Peloponnes-Liebhaber, die die ein oder andere Strecke vor, oder nach einem Kretaurlaub einmal nach(er)fahren möchten.

Und los geht’s.

Auf einsamen Straßen das gleißende Meer begleiten, auf abenteuerlichen Wegen urige Bergdörfer erkunden, welcher verkehrsgestresster und regengeplagter mitteleuropäischer Motorradfahrer träumt nicht davon.

Der Osten der Peloponnes im Süden des griechischen Festlands rund um die Küstenregion der Argolis bietet dies alles. Küstenstraßen am tiefblauen Meer und Pässe, die genauso gut in den Alpen liegen könnten. Als kostenlose Beigabe beschert der Sonnengott Helios dem Griechenlandfahrer fast 300 Tage Sonne, kurz gesagt, die Peloponnes verspricht ihrem Besucher Motorradvergnügen pur.

Wenn nur nicht das Problem bestünde, eine geeignete und vor allem verkehrstaugliche Leihmaschine aufzutreiben. Obwohl die Argolis touristisch voll erschlossen ist, immerhin sind hier auf kleinstem Raum gleich mehrere Höhepunkte einer jeden Griechenlandrundfahrt zu bestaunen, ist es um das Angebot an Leihmotorrädern nicht eben gut bestellt.

Rund um die Bezirkshauptstadt Nafplio gibt es gerade mal zwei Anbieter, deren Auswahl an Maschinen eher als bescheiden zu bezeichnen ist. Nummer Eins scheidet von vorne herein aus, dessen Fuhrpark beschränkt sich auf die, bei den Flugzeugtouristen sehr beliebten Mopeds und Roller, mit denen sie die nahegelegenen Strände und Sehenswürdigkeiten erkunden.

Anbieter Nummer Zwei, der mit Zweigstellen in Nafplio und meinem, rund elf Kilometer entfernten Urlaubsort Tolo vertreten ist, hält von der Fünfziger bis zur Vierhunderter ein auf den ersten Blick breit gefächertes Angebot parat.

Doch leider präsentieren sich die 250er Enduros zum Großteil in einem erbärmlichen Zustand. Abgefahrene Reifen, durchgebrannte Kopfdichtungen, verölte Gabeln, abgebrochene Brems- und Kupplungshebel, dem deutschen TÜV-Ingenieur würde der Angstschweiß auf der Stirn stehen und die Betriebserlaubnis wäre futsch.

Zu meinem Pech kommt noch dazu, daß die nagelneue 250er Rebell und die schon sehr betagte Suzuki GSX 400 E gerade im Einsatz sind. Schließlich werde ich doch noch fündig und verlasse den Laden nach einer kurzen Probefahrt mit einer 200er Enduro der Marke Honda, die von den vorhandenen "Feuerstühlen" noch den besten Eindruck hinterläßt. Sie hat zwar nur drei Blinker, aber in Griechenland ist Perfektion ein Fremdwort. Sie fährt, und das ist das Wesentliche.

Also, Helm aufsetzen, Jacke anziehen, die durchaus vorhandenen Bedenken, ob des technischen Zustandes meines Gefährtes unterdrücken und auf Gott vertrauen, meine Devise für den heutigen Tag. Zur Not habe ich immer noch das Telefon dabei, um meinen Freund Dimitris jederzeit um Hilfe bitten zu können, egal, wo ich stehenbleibe.

Armin G.
20.February.2009, 20:35
1. Tag

Ich schaue auf die Uhr, es ist kurz nach neun. Zeit, daß es endlich los geht. Von Tolo aus, einem nur im August überlaufenen Badeort mit schönem Strand, guten Übernachtungs- und diversen Vergnügungsmöglichkeiten, starte ich meine erste Tour, die mich nach Poros, einer Insel im saronischen Golf bringen soll.

Ein Kick, das Motörchen springt sofort an. Der erste Bremsversuch vor der Kurve am Ortsausgang ist weniger erfolgversprechend, da der Lenker beim Bremsen stark nach rechts zieht. Das kann ja heiter werden.

Außerhalb der Ortschaft fülle ich beim Bootsbauer, der auch die einzige Tankstelle Tolos betreibt, den Tank voll. Der große schwarze Kettenhund blickt mich so traurig an, als würde er es bedauern, daß er nicht mitfahren kann.

Bei strahlendem Sonnenschein lege ich die ersten Kilometer zurück und bald habe ich mich auf das eigenartige Bremsverhalten eingestellt. Auf der schnurgeraden Straße Richtung Nafplio gebe ich erstmals Vollgas, aber mehr als knapp über 90 km/h sind nicht drin. Bei der Kreuzung in Aria muß ich mich rechts halten, das Verkehrsschild weist die Entfernung nach Poros mit 80 Kilometern aus. Wer Griechenland kennt, weiß jedoch, daß dies mehr eine Schätzung, als exakte Entfernungsangabe ist.

Durch den rasend schnell vorangetriebenen Straßenausbau mittels überschwerer Caterpillar-Bagger, die keine Rücksicht auf natürliche Gegebenheiten nehmen, ändern sich Streckenverläufe fast jedes Jahr.

Über eine teilweise sehr kurvenreiche Straße, rundum nichts als Olivenhaine auf kargen Felsböden, erreiche ich das Provinzstädtchen Ligourio, das sogar ein Krankenhaus vorweisen kann. Leider wurden kurze Streckenabschnitte bereits omnibusgerecht begradigt, um den Reisenden nach Epidavros die Anfahrt zu erleichtern.

Auf dem Weg nach Ligourio komme ich bei der Überquerung eines ausgetrockneten Bachbettes an einer sehr gut erhaltenen mykenischen Brücke vorbei, die links der Straße liegt. Ein kurzer Halt lohnt sich für geschichtlich Interessierte, doch Vorsicht, das Hinweisschildchen ist leicht zu übersehen.

Nach Ligourio erreiche ich das antike Epidavros, ein Glanzpunkt einer jeden Peloponnesreise. Angeblich liegt hier die Wiege der modernen Medizin und Heilkunst. Alleine das 14.000 Zuschauer fassende, bestens erhaltene Theater Griechenlands ist einen ausgiebigen Besuch wert.

Für die Besichtigung sollte man daher mindestens zwei Stunden Aufenthalt einplanen. Wenn man viel Glück hat, zitiert gerade ein griechischer Lehrer oder Reiseleiter einen der altgriechischen Dramatiker. Die Akustik ist so phantastisch, daß man das Klirren einer auf den Boden fallenden Münze sogar bis in die oberste Sitzreihe hören kann. Nachdem ich die einzigartige Kulisse eine angemessene Zeit lang auf mich habe einwirken lassen, setze ich meinen Weg fort.

Der Verkehr nimmt nach Verlassen der historischen Stätte spürbar ab. Der Süden des äußersten peloponnesischen Fingers ist nur dünn besiedelt. Eine kahle steinige Hügellandschaft begleitet zunächst meinen Weg, der mich bergauf, bergab durch die Weiler Adami, dort gibt es sogar einen Pandopolion (Tante-Emma-Laden) und anschließend nach Trachia führt.

Jetzt heißt es Aufpassen, denn die Abzweigung nach Poros ist leicht zu übersehen. Die Landschaft ändert sich, die Menschen leben hier noch fast ausschließlich von Ackerbau und Viehzucht. Vereinzelt stehen Olivenbäume auf der von der Sonne verbrannten Erde. Beinahe glaube ich, den Hirtengott Pan auf seiner Flöte spielen zu hören, so arkadisch kahl wirkt diese Landschaft.

Die Straße wird schmäler und kurviger, die Schlaglöcher nehmen ebenfalls zu. Ein paarmal unterschätze ich den Kurvenradius und muß die Füße zu Hilfe nehmen, um nicht abzusteigen. Aber nicht unangemessene Geschwindigkeit, sondern eher die verbrauchten Reifen und Dämpfer vermute ich als Ursache für die schlechte Straßenlage.

Dafür habe ich seit der letzten Abzweigung kein anderes motorisiertes Fahrzeug mehr getroffen, nur zwei alte Frauen mit ihren Eseln. Man soll es nicht glauben, aber die gemütlichen Grautiere sind in dieser Ecke Griechenlands tatsächlich noch als Lastenträger im Einsatz. Eine Schafherde blockiert meinen Weg, ich warte, bis der Hirte die Wollknäuel auf die andere Straßenseite getrieben hat und er dankt mir meine Geduld mit einem freundlichen Kopfnicken und Winken.

Die in der Landkarte als gelbe Nebenstrecke eingezeichnete Straße quält sich und mein "Enduromoped" den Paß nach Ano Fanari hoch, um ab der Ortschaft Driopi in endlosen Serpentinen zum postkartenblauen Meer abzufallen.

Hier braucht der Reisende wieder einmal Glück, daß nicht gerade irgendwelche Kabel oder Rohre am Straßenrand verlegt werden. Diese regelmäßig stattfindenden Maßnahmen verschmälern den ehedem schon sehr engen Weg noch weiter und das Befahren der nicht durch Leitplanken gesicherten Straße wird dann vor allem wegen des Baustellenverkehrs zum Tanz auf dem Drahtseil.

Die Glücksgöttin steht mir bei, zur Zeit sind keine Bauarbeiter am Werk, nur einige zurückgelassene Maschinen, die langsam vor sich hin rosten, zeugen von ehemaligen Aktivitäten. Auch hier hat die Neuzeit Einzug gehalten, denn in den vergangenen Jahren wurde Griechenland bis in den entlegensten Winkel mit Strom, Wasser und Telefon erschlossen.

Kurz nach Driopi muß ich einfach anhalten, um den Traumblick auf den Saronischen Golf mit seinen Inseln Ägina und Agistri, den aus dem Wasser ragenden Felsspitzen und der Halbinsel Methana zu genießen.

Nach einer Rauchpause freue ich mich jedoch wieder auf den kühlenden Fahrtwind. Das Pausieren unter der senkrecht stehenden Sonne ist sogar in einer kurzen schwarzen Motorradjacke eine schweißtreibende Angelegenheit.

Nach etwa 500 Metern Höhenunterschied erreiche ich das Meer. Leider verwehrt ein meterhoher, dichter Schilfgürtel die Sicht auf das Wasser. Die letzten 15 Kilometer bis zum Hafenort Galatas führen fast immer geradeaus durch die fruchtbare Küstenlandschaft des Saronischen Golfes. Linker Hand passiere ich die Halbinsel Methana, die durch eine schmale Landbrücke mit dem peloponnesischen Festland verbunden ist.

Da die Halbinsel vulkanischen Ursprungs ist, gibt es dort Schwefelquellen, die unter der Meeresoberfläche sprudeln. Der gleichnamige Ort Methana ist daher bei den Griechen ein beliebter Kur- und Badeort geworden.

Nur wenige Meter weiter liegt auf der rechten Straßenseite das antike Troizen, dessen Besichtigung jedoch nur für Spezialisten interessant sein soll.

Mich treibt der Hunger weiter, seit dem Frühstück sind über vier Stunden vergangen. Kurz vor 13 Uhr erreiche ich Galatas, das nur durch einen einhundert Meter breiten Kanal von der Insel Poros getrennt ist. Schon längst hätte hier eine Brücke errichtet werden können, aber zum Glück fehlt das Geld für den Bau, so daß sich der Massentourismus auf der Insel bisher noch nicht ausbreiten konnte.

Alle paar Minuten verbinden zwei wechselseitig verkehrende Kleinfähren Insel und Festland. Die Kosten für die Überfahrt betragen nur wenige Drachmen, nach rund zehn Minuten ist der Hafen des Hauptortes, Poros-Stadt erreicht.

Und da ist es wieder, das typisch griechische Inselgefühl. Die weiß gekalkten Häuser ziehen sich malerisch den Berghang hinauf, eine kleine Kirche thront hoch über den Dächern. An der Hafenmole treffen sich aus allen Himmelsrichtungen große und kleine Yachten, Schiffe sowie Fischer- und Tragflächenboote, ein ständiges Kommen und Gehen.

Entlang der Hafenpromenade reihen sich Geschäfte und Restaurants wie Perlen einer Kette aneinander. In der Taverne "Oasis" lasse ich mich anwerben und beobachte das bunte Treiben bei einer eisgekühlten Limonade. Der Anwerber grillt Oktopus auf dem Gehsteig und ist selbst sein bester Kunde. Nach kurzer Zeit ist von dem Meerestier nichts mehr übrig. Ich halte mich daher an gegrillten Schwertfisch und werde nicht enttäuscht.

Nach dem schmackhaften Essen döse ich ein wenig vor mich hin, im Nu verfliegt die Zeit. Sehen und gesehen werden ist die Devise auf der Paralia. Paralia bedeutet Strand und Promenade zugleich. Das auch bei den Einheimischen sehr beliebte Auf- und Abgehen wird Volta genannt, was in etwa mit Spaziergang übersetzt werden kann.

Volta bedeutet jedoch nicht, daß man unbedingt zu Fuß gehen muß, ganz im Gegenteil, vor allem die Dorfjugend zieht eine Volta mit dem Moped vor. Dies ist zwar mit Lärm verbunden und weniger umweltfreundlich, dafür aber um so bequemer.

Eines dieser knatternden Mopeds reißt mich aus meinen Tagträumen und erinnert mich daran, daß ich aufbrechen muß, steht doch noch eine Inselrundfahrt auf dem Programm.

Poros besteht eigentlich aus zwei Halbinseln, die durch eine schmale Landzunge miteinander verbunden sind. Ich umrunde die kleinere Hauptinsel Sferia, auf der ein Großteil der Einwohner Poros' lebt und erreiche über den Damm den größeren Teil des Eilandes Kalavria.

Auf kleinsten, aber noch ansprechend asphaltierten Wegen durchquere ich ausgedehnte, angenehm duftende Kiefernwälder und gelange schließlich an einen abgelegenen Strand, wie er malerischer nicht sein könnte.

Eingerahmt in eine Felsenbucht liegt inmitten ein schmaler Sand-Kies-Strand, den sich eine Hand voll Besucher untereinander aufteilen. Sogar eine improvisierte Strandbar hat sich hier angesiedelt und versorgt die hungrigen und durstigen Sonnenanbeter am Ende der Welt mit den nötigsten Dingen des Lebens.

Ich gönne mir einen Nescafé Frappé und eine Selbstgedrehte, bevor ich die Rundfahrt beende. Da ich keine Badesachen dabei habe und FKK in Griechenland unter Strafe verboten ist, auch wenn sich viele Gäste nicht daran halten, fällt ein Erfrischungsbad zu meinem Bedauern aus.

Gegen 15 Uhr stelle ich die Enduro vor dem vor Anker liegenden Fährschiff ab und warte darauf, daß mich der Seebär an Bord läßt. Nachdem er ausgeraucht hat, winkt er die Passagiere lässig auf das Schiff, kurze Zeit später legen wir ab und verlassen diesen wunderbaren Flecken Erde.

Für die Rückfahrt nach Tolo entscheide ich mich aus Zeitgründen für die gleiche Strecke, auf der ich hergekommen bin. Ich hätte genauso gut die gen Südwesten führende Küstenstraße nach Ermioni wählen können, ab Kranidi wäre es dann nordwärts weitergegangen und bei Trachia hätte sich der Kreis geschlossen.

Wegen des gut 50 Kilometer langen Umweges wäre es jedoch möglich gewesen, daß ich Tolo vor Einbruch der Dämmerung nicht mehr rechtzeitig erreicht hätte. Ende September wird es in Griechenland früh dunkel.

Vor Nachtfahrten in Griechenland abseits von Autobahnen, geschlossenen Ortschaften und sehr gut bekannten Hausstrecken muß man eindringlich warnen. Eine Nachtfahrt auf unbekannten Wegen, dazu noch mit dem Zweirad, kommt aufgrund der fehlenden Straßenmarkierungen, Leitpfosten und Leitplanken sowie der nicht zu erkennenden, oftmals brutalen Schlaglöcher einem Selbstmordkommando gleich.

Da sich meine Honda den Luxus einer Beleuchtung erst gar nicht leistet, stehen eventuelle Fahrten bei Dunkelheit sowieso nicht zur Debatte.

So verpasse ich leider die traumhafte Felseninsel Hydra mit ihrer Kykladenathmosphäre und ihre grüne Schwester Spetses. Wer diese Inseln besuchen möchte, was übrigens sehr lohnend ist, dem sei die Anreise auf dem Seeweg nahegelegt. Von Tolo aus werden jede Woche Tagesausflüge auf kleinen, sehr gepflegten Schiffen angeboten. Diese Art der Anreise ist schon alleine aus dem Grund zu empfehlen, da Hydra wegen des fehlenden Straßennetzes völlig fahrzeugfrei ist und auf Spetses lediglich tagsüber Mofas und Mopeds erlaubt sind.

Ohne weitere Pause lege ich die 86 Kilometer zwischen Galatas und Tolo zurück. Die Enduro, die sonst wohl nur auf Kurzstrecken bewegt wird, quittiert die Überlandfahrt mit einer deutlich flotteren Gangart. Bergab mit Rückenwind überschreite ich locker die magische 100 km/h-Grenze. Allerdings läßt sich ein mulmiges Gefühl angesichts derartiger Höchstleistungen nicht unterdrücken, denn ich befürchte, das betagte Gefährt könnte sich während des Fahrens in seine Bestandteile auflösen. Also nehme ich das Gas zurück, bis zur Abenddämmerung bleibt noch viel Zeit.

Um 17 Uhr komme ich reichlich durchgeschüttelt an meinem Hotel an, für heute reicht es mir eigentlich. Immerhin habe ich bei Temperaturen von um die 30 Grad Celsius rund 220 Kilometer geschafft und auch noch etwas für die Bildung getan. Insgesamt bin ich seit acht Stunden unterwegs.

Doch leider muß ich noch zum Verleiher nach Nafplio, die Honda gegen die Suzuki umzutauschen, die ich mir für die morgige Tour reservieren habe lassen. Da ich mit dem technischen Zustand der Honda absolut nicht zufrieden war, ergeben sich langwierige Diskussionen über den Preis. Schließlich können wir uns darüber einigen, daß ich für die größere Maschine nicht aufzahlen muß.

Nach der einstündigen Umtauschaktion stelle ich meine Suzuki GSX-400 E auf dem Parkplatz gegenüber dem "Hotel Tolo" ab, jetzt eine Dusche und ein kühles Bier, das habe ich mir verdient.

Armin G.
20.February.2009, 20:36
2. Tag

Am nächsten Morgen werde ich wie üblich von strahlendem Sonnenschein begrüßt. Von Mai bis Oktober kann sich der Zweiradfan eigentlich (fast) immer auf geeignetes Motorradwetter verlassen.

Meine "neue" Maschine ist zwar auch nicht mehr die jüngste, hat rund 40.000 Kilometer auf dem Tacho, aber ihr technischer Zustand ist weit besser als ihr Aussehen dies vermuten läßt und alleine das zählt. Sogar vier Blinker und Beleuchtung sind vorhanden.

Mit gepacktem Rucksack schwinge ich mich auf die leicht durchgesessene und mit Klebeband geflickte Sitzbank. Meine heutige Tour wird mich in das Herz von Arkadien führen, der Landschaft, von der schon Goethe schwärmte, ohne jemals dort gewesen zu sein.

Anschließend wird es in das bereits zum Verwaltungsbezirk von Korinth gehörende Weinanbaugebiet um Nemea gehen. Drei Pässe liegen vor mir, das heißt Kurven ohne Ende und grandiose Gebirgslandschaften.

Einmal den Anlasserknopf gedrückt, der Motor springt sofort an. Welch ein guter Beginn. Mein Weg führt mich abermals an der Bootsbauer-Tankstelle vorbei. An der Kreuzung in Aria setze ich heute den Blinker nach links, Nafplio vier Kilometer. Das Verwaltungszentrum der Argolis war die erste Hauptstadt Griechenlands nach über 400 Jahren Fremdherrschaft.

Aufgrund der langen Besatzungszeit zeigt sich das Stadtzentrum so gar nicht griechisch. Viele der alten Häuser im türkischen und venezianischen Stil wurden und werden immer noch aufwendig restauriert.

Mittelpunkt der Stadt ist der fahrzeugfreie Syntagmatos-Platz mit seinen Restaurants, Cafés und Geschäften. Von hier aus ist die Stadt am besten zu erkunden, alle Gassen laufen auf diesem zentralen Platz zusammen.

Das Motorrad lasse ich direkt an der Hafenmole auf dem großen Parkplatz zurück, der für Auto- und Motorradfahrer immer genügend freie und kostenlose Stellplätze anbietet. Direkt gegenüber der Straße reiht sich ein Restaurants an das Nächste. Vor allem die Fischgerichte sind hier sehr schmackhaft. Leider ist Fisch sehr teuer geworden, seitdem internationale Fangflotten mit ihren Treibnetzen die Gewässer der Ägäis rigoros leergefischt haben.

Aber ich gehe nicht gleich in das, mir natürlich vom letzten Jahr bekannte Lokal hinein, sondern unterziehe mich, wie schon in Poros, dem amüsanten Ritual des Angeworbenwerdens. Der "Padrone" versucht seine potentiellen Gäste in allen ihm zur Verfügung stehenden Sprachen von der Einzigartigkeit seiner Küche zu überzeugen. Mit Nachdruck, aber nie aufdringlich, bietet er seine, in den verglasten Kühltheken liegenden Köstlichkeiten feil.

Doch Nafplio hat noch mehr zu bieten als Gaumenfreuden, wie zum Beispiel die auf dem Felsen; hoch über der Stadt thronende Festung Palamidi. Es sollen 999 Treppenstufen auf den Berg hinauf führen. Ich habe sie jedoch nicht gezählt, da von der anderen Seite eine überdimensionierte Straße genau zum Hintereingang der gewaltigen Anlage führt.

Nafplio vorgelagert ist das Inselchen Bourtzi mit seinem venezianischen Fort. Angeblich kann man die Insel mit dem Boot besichtigen. Bei meinen bisherigen Besuchen scheinen die Bootskapitäne immer gerade Pause gehabt zu haben, denn ich habe die Überfahrt noch nie geschafft.

Nach einem griechischen Mokka im "To Kafenio", das auch an der Hafenpromenade liegt, schlage ich die Küstenstraße ein, die direkt am Strand des Golfes von Nafplio entlang führt. Die nächste Ortschaft ist Nea Kios mit dem kleinen Kanal, in dem bunte Fischerboote vor Anker liegen.

Schließlich komme ich nach Mili, einem Dorf mit einem sehenswerten Bahnhof, der von einer sehr gepflegten Grünanlage umgeben ist. Hier hält die Schmalspurbahn, die Korinth mit Tripoli und Kalamata verbindet.

An der Kreuzung treffe ich auf die Hauptstraße, die zur Verwaltungshauptstadt Arkadiens nach Tripoli führt. Gleich hinter der modernen Tankstelle mit Restauration, die vorzügliche, typisch griechische Gerichte anbietet, beginnt der Einstieg in die erste Serpentinenstrecke, die mich von Meereshöhe auf gut 700 Meter bringen wird.

Auf rund 15 Kilometern Länge folgt Kurve auf Kurve, die Maschine quält sich abwechselnd im zweiten oder dritten Gang nach oben. An jeder Spitzkehre würde ich am liebsten anhalten, der Ausblick auf den zurückbleibenden Argolischen Golf wird immer faszinierender. Unter mir am Berghang sehe ich die bereits zurückgelegte Paßstraße, die in den Fels gefräst wurde.

An einem Parkplatz vor einer Kurve halte ich an, mache eine Rauch- und Fotografierpause und erfreue mich an dem einzigartigen Rundblick auf das Meer und die fruchtbare intensiv bewirtschaftete Ebene von Argos.

Noch ein Schluck aus der mitgeführten Plastikflasche, dann geht’s weiter, bis die Paßhöhe mit ihren zwei verfallenen Raststätten erklommen ist. Der Bau des neuen "Highways" zwischen Korinth und Tripoli hat hier einige Unternehmer, die vom Fernverkehr gelebt haben in den wirtschaftlichen Ruin getrieben.

Die "Old National Road" wird nur noch von ganz wenigen Fahrzeugen befahren. Einzig die Raststätte am Fuß des Passes hat noch nicht aufgegeben und hält sich als Ausflugslokal für die Städter aus Argos und durch die wenigen Durchreisenden, meist Touristen, gerade so über Wasser.

Nachdem der Scheitelpunkt überschritten ist, kommt zweifelsohne der schönste Teil dieser Wegstrecke. Die sehr gut ausgebaute Straße schlängelt sich in weiten Kurven immer am rötlich-braunen Fels entlang. Das heißt Gas geben und jede Schräglage genießen.

Wer sich noch an die Ford-Werbung erinnern kann, hier wird Fiktion zur Wirklichkeit. Abhängig natürlich von Tageszeit bzw. Sonnenstand begleitet dich dein eigener auf die Felswand geworfener Schatten.

Ich lasse mich von meiner Maschine durch die menschenleere; kahle Gebirgslandschaft tragen, beim Anhalten höre ich in der Ferne vereinzelt das Bimmeln von Ziegenglöckchen und das Rauschen des Blutes in meinen Ohren, sonst nichts.

Verkehr gibt es hier kaum. Zweimal überhole ich einen Leihwagen und ein überladener Lkw, der bei meinen häufigen Pausen immer wieder an mir vorbeifährt, donnert qualmend die Straße entlang.

Am späten Vormittag erreiche ich die Provinzhauptstadt Tripoli. Im dichten Verkehr zwänge ich mich bei knapp 30 Grad Celsius durch das eintönige Stadtzentrum und bin froh, die gut ausgebaute Überlandstraße Richtung Olympia zu erreichen.

Nach der noch nicht ausgeschilderten Abzweigung zur neuen Autobahn haben sich die Fahrzeuge verlaufen. Ich bummle gemütlich mit Tempo 90 dahin und erfreue mich an dem Ausblick auf das Menelaos-Gebirge, wo man im Winter sogar Skifahren kann.

Ich folge dem Richtungsanzeiger "Menelaos-Ski-Center" und befinde mich fortan auf einem schmalen geteerten Sträßchen, das zu Beginn schnurgerade stetig bergauf führt. Der Weg streift einen anscheinend verlassenen Weiler, vielleicht eine Sommersiedlung reicher Athener, danach geht es richtig ins Gebirge. Nach zehn Kilometern Serpentinenfahrt auf der mit Schlaglöchern übersäten Asphaltpiste gelange ich zur verlassenen Skistation auf 1600 Metern Höhe, wo der noch vorhandene Teerbelag endet.

Die auf meiner Karte als Forstweg eingezeichnete, weiterführende Strecke nach Vythina erweist sich für meine Straßenmaschine als nicht befahrbar. Wind und Wetter haben dem Schotterweg stark zugesetzt. Mit einer Enduro wäre die Weiterfahrt durch die einsame Bergwelt vermutlich kein Problem und ein grandioses Erlebnis gewesen.

Ich jedoch muß umkehren und, um mich der Skifahrersprache zu bedienen, wieder zur rund 700 Meter tiefer gelegenen Hauptstraße abschwingen.

Später erfahre ich auch, warum diese Straße nicht mehr repariert wird. Seit drei Jahren gibt es nämlich nicht mehr genügend Schneefälle, um den weißen Sport ausüben zu können. Seitdem verfallen die von Menschenhand geschaffenen Einrichtungen am Fuße des 1980 Meter hohen Gipfels.

An der großen Platia von Levidi, wo Kafenia zu einer Rast einladen, folge ich der Abzweigung nach Nemea.

Traumland Arkadien. Das in unzähligen Gedichten als golden gepriesene Land ist in Wirklichkeit größtenteils ein karges Bergland mit weiten Hochebenen und einer immer mehr abnehmenden Bevölkerungszahl. Die jungen Leute zieht es in die weit entfernten Großstädte Athen und Thessaloniki, in die Touristenhochburgen der nahen Argolis, oder gleich ins Ausland.

Zurück bleiben nur die Alten und diejenigen, die genug steinigen Boden besitzen, um vom Ackerbau so einigermaßen leben zu können. Golden sind allenfalls die von der Sonne verbrannten Wiesen und Felder, die ich gerade durchquere. Außer einigen Traktoren, welche die Ernte nach Hause bringen, treffe ich auf der ehemaligen Hauptverbindungsstrecke nach Nemea kein weiteres motorisiertes Fahrzeug.

Traumland Arkadien. Dies gilt wohl nur für den Reisenden, der hier nach Herzenslust bummeln und schauen kann, Urlaub für die Seele, in dieser Gegend findet man wirklich noch seine Ruhe.

Die Karte verzeichnet in dem Bauerndorf Kandila, das sich links unterhalb der Hauptstraße am Ende des Tales befindet, eine Tankmöglichkeit. Da sich die Tankanzeige schon bedrohlich dem Reservebereich nähert, kommt mir dies sehr gelegen. Doch, was für ein Schock, die Tankstelle, bestehend aus lediglich zwei Zapfsäulen, hat gerade geschlossen und kein Schild weist darauf hin, wie lange die Siesta dauern wird.

Ich muß daher dem Tageskilometerzähler und meinen bescheidenen Rechenkünsten vertrauen, die mir sagen, daß meine Spritreserven noch für rund einhundert Kilometer reichen müßten.

Langsam nähere ich mich der Paßstraße, die kurz nach Kandila ihren Anfang nimmt. Und was für ein Paß das ist, 600 Meter Höhenunterschied sind zu bewältigen, bis der Scheitelpunkt auf 1240 Metern Höhe erreicht ist.

Ein griechisches Verkehrsschild kündigt für die nächsten sechs Kilometer enge Kurven an. Vor den vielen Gesteinsbrocken, die auf der Straße liegen, wird jedoch nicht gewarnt. Dementsprechend ist hier volle Konzentration erforderlich, viel Schalt- und Kurvenarbeit. In diesem abgelegenen Winkel Arkadiens wird auf Straßenpflege anscheinend nicht sehr viel Wert gelegt, warum auch, hier fährt sowieso fast niemand.

Auf sechs Kilometern Länge windet sich die Straße nach oben. Dort angekommen habe ich einen phantastischen Ausblick auf die hinter mir liegende Ebene, so daß ich anhalte und die absolute Stille genieße. Wieder einmal glaube ich, Pan spielen zu hören, doch es ist nur das bereits bekannte Bimmeln der Ziegenglöckchen. Dazu fängt sich ab und zu der Wind in der an dieser Stelle noch vorhandenen Leitplanke und erzeugt ein schauriges Heulen.

Nach einer Viertelstunde breche ich wieder auf, überquere den Sattel der Serpentinenstraße, um mich gleich darauf in das 450 Meter tiefer gelegene Hochtal von Skotini hinabzustürzen. Ein weiteres Verkehrsschild verspricht auf zehn Kilometern Länge abermals gefährliche Kurven. Im vierten Gang lasse ich mich spritsparend talwärts tragen, in den wenigen Spitzkehren muß ich runterschalten, da ich mit den alten Reifen das Glück nicht herausfordern möchte.

Die Landschaft hat sich schlagartig verändert. Ich durchfahre dichte Wälder, es duftet nach Kiefernnadeln. Je näher ich der Ebene von Skotini komme, desto wärmer wird der Fahrtwind. Zu dieser Jahreszeit ist es im Hochland von Arkadien bereits deutlich kühler als an der argolischen Küste.

Auf der rechten Seite kann ich bereits in das Talende hinab sehen, vereinzelte bewässerte Anbauflächen heben sich mit ihrem Grün von den sie umgebenden verbrannten Wiesen ab. An der Abzweigung nach Skotini mache ich schon wieder Pause, diesmal nur, um die Karte zu studieren.

Vor einigen Jahren habe ich mich hier in dieser Gegend schon einmal verfranzt, es war Anfang November und man konnte wegen des Nebels keine einhundert Meter weit sehen. Zugegeben, die Sicht am heutigen Tag ist deutlich besser, aber sicher ist sicher.

Ich setze meinen Weg nach Nemea fort und begegne zum ersten Mal auf dieser Tour zwei anderen Motorradfahrern. Da man sich grüßt, vermute ich, daß es entweder Deutsche, Österreicher oder Schweizer sind. Diese nette Geste zwischen Motorradfahrern ist nämlich unter den ansonsten so freundlichen Griechen nicht üblich.

Ich wundere mich gerade darüber, wie schlecht die Straße plötzlich geworden ist, da bin ich auch schon an der Abzweigung zum Stimfalischen See angelangt, wo ich eigentlich nicht hinwollte. Der nach links abzweigende Paß wurde vor längerer Zeit durch einen Erdrutsch unpassierbar und nur provisorisch repariert. Zu allem Übel ist jetzt auch noch das Hinweisschild umgefallen, so daß einem Ortsfremden die Orientierung schwer fallen dürfte.

Genau hier befindet sich also die Stelle, wo ich mich damals verfahren habe und den üblen Schotterpaß mit dem Auto fahren mußte. Vielleicht lerne ich daraus für das nächste Mal.

Ein weiterer Blick auf die Karte genügt mir jedoch, um zu erfahren, daß ich nur geradeaus fahren muß, um nach Psari zu gelangen. Hinter Psari liegen rechts und links des Weges die kleinen, blauen Weintrauben zum Trocknen aus, die dann bei uns als Korinthen in die Supermärkte kommen. Wie in einer Kelterei riecht es nach den vergärenden Trauben.

Ein Pope, der mir begegnet, drückt kurz auf die Hupe und winkt mir aus seinem Pickup zu. Vor mir am Horizont sehe ich den letzten Paß meiner heutigen Tour, der mich in das 500 Meter tiefer gelegene Weinbaugebiet von Nemea bringen soll. Zuerst geht es jedoch nochmals kurz bergauf, nach drei oder vier Kurven ist der höchste Punkt überschritten.

Die schmale Paßstraße stürzt sich in langen Geraden mit Spitzkehren an ihren jeweiligen Enden ins Tal. Nach wenigen Kilometern öffnet sich der Blick auf die durch künstliche Bewässerung äußerst fruchtbare Ebene von Nemea.

Hier ist klassisches Weinbauland, vor allem die nemeischen Rotweine sind weit über die Landesgrenzen bekannt und beliebt. Auch ich habe auf meiner Rückfahrt nach Deutschland immer einen kleinen Vorrat im Kofferraum dabei. Der Wein ist wie das Land, fruchtig-herb und trocken, rot wie die Erde, auf der die Weinstöcke stehen. Ein Glas dieses Weines an einem ungemütlichen deutschen Winterabend ist für mich wie ein kleines Stück Urlaub.

Bei der am Hang liegenden Ortschaft Galatas treffe ich wieder auf die Hauptstraße, mein kleiner, aber sehr lohnenswerter ungewollter Umweg über Psari ist beendet.

Durch eine einzige grüne Oase bummle ich an schmalen Bewässerungskanälen entlang nach Nemea. Hier kann ich endlich tanken, die Anzeige bewegt sich aus dem roten Bereich wieder auf "Full" und ich atme unwillkürlich auf.

Mit vollem Tank und leerem Magen setze ich meine Reise nach Alt-Nemea mit seinen historischen Stätten fort. Wie in Olympia wurden hier in der Antike im Zweijahresrhythmus athletische Veranstaltungen abgehalten.

Zu besichtigen sind das noch sehr gut erhaltene, erst vor kurzem der Öffentlichkeit zugänglich gemachte Stadion, die gegenüberliegende Ausgrabungsstätte mit den drei noch stehenden Säulen des Zeus-Tempels sowie das vorbildlich eingerichtete Museum. Die wirklich interessante Besichtigung nimmt mindestens zwei bis drei Stunden in Anspruch, soviel Zeit habe ich heute jedoch nicht mehr.

An der Weggabelung vor dem Eingang des Stadions schlage ich die nach rechts abbiegende, neu gebaute Straße ein, die in den meisten Landkarten noch nicht eingezeichnet ist. Sie endet in Dervenakia, wo auf einem Abstellgleis seit Jahren ein ausrangierter Zug vor sich hin rostet.

Auf der kurzen Geraden nach der Autobahnüberführung dresche ich die Suzuki auf knapp 120 km/h, um zu testen, was die Maschine noch draufhat. Mehr möchte ich der alten Dame aber dann doch nicht mehr zumuten, zumal die „Hochgeschwindigkeitsfahrt“ einem Höllenritt auf einem Preßlufthammer nicht unähnlich ist.

Die nächsten zehn Kilometer führen mich durch einen Bergeinschnitt nach Fichti, wo links die Zufahrt nach Mykene abgeht. Die circa dreitausend Jahre alte Festung mit dem monumentalen, tonnenschweren Löwentor sitzt auf einem düsteren Felsen in der kahlen Gebirgslandschaft.

Vor über einhundert Jahren wurde sie von dem deutschen Archäologen Heinz Schliemann wieder entdeckt und zählt in unseren Tagen zum Pflichtprogramm einer jeden Griechenlandreise. Das bekannteste Fundstück ist die sogenannte goldene Maske des Agamemnons, die jedoch nicht vor Ort, sondern im Athener Nationalmuseum zu besichtigen ist. Trotzdem es sich nachweislich nicht um die Totenmaske des homerischen Helden handelt, ist sie unter diesem Namen weltberühmt geworden.

Obwohl die Besichtigung der Burg in den Morgenstunden wegen der geringeren Hitze weniger beschwerlich, als am Nachmittag ist, empfehle ich für einen Rundgang die Zeit ab 15 Uhr, da dann Studiosus und Kollegen bereits den nächsten Tagespunkt abhaken und die Besucherzahl deutlich abgenommen hat.

Nach einer kleinen Stärkung an der fahrbaren Kantina auf dem Omnibusparkplatz nehme ich mir die Zeit für einen Besuch des ebenfalls monumentalen Kuppelgrabes, das vom Parkplatz aus etwas weiter bergab liegt.

Nach Fichti führt die Straße schnurgerade in die quirlige und nicht weniger geschichtsträchtige Stadt Argos, dem wirtschaftlichen Zentrum der Argolis. Das Leben pulsiert auf der großen Platia im Stadtzentrum mit ihren Geschäften, Kafenia und Tavernen. Hier läßt man sich gerne auf einer der schattigen Parkbänke nieder und stärkt sich mit einem halben gegrillten Hähnchen oder Souvlakistäbchen aus einer der umliegenden Grillstuben.

Nicht versäumen sollte man den mittwochs und samstags stattfindenden Markt auf der weiter südlich gelegenen Platia Dimokratias. Dort gibt es einfach alles, was man kaufen kann, das ist Griechenland unverfälscht.

Schließlich wären da noch die antiken Stätten, die an der Ausfallstraße nach Tripoli liegen. Rechts der Hauptstraße können die römischen Thermen und das in den Larisa-Berg gehauene ehemals 20.000 Zuschauer fassende Theater bestaunt werden. Gegenüberliegend befindet sich die antike Agora, die ich mir heute ansehen werde.

Hier treffe ich einen alten Mann, der mich in gebrochenem Englisch anspricht. Er hat seinerzeit den französischen Archäologen bei den Ausgrabungen geholfen und kennt daher jeden Stein. In einem Mischmasch aus Griechisch und Englisch erklärt er mir jede Ruine bis ins Detail. Das verstehe ich unter Gastfreundschaft, die in Europa einmal einzigartig war. Leider hat hier der Massentourismus schon sehr viel davon zerstört.

Geht man jedoch auf die Menschen ein, läßt die Begegnung zu, ein Lächeln bewirkt wahre Wunder, spricht man, und sind es nur ein paar Brocken ihrer Sprache, wird man erleben, daß es die viel gerühmte "Filoxenia" selbst in den Touristenorten immer noch gibt.

So vergehen locker zwei Stunden, bevor ich die letzten Kilometer nach Tolo zurücklegen kann. In Nea Kios treffe ich auf die Küstenstraße nach Nafplio. Ich gebe der Maschine die Sporen, eine halbe Stunde später passiere ich das Ortsschild von Tolo.

Ich parke das Motorrad vor dem "Café Europa", das meinem Freund Andreas gehört. Ich erzähle ihm, daß ich in beinahe zehn Stunden insgesamt 240 Kilometer zurückgelegt habe. Der oftmals grantig wirkende, aber herzensgute Andreas schüttelt darüber nur den Kopf. Er kann es einfach nicht verstehen, daß jemand mit dem Auto nach Griechenland kommt und dann mit dem Leihmotorrad, nur so zum Vergnügen, in der Gegend herumfährt, wo es doch am Ort alles gibt, was der Mensch für einen erholsamen Urlaub benötigt.

Bei Rühreiern nach Hausmacher Art und einem frisch gezapften Amstel lasse ich den Tag Revue passieren. Eine phantastische, wenn auch sehr anstrengende Tour ist zu Ende. Von den heute gewonnen Eindrücken werde ich jedoch noch sehr lange zehren.

Armin G.
20.February.2009, 20:39
3. Tag

"Kalimera, file mu - Guten Morgen, mein Freund", begrüßt mich Dimitris, der Besitzer und die gute Seele des "Hotel Tolo" früh morgens um halb sieben. „Pu na pas simera - Wo willst du heute hinfahren", fragt er interessiert.

Ich erkläre ihm die Route. "Zuerst auf einer der schönsten Küstenstraßen Europas nach Leonidion, dann durch das Parnass-Gebirge nach Kosmas, anschließend in das lakonische Sparti und über Tripoli wieder zurück." "Und das an einem Tag", entgegnet er entgeistert. "Das schaffst du nicht, du bist verrückt".

Obwohl ich von Dimitris' Sorge sehr berührt bin, lasse ich mich von meinem Vorhaben natürlich nicht abbringen. Nach einem Schnellfrühstück sitze ich um sieben Uhr auf der Maschine und starte mein angeblich unmögliches Vorhaben, dreihundert Kilometer griechische Landstraßen an einem Tag zu bewältigen.

Ich stelle den Tageskilometerzähler auf null und nehme die Route über Nafplio und die bereits bekannte Küstenstrecke nach Mili. Nach dem Ortsende folge ich zunächst der Hauptstraße Richtung Tripoli, folge aber dann an der großen Kreuzung der Wegweisung Astros/Leonidion nach links.

Gleich darauf sind die Eisenbahnschienen der Schmalspurbahn zu überwinden. In Deutschland an sich nichts besonderes, in Griechenland dagegen ist bei diesem Manöver, vor allem von den Zweiradfahrern, äußerste Konzentration und höchste Vorsicht erforderlich. Fast alle Bahnübergänge im Land der Hellenen befinden sich in einem katastrophalen Zustand. Mir verschlägt es trotz Schrittgeschwindigkeit den Lenker und ich muß die Füße zu Hilfe nehmen, um den drohenden Sturz vermeiden zu können.

Die ersten Kilometer auf gutem Asphalt komme ich flott voran. Abwechselnd fahre ich unten direkt am Meer entlang, dann wieder befinde ich mich hoch über der steil abfallenden Küste. Bei einer Rast genieße ich den wunderbaren Rundblick auf den Argolischen Golf mit seinen Inseln Romvi, Platia und Psili. Hinter den Inseln schält sich die Küstenlinie des peloponnesischen Daumens aus dem Morgendunst heraus.

Polizeikontrolle, ich muß anhalten. Was habe ich nur falsch gemacht, Helm war auf, Geschwindigkeit war okay, eine Routinekontrolle also.

„Apo pu ise – Woher bist du“, brummt mich der Polizist an, als ich meinen Helm abnehme. „Ap tin Jermania – Aus Deutschland“, antworte ich. Der Ordnungshüter schaut verdutzt. Ein Nichtgrieche auf einem Mopped mit griechischem Kennzeichen, der sein Gebrummel versteht und in seiner Sprache antwortet, das muß auf jeden Fall hinterfragt werden.

„Aus welcher Stadt kommst du, wohin fährst du, bist du verheiratet?“ Fragen über Fragen, aber, das alles muß die Ordnungsmacht schon wissen, schließlich bin ich solo unterwegs, meine bessere Hälfte hat wohl kein Vertrauen, sei es, in meine Fahrkünste oder die Technik des Oldtimers.

„Hast du Kinder, wie lange kommst du schon nach Griechenland, warum sprichst du Griechisch, bist du Halbgrieche“? Weitere ganz wichtige Fragen bei einer Verkehrskontrolle. Bereitwillig gebe ich Auskunft. „Endaxi, pame, file mu – Okay kannst weiter“.

Papiere wollte mein neuer Freund nicht sehen, warum auch, ich habe ihm mein halbes Leben erzählt, er kennt mich jetzt.

Im Provinzstädtchen Astros zweigt westlich eine Nebenstrecke nach Tripoli ab. Vier Kilometer nach der Abbiegung befindet sich das gut zugängliche, aber dennoch nur von Individualtouristen besuchte Nonnenkloster Sotiros Loukous mit seinem liebevoll angelegten Klostergarten.

Ich stelle das Motorrad auf dem Parkplatz neben dem Kloster ab und werde sogleich von einer Ziegenherde eingekreist. Mit einem großen Ziegenbock Auge in Auge verharre ich ein paar Sekunden, bis das „Untier“ weiterzieht, um an den Blättern der umliegenden Büsche zu knabbern.

Beim Bau des von einer weiß gekalkten Mauer umgebenen Klosters wurden auch antike Steine und Kapitelle verwendet. Im Klostergarten stehen Blumentöpfe auf abgebrochenen Säulen. Die ganze Anlage ist liebevoll gepflegt, nicht umsonst zählt das stille Kloster zu den schönsten der Peloponnes. Die Zeit für diesen Abstecher sollte man sich unbedingt nehmen.

Nach Astros wird die Fahrbahn schlechter, Spurrillen und Schlaglöcher erfordern meine ganze Aufmerksamkeit. Mit dem Herumschauen in der Gegend ist es vorerst vorbei. Trotzdem kann ich den unzähligen Schlaglöchern zwei- oder dreimal nicht mehr rechtzeitig ausweichen, so daß die Gabel bis zum Anschlag durchschlägt. Die geplagte Maschine quittiert dies mit einem lauten Scheppern, sonst ist zum Glück nichts passiert.

Nach dem Weiler mit dem unaussprechlichen Namen Tirosapounakeika wird die Teerdecke noch rissiger, die Straße schmäler und die Kurven enger. Bis Leonidion sind es noch circa 20 Kilometer.

Ich halte kurz an, um mich an der traumhaften Sicht auf das tiefblaue, glitzernde Meer zu erfreuen. In der Ferne ist die flach aus dem Wasser aufsteigende Insel Spetses zu erkennen. Auf der rechten Seite türmen sich die über 1100 Meter hohen, teilweise bewaldeten Ausläufer des Parnass-Gebirges empor. Auch das ist Arkadien.

An einer Steigung überhole ich verblüfft einen Rollerfahrer mit deutschem Versicherungskennzeichen. Fast am Ende der Welt grüßt man sich natürlich.

Nach insgesamt drei Stunden Fahrt erreiche ich den Ortseingang von Leonidion, wo ich erst einmal eine Tankstelle anlaufe. In diesem Punkt habe ich dazugelernt, jede Chance nützen, wer weiß, wann die nächste Tankmöglichkeit besteht.

In dem kleinen, idyllisch am Hang gelegenen Landstädtchen Leonidion hat der Fremdenverkehr noch nicht so richtig Fuß gefaßt. Die Menschen verdienen ihren Lebensunterhalt durch die Bearbeitung der fruchtbaren Schwemmböden in der Umgebung und haben es auch ohne Tourismus zu bescheidenem Wohlstand gebracht. Unter anderem werden hier die bei uns so beliebten Weihnachtssterne angebaut.

Ein schmaler Fahrweg windet sich durch die ursprünglich gebliebene Ortschaft und führt zu einem kleinen Platz mit einem Turm am Ortsende. Hier lege ich eine Rauchpause ein und vertrete mir die Beine. Auch zwei Wohnmobile haben die enge Ortsdurchfahrt unbeschadet überstanden und fahren an meinem Rastplatz vorbei. Ich lasse den Blick über das Landstädtchen, das schimmernde Meer und die hier kahlen Berghänge des Parnass schweifen.

Aber nicht sehr lange, die Zeit ist knapp. Helm auf und rein ins Vergnügen. Ein sehr passables Sträßchen mit engen Kurven ohne Ende führt mich rund dreißig Kilometer lang von null auf 1150 Meter Höhe. Zuerst geht es an dem im Sommer ausgetrockneten Flußbett des Dafnons entlang. Rechts und links der romantischen Strecke steigen steile Felswände empor, oftmals ist die Schlucht gerade so breit, daß nur das Flußbett und die Straße hineinpassen.

Auf etwa der Hälfte der Strecke nach Kosmas passiere ich die Abzweigung zu dem in 650 Metern Höhe an einer steilen Felswand klebenden Kloster Elonis. Obwohl es auf den ersten Blick nicht so aussieht, kann man bis fast vor den Eingang auf einem geteerten Weg nach oben fahren.

Nach der Abbiegung geht die Serpentinenstrecke durch den Parnass erst richtig los. Eine Spitzkehre wird durch die nächste abgelöst. Es ist ein steiler Anstieg, die 27 Pferde der Suzuki geben ihr Bestes.

Schließlich ist es vollbracht, ich komme in eine, über eintausend Meter hoch gelegene Ebene, wo ich die Campingfreunde am Straßenrand stehen sehe. Die Landschaft hat sich total verändert. Waren bisher die Berge kahl und abweisend, so säumen jetzt dichte duftende Tannen- und Kiefernwälder meinen Weg.

Mittelgebirgsatmosphäre mitten in Hellas. Vereinzelt weisen verrostete und zerschossene Schilder den Weg zu verlassenen Klöstern oder Kapellen, die sich irgendwo im Niemandsland befinden und nur auf Forstwegen zu erreichen sind.

Ein Bowdenzug darf jetzt nicht reißen, die nächste Werkstatt liegt per pedes Stunden entfernt. Auf den Bus sollte man dabei nicht vertrauen, der kommt nur dreimal die Woche vorbei. Hier bist du alleine mit deinen Gedanken und deiner Maschine in der grandiosen Gebirgswelt des Parnass'.

Nach insgesamt 120 Kilometern seit Tolo taucht auf einmal das am Gegenhang liegende, erstaunlich große Bergdorf Kosmas auf. Es dauert aber noch drei Kilometer, bis ich das Ortsschild passiere. Im Winter soll der Ort durch meterhohen Schnee für einige Wochen völlig von der Außenwelt abgeschnitten sein.

Über eine äußerst schmale, steil abfallende Betonpiste gelange ich im ersten Gang mit gezogener Bremse auf die große Platia mit ihrer Kirche in der Ortsmitte. Rund um den Platz befinden sich unter großen, schattenspendenden Laubbäumen etliche Tavernen, die zu einer Rast einladen. Es ist erstaunlich kühl auf 1150 Metern Höhe, um so dankbarer bin ich, die langärmelige Motorradjacke angezogen zu haben.

In einer der Tavernen bestelle ich mein Mittagessen, einen griechischen Salat mit dem obligatorischen Weißbrot, dazu eine Cola und ein Glas Wasser. Nach einer Stunde, die ich mit Essen, Sitzen und Schauen verbringe, geht es weiter. Ich freue mich ungemein auf die Abfahrt nach Geraki. In den meisten Karten ist die Straße noch als geschottert eingezeichnet und viele Reiseführer älteren Datums warnen vor ihrem Befahren. Ich habe mir jedoch von den Einheimischen sagen lassen, daß der Streckenausbau seit geraumer Zeit abgeschlossen ist.

Vorsicht ist trotzdem geboten, denn nach starken Niederschlägen kann es schon einmal vorkommen, daß die Straße durch einen Bergrutsch noch verschüttet ist, im Ort habe ich mich daher erkundigt, ob die Strecke auch wirklich befahrbar ist.

Vielleicht ist das ein Grund dafür, daß Kosmas immer noch als Geheimtip gelten darf. Zugegeben, so ganz geheim ist er nun auch nicht mehr, immerhin gibt es im Ort sogar bescheidene Übernachtungsmöglichkeiten. Auch bei den Zweiradkollegen scheint sich die kurvenreiche Strecke schon herumgesprochen zu haben, denn, außer meiner Suzuki parken noch vier weitere Motorräder auf der Platia.

Zwei neu ankommende Ducati-Rennfahrer stören die mittägliche Ruhe, indem sie mit flotter Geschwindigkeit über den Dorfplatz röhrend in eine Sackgasse hineinbrettern, dort umkehren, um dann mit der selben Lautstärke den Ort wieder zu verlassen.

Hinter Kosmas liegt der Scheitelpunkt der Strecke, ab jetzt schwingt sich die Straße in weiten Serpentinen abwärts. Ich lasse die Maschine richtig laufen und stelle ungewollt fest, daß die Fußrasten erst sehr spät aufsetzen.

Nach ein paar Kilometern treffe ich schon wieder auf die Camper, die mit offener Motorhaube am Straßenrand angehalten haben. Da man in dieser Gegend selbstverständlich zusammenhält, stoppe ich und biete meine Hilfe an. Die Temperaturanzeige des Busses leuchtet auf. Ursache dafür dürfte der zu niedrige Kühlwasserstand sein. Da nichts ausläuft beruhige ich die beiden Landsleute. Bis zur nächsten Tankstelle, die in Fahrtrichtung immer bergab liegt, dürfte es keine Probleme geben.

Die Straße führt nun kilometerlang geradeaus, die Abfahrt ist atemberaubend. Da kommen mir die Ducatifahrer entgegen, die ich schon in Kosmas getroffen habe. Offenbar macht es ihnen sehr viel Spaß, den Paß mit Vollgas hinauf und anschließend wieder hinunter zu fahren.

An der nächsten großen Kreuzung mit der einsam gelegenen Tankstelle stehen drei Wege zur Auswahl.

Nach links geht es zur byzantinischen Ruinenstadt Geraki, die ich heute jedoch aus Zeitgründen im wahrsten Sinne des Wortes links liegenlassen muß.

Geradeaus kommt man nach Skala, von dort wahlweise über Gythio in die archaische Mani, oder in das mittelalterliche Monemvasia. Aber dies sind andere Traumziele.

Ich biege nach rechts Richtung Sparti ab. Die rote Erde ist fruchtbar genug, um Landwirtschaft betreiben und die Menschen ernähren zu können. Auf der, in der Karte gelb eingezeichneten, kurvigen Nebenstrecke durchquere ich zunächst ausgedehnte Olivenhaine. Verkehr: Fehlanzeige.

Nach 35 Kilometern auf wechselnden Asphaltbelägen, immer an den westlichen Ausläufern des Parnass‘ entlang, erreiche ich die grüne Ebene des Eurotas'. Ich passiere ein paar kleinere Bauerndörfer, die jedoch nicht zum Verweilen einladen. Als ich gerade durch ein Waldbrandgebiet fahre, sehe ich hinter einer Kuppe endlich Sparti, die moderne Verwaltungshauptstadt Lakoniens auftauchen.

Über Sparti, besser bekannt unter seinem altgriechischen Namen Sparta, dürften selbst diejenigen, die noch nie in Griechenland gewesen sind schon einmal etwas gehört haben. Von den antiken Ruinen des ehemals mächtigen Stadtstaates ist jedoch fast nichts mehr erhalten, nur der sagenhafte Ruhm der Spartaner lebt bis heute fort.

Einen extra Besuch wert ist hingegen die byzantinische Ruinenstadt Mistra, die fünf Kilometer westlich von Sparti an einem steilen Hang eines Taygetos-Ausläufers liegt. Die einst von über 40.000 Menschen bevölkerte Stadt ist heute, bis auf das von Nonnen bewohnte Pantanassa-Kloster verlassen.

Sehr sehenswert sind die bereits restaurierten Kirchen und Klöster, der Despotenpalast, dessen Hauptbau seit Jahren renoviert wird und ein neues Dach erhält sowie die Festung, oben auf dem Hügel. Von dort gewinnt man einen herrlichen Überblick über die Ruinenstadt und das Eurotas-Tal.

Mistra ist von Sparti aus leicht über eine asphaltierte Nebenstraße zu erreichen, kostenlose Parkplätze sind ausreichend vorhanden. Um die gesamte Anlage einschließlich Burg ausgiebig besichtigen zu können, sollte man mindestens drei bis vier Stunden einplanen. Ganz wichtig ist die Mitnahme von Getränken, da es innerhalb der Ruinen keinerlei Verpflegungsmöglichkeiten gibt.

Mit dem Rundgang sollte man auf jeden Fall früh am Vormittag beginnen, da der steile Aufstieg zur Festung an heißen Sommertagen ansonsten zur Qual wird. Heute wäre selbst am Nachmittag ein idealer Besichtigungstag gewesen, denn es sind Wolken aufgezogen und ich befürchte, es könnte zu regnen beginnen.

Vor der Brücke, die über den Eurotas nach Sparti führt, treffe ich auf die Hauptstraße nach Tripoli. Ich biege nach rechts ab und beabsichtige diese Etappe wegen des dunklen Himmels möglichst schnell hinter mich zu bringen.

Doch, was haben die Straßenbauingenieure dieser einstmals so romantischen Straße mit Blick auf das nördliche Taygetos-Gebirge angetan?

Die von mir so heiß geliebten Caterpillar-Bagger pflügen die Landschaft brutal um und brechen so eine Schneise für einen neuen "Highway". Zu Beginn der Riesenbaustelle warnen Schilder "Road under Construction" und "30 km/h" vor den provisorisch angelegten Schotterpisten. Die ursprüngliche Straßenführung ist nur noch zu erahnen. Auch mein alter Rastplatz mit dem gemütlichen, überdachten Sitzrund ist der Straßenbauwut bereits zum Opfer gefallen. Fortschritt über alles!

Ich verdamme diesen Fortschritt im griechischen Straßenbau nicht prinzipiell, aber auf diesem Streckenabschnitt wäre wegen des überschaubaren Verkehrs eine derartige Zerstörung der Landschaft meiner unmaßgeblichen Meinung nach nicht unbedingt nötig gewesen.

Nach einigen Kilometern ist der Spuk vorbei, noch 25 Kilometer bis Tripoli. Da die Wolken immer schwärzer werden, überhole ich mutig zwei überlange, hintereinander fahrende Sattelzüge, der Drehzahlmesser geht bedrohlich in den roten Bereich. Das wäre geschafft, freie Fahrt bis Tripoli.

An der großen Kreuzung beim Bahnhof (Vorsicht Schienen!) verzweigt sich die Straße in alle Himmelsrichtungen. Ich halte mich nach rechts, Argos 56 Kilometer. Wieder folgt ein Wegstück "Road under Construction", es handelt sich um die zukünftige Auffahrt zu der seit langer Zeit in Bau befindlichen Fortsetzung der Autobahn Korinth-Tripoli, die irgendwann einmal in Kalamata enden soll.

Mit Tempo 100 nähere ich mich dem Paß nach Argos. Zunächst durchquere ich die beiden Straßendörfer Steno und Agiorgitika, in denen direkt an der Durchgangsstraße Knoblauchzöpfe, Zwiebeln und Orangen zum Kauf angeboten werden.

Gleich nach der zweiten Ortschaft folgt eine lange Gerade, an deren Ende die Serpentinenstrecke beginnt. Im sechsten Gang ziehe ich die Maschine durch die weiten Kurven.

Ein kurzes Stück noch führt die Strecke bergauf, dann ist der Scheitelpunkt des Passes erreicht. Die letzten Kilometer muß man jetzt verstärkt aufpassen, denn ab hier werden die Kurven enger. Nur ein einziges Mal schalte ich zu spät zurück, schon wird der Radius zu eng und ich gerate unvermittelt auf die Gegenfahrbahn.

Gegen 17 Uhr erreiche ich die gepflegte Raststätte am Fuß des Passes. Ich gönne mir und meiner Suzuki bei einer Tasse Kaffee und einer Selbstgedrehten eine Verschnaufpause. Der Wettergott hat es gut mit mir gemeint und die Wolken wieder verscheucht.

Auf der Karte lasse ich die Touren der letzten drei Tage Revue passieren, insgesamt über 700 Kilometer Landstraße sind geschafft. Die restlichen 26 Kilometer nach Tolo sind dagegen nur noch ein Katzensprung.

Nach heute 303 Kilometern und elf Stunden unterwegs komme ich gegen 18 Uhr beim Motorradverleiher an. Die Suzuki hat mich nicht im Stich gelassen, mein Dank ist ihr gewiß.

Schon überlege ich, im nächsten Jahr mit meiner eigenen Maschine herzukommen und auf die Bequemlichkeit der Autoanreise zu verzichten. Leider liegen 932 quälende Autobahnkilometer, die es zu überwinden gilt zwischen meinem Wohnort und dem Hafen von Ancona.

Anschließend werde ich hoffentlich wieder Motorradvergnügen pur erleben dürfen und meine Griechen werden sagen: "Trelos ine, o Jermanos - Er ist verrückt, der Deutsche".


Ende.

Bettina
20.February.2009, 20:45
Hallo Armin,

du hattest wohl nachholbedarf:laugh:

...werde mir das heute abend in aller Ruhe durchlesen....:Knuddel:

Armin G.
20.February.2009, 20:56
Kalispera Bettina,

ich hatte endlich mal Zeit, die uralten Disketten rauszusuchen, auf die Festplatte zu ziehen und ins Forum reinzukopieren.

Ich hab' nämlich Urlaub bis Mittwoch (dann ist alles vorbei :smiley4: und ich muss wieder schuften).

Schade, dass die Bilder zum Bericht analog aufgenommen wurden und ich es zeitlich nicht schaffe, sie zu digitalisieren. Hab ich mir aber fest vorgenommen, avrio!!!

Schönen Abend noch und schick doch endlich mal die Sonne nach Franken, wir haben Schnee ohne Ende und es hört nicht auf :motz:

Ta leme, Armin

Bettina
20.February.2009, 21:01
Schönen Abend noch und schick doch endlich mal die Sonne nach Franken, wir haben Schnee ohne Ende und es hört nicht auf :motz:

Ta leme, Armin

...wenn die Sonne mal wieder hier vorbeischauen sollte sag ich ihr bescheit :icon_lol:

schönen abend!!

AndDei
20.February.2009, 21:16
Hallo Armin

da hast du dich aber ausgetobt an der Tastatur :biggthump
Morgen ist bei uns wieder einmal mieses Wetter angesagt - da
kommt dein Bericht genau richtig :read:

LG Andi