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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Wie wir einst nach Kreta kamen



WolfgangO
24.March.2009, 16:14
Das erste Mal in Kreta
Zugegeben, die Geschichte, die ich heute nach 10 Jahren aufschreibe, ist nicht mehr aktuell. Aber immer noch steigt die Erinnerung ganz warm in mir auf. Es ist die Geschichte von unserem ersten Kreta-Urlaub. Wir feiern also unser 10-Jähriges Kreta-Start-Jubiläum.
Es war 1999 und wir überlegten, wo soll es denn hingehen. Die Jahre zuvor hatten wir Dänemark, Bornholm und Schweden und dachten schon, dass es für Urlaub nur den Norden gibt. Aber irgendwie schien der Süden dran zu sein. Und irgendwann stand in der Zeitung eine Annonce so in dem Stil "wo Kreta noch unverbaut" ist. Angepriesen wurde der kleine Ort Kalamaki. Eine Familie, die dort regelmäßig anzutreffen war, machte Werbung für Hotel Alexander und nahm auch gleich Buchungen an. Nach einigen Telefonaten (damals war ich noch nicht so misstrauisch wie heute) haben wir gebucht. Vermutlich habe ich mir um diese Zeit den "Fohrer" gekauft um erst mal einiges zu lesen. Den Flug haben wir extra gebucht und erst auf dem Flughafen gemerkt, dass es da wohl auch Pauschalreisen hin gab. Aber vielleicht war es gut so, wir hätten eh nicht gewusst, wo wir hin wollten. Und nun waren wir eben auf Südkreta gekommen.
Der Flug startete wie auch heute noch 5.30 Uhr ab Dresden, entsprechend zeitig waren wir zu Hause los gefahren. Mir gings nicht gut. Ich bin kein Frühaufsteher und hatte auch mächtige Flugangst. Aber inzwischen weiß ich, dass ich erst als Rentner die Zeit haben werde, ohne Flugzeug in den Süden zu reisen. Also hab ich mich von meiner Frau überreden lassen, die eine begeisterte Fliegerin geworden ist. Das bin ich nach wie vor nicht, aber wenn ich in den Süden will, muß ich dieses Mittel zum Zweck eben akzeptieren. Etwas schockiert war ich schon, als ich dann in der engen Röhre saß und die vielen Menschen sah. Ich hatte mir ein Flugzeug schon etwas geräumiger vorgestellt. Aber nun saß ich drin und versuchte durchzurechnen, wie viele Flugzeuge ständig weltweit in der Luft sind und wie wenig da doch passiert. Das machte mich etwas ruhiger und ich verzichtete darauf, in letzter Minuten wieder auszusteigen. (Jahre später, auf dem Rückflug von Zypern ist es dann doch passiert, dass der Pilot während des Steigfluges ansagte "we have a problem and turn back to Larnaca" - da ich das überlebt habe, bin ich etwas gelassener geworden).
Der Start hat mich beeindruckt, so ein Schub! Und der erste Gedanke war: jetzt gibt es kein zurück. Und dann flogen wir in den Sonnenaufgang. Es war einfach toll. Und, was ich nie wieder erlebt habe, wir hatten einen jungen Flugkapitän, der den ganzen Flug kommentierte. Es war überwältigend, über den Olymp zu fliegen! Er beschrieb alles, was zu sehen war. Schließlich die Landung in Heraklion. Zu meiner Flug-Premiere hat es beim Aufsetzen ordentlich geknallt. Der Kommentar des Kapitäns: Willkommen auf Kreta - hart aber herzlich.
Dann das Warten aufs Gepäck in diesem kleinen und heißen Airport. Und schließlich das Schild der Autovermietung. In einem atemberaubenden Tempo brachte uns der Mitarbeiter der Agentur auf die andere Straßenseite, in gleichem Tempo las er den Mietvertrag vor, zu irgendwelchen Bedenken war gar keine Zeit. Auf dem Dach unseres "Corsa" habe ich unterschrieben. Ich weiß nicht mehr, wie wir damals bezahlt haben, er fragte noch, ob ich mal auf Kreta war und mich auskenne und beschrieb mir dann den Weg durch Heraklion in einem ebenfalls atemberaubenden Englisch und verschwand. Warum er den Weg durch die Stadt gezeigt hat, weiß ich nicht, die Autobahn gab es doch damals auch schon. Aber immerhin, damit waren wir hautnah dran an Kreta.
Hundemüde in Knallhitze durch ein vormittäglich geschäftiges Heraklion. Es hat mir Spaß gemacht, auch wenn mir mehrmals ein Moped beim Spurwechsel vor den Kühler fuhr, ich sagte mir nur: ruhig, das ist normal. Endlich ging es aus der Stadt Richtung Süden. Irgendwo haben wir Wasser gekauft und bei der Weiterfahrt schlief meine Frau ein. Nun war ich allein auf Kreta! Irgendwoher musste ich eine gute Fahrtbeschreibung gehabt haben, ich weiß es nicht mehr. Jedenfalls kamen wir gut in Kalamaki an. Ohne jede Vorstellung von Kreta war dieser Ort zunächst eben das Kreta. Das "Alexander Beach Hotel" hat eine überschaubare Größe und die Gäste waren alles Leute, die sich bewusst für den Süden und die Urtümlichkeit der Gegend entschieden hatten. Aber das merkten wir erst in den nächsten Tagen. Zunächst erreichte uns ein einmaliger Geruch vom Meer her. Ich bilde mir ein, dass es nur auf Kreta so riecht. Wir sind einfach die kleine Promenade entlang gelaufen und haben dann die Tavernen entdeckt. Da wir zum ersten Mal überhaupt in einem südlichen Land waren, hat uns das "hier gut essen" der Tavernenwirte etwas verunsichert. Man hatte das Gefühl - nur nicht hinschauen, dann spricht dich keiner an. Und wir wollten erst mal nur Ruhe haben. Seit Mitternacht auf den Beinen, waren wir nicht gerade darauf aus, die Mentalität der Kreter zu studieren. Allerdings kamen wir auch nicht bald zum Schlafen. Wir hatten ein Zimmer erwischt, welches direkt über der Taverna war. Seitlicher Meerblick sozusagen. Und direkter Krach. Alexander erlebten wir als einen etwas zugeknöpften Kreter, der nicht gerade Wert darauf legte, mit den Gästen einen tollen Kontakt zu haben. Für die Atmosphäre sorgten seine Frau und eine deutsche Kellnerin. Gebucht hatten wir mit Frühstück und wussten damals nicht, dass die Kreter in der Regel gar nicht frühstücken. Aber entsprechend bescheiden fiel das aus, was uns jeden Morgen serviert wurde - 14 Tage ohne jede Veränderung. Auf eine Beschwerde soll Alexander mal gesagt haben: wer auf Kreta lebt, muss auch wie auf Kreta leben. Nun, wir haben es versucht und das Frühstück so nahe am Meer war dennoch eine tolle Zeit. Manche haben auch privat zugekauft, aber wir haben es so genommen, wie es war.
Über die Ausflüge will ich hier nicht berichten, die stehen in jedem Reiseführer besser beschrieben als ich es je erzählen könnte. Aber in den Tavernen war es toll. Natürlich hat es auch bei Alexander geschmeckt, aber wir wollten so viel wie möglich kennen lernen. Dazu gehörte es natürlich auch, in Kamiliari in einer kleinen Taverne in die Töpfe zu schauen. Sehr schnell waren wir auch in den wenigen Tavernen am Strand bekannt. Wir waren nicht in allen, weil uns nicht jedes Flair gefiel. In einer, ich weiß den Namen nicht mehr, sind wir mit Raki regelrecht verwöhnt worden. Und als an einem Abend der Laden dicht machte, ließ uns der Wirt mit einem viertel Liter Raki noch sitzen. Alles geschenkt. Zuvor hatte ich ihn beinahe beleidigt. Auch Olivenöl kannten wir bis dahin kaum. Und irgendwie schmeckte es anders als aus dem Supermarkt. Es brannte im Mund. Und überhaupt. Ich habe es jedenfalls so weit gebracht, dem Wirt zu sagen, irgendwie wäre das Öl nicht ganz frisch. Der arme Kerl war völlig ausser sich, eigene Ernte, selbst gepresst und ganz frisch. Roch mehrmals an der Flasche und brachte schließlich eine neue. Es schmeckte genauso, und da ahnte ich....Ähnliches ist mir noch einmal passiert. In Agia Galini wollten wir uns Orangen kaufen und ich fand keine, die so aussahen, wie wir es gewohnt waren. Die hier waren schrumpelig und mit Flecken. Da hab ich doch die Frau im Laden gefragt, ob sie auch frische Orangen haben.....Peinlich, peinlich. Natürlich waren die frisch vom Baum. Nur eben nicht nach EU-Norm.
Bei Alexander bekamen wir bald ein ruhigeres Zimmer und von da an ging es uns richtig gut. Bemerkenswert der Umzug von einem Zimmer ins andere. Das hatten wir gar nicht mitbekommen und als wir nachmittags vom Strand kamen, bekamen wir einen anderen Schlüssel. Und dann die Überraschung. Das komplette Zimmer war, so weit möglich, identisch umgeräumt. Selbst in den Schubfächern lag alles so, wie wir es eingeräumt hatten. Jeder Kamm, jede Zahnbürste war am gleichen Ort wie vorher. Sogar ein paar Geldstücke im Nachtschränkchen lagen so wie vorher. Da hatte sich jemand liebevoll Mühe gegeben.
Unterwegs waren wir fast an jedem Tag. Natürlich gibts davon viel zu erzählen, manches habe ich auch vergessen. Aber da sind noch die Fotos. In einem Dorf hat sich meine Frau gesetzt, um zu malen. Sie malt wirklich gut, hat schon viele Ausstellungen gemacht und Kreta ist ein Traum. Ich saß irgendwo im Schatten. Denn wenn meine Frau "nur mal kurz" den Block rausholt, weiß ich, dass ich einige Stunden auf Foto-Pirsch gehen kann. Aber dazu war es mir zu heiß. Irgendwo habe ich mich in den Schatten gesetzt. Da kam eine alte Frau, schaute auf das angefangene Bild, kalo, kalo und brachte mir einen Teller mit frischen Weintrauben und einem ordentlichen Glas Raki. Es war köstlich. Darum gabs gleich noch einen Raki. Und es war schwierig, dass ich bei der Hitze nicht Raki auf Raki trinken wollte. Schließlich hatten wir auch noch eine Strecke zu fahren. Und dann sah ich Gläser mit Oliven und sie erklärte mir, wie Oliven eingelegt werden. Salzwasser und immer wieder wechseln. Wie sie direkt vom Baum schmecken, hatte ich schon erfahren. Da war ich auch so naiv, einen vollen Biß zu machen. Kurz vor der Abreise habe ich mir noch einen Foliebeutel voll Oliven gepflückt und zu Hause angesetzt. Es hat lange gedauert, bis sie essbar waren, aber es waren die schmackhaftesten Oliven, die ich jemals gegessen habe. Unsere Gäste fanden das auch und so haben sie sich nicht lange gehalten.
Kamalaki bestand damals - und das wird wohl noch so sein - aus vielen Investruinen. Es ist ein kleiner Ort, der nur punktuell "typisch griechisch" ist. Trotzdem möchte ich irgendwann noch mal hin. Wahrscheinlich ist es der Erstkontakt mit Kreta, der es so überzeichnet hat. Denn Kalamaki ist wirklich nicht schön als Ort. Der Strand ist traumhaft und damals waren wir stets unter uns. Noch im Oktober war der Sand so heiß, dass es an den Füßen weh tat. Jeden Tag sahen wir die Sonne später über den Bergen aufgehen und jeden Tag war auch das Wasser zum Duschen später warm. Alexander heizte das Wasser für die Gästezimmer ausschließlich solar. Seine Gäste sollten so leben wie er. Am besten kein Frühstück und warmes Wasser nur, wenn die Sonne scheint. Es war trotzdem ein Traumurlaub. Mit Freunden sind wir ein Jahr später noch einmal in Kalamaki gewesen. Und haben auf einer Tour die Freizügigkeit der Kreter kennen gelernt. Irgendwo am Rande einer Straße sahen wir, wie in einem kleinen Garten Erdnüsse geerntet wurden. Und daneben stand ein kleines und leicht verfallenes Häuschen. Um diese Bude standen rostige Tonnen, darin Foliesäcke mit Weintrauben. Sie köchelten ordentlich in der Sonne. Natürlich war es eine kleine Raki-Brennerei. In Deutschland wäre diese Brennerei sofort geschlossen und glatt gemacht worden. Der ganze Raum, die Roher, das alles hat nichts mit irgendeinem Reinheitsgebot zu tun. Aber der Raki war ein Genuß. An der Quelle saß ein junger Mann, besser gesagt, er lag und schaffte es grad noch, ohne viel zu verschütten die Flaschen zu füllen. Vermutlich bestand sein Tageslauf darin, ständig zu verkosten. Als wir es endlich geschafft hatten, uns von den freundlichen Menschen loszueisen, bekamen wir jeder eine Plasteflasche mit 1 Liter Raki geschenkt, abgefüllt durch Eintauchen in eine Wanne voller Raki. Den haben wir zu Hause in ganz kleinen Mengen noch lange genießen können. Verständlich, dass es uns nun endlich wieder nach Kreta zieht.

robinson
24.March.2009, 19:42
So,
nun tun mir die Augen weh!:jo:
Interessant zu lesen wie doch jeder auf seine Art Kreta kennen gelernt hat.

Wir werden erst wieder im September in die enge Röhre steigen.

Wenn du hast, wären auch ein paar Fotos interessant.

Dorli
24.March.2009, 20:06
Hallo Wolfgang, interessant zu lesen wie du Kreta kennengelernt und das erste Mal empfunden hast, noch dazu in meinem Lieblingsort Kalamaki.

Heute stehen nicht mehr viele Rohbauten, vor allem die an der Strandpromenade sind meist fertig und die Tavernengasse ist nun richtig gemütlich. Ich komme fast jedes Jahr und entdecke immer wieder Häuser, die nun fertig geworden sind.

Vielleicht trifft man sich ja mal dort.

Lieben Gruß, Dorli

Sonne
25.March.2009, 09:19
Hallo Wolfgang,

schön zu lesen, wie Ihr das erste Mal Kreta empfunden habt. Dass die Tavernenwirte einen so ansprechen und versuchen, in 'ihr' Lokal zu ziehen - das ist etwas, das mir wohl nie gefallen wird. Aber ich habe gelernt, damit umzugehen. Kalamaki ist -wie Dorli schon schreibt - inzwischen wohl etwas gewachsen. Aber immer noch geeignet für einen schönen, ruhigen Individualurlaub. Allerdings würde ich wohl eher ein Studio/ Apartment empfehlen :smiley55:

Besonders gut gefällt mir die Geschichte, als Deine Frau ein Bild gemalt hat...
Ich vermute mal, dass Fotos von damals schwierig sind, da es da noch keine Digitalkameras gab (glaub' ich). Ich hab von damals auch alle Fotos in Papierform - und keinen Scanner.

Liebe Grüße
Sonne :smiley5:

WolfgangO
26.March.2009, 18:15
Danke für Eure Kommentare, Fotos hab ich natürlich in Papier, vielleicht setz ich mich mal hin und scanne einige. Ansonsten fahren wir im Oktober und da gibts dann auch Fotos.
Viele Grüße
Wolfgang