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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Die Fensterkurbel / Für Rainer



Kretamum
25.March.2009, 18:11
Weil wir gestern wieder einmal das Thema Leihwagen hatten, habe ich mich an eine Begebenheit erinnert, die schon einige Jährchen zurückliegt.

Urlaub auf Kreta im Mai 2004.

Erstes Treffen mit einem bis dahin „nur“ virtuellen Bekannten aus dem alten Kretaforum, den wir, um die Privatsphäre zu wahren, in der Folge einfach Herrn X nennen werden. Die Chemie stimmte gleich beim ersten Frappe auf der Terrasse unseres Hotels. So vereinbarten meine Reisebegleiter und ich, dass wir den nunmehr zur realen Person gewordenen virtuellen Forumsfreund, der die erste Woche seines Urlaubs geplant alleine auf der Insel war, auf unsere Ausflüge mitzunehmen. So verbrachten wir viele gesellige Stunden im Homo-Sapiens-Museum, in Agios Nikolaos, Elounda, Kritsa und lernten gegenseitig die bevorzugten Wohlfühlplätze auf der Insel kennen.

Da darf natürlich auch mein Ano Asites nicht fehlen und so geht dann unser Ausflug im Protos-Leihwagen des Herrn X los. Auf Umwegen über das malerische Hinterland landen wir zuerst einmal in Peza und besichtigen die dortige Weinkooperative. Die Weinverkostung, die wir mit zwei Mal einen Fingerhut Wein (= 2 x 1/16 l) pro Person tapfer meistern, veranlasst uns, einige Flaschen Imiglikos zu erwerben. Im Weinmuseum laben wir uns allerdings auch mit jeweils mindestens einem Liter kalten Wasser, weil der Leihwagen nämlich ein riesiges Manko aufwies. Die Fenster ließen sich nicht öffnen. Rainer von Protos hatte Herrn X schon den Austausch des Autos für den nächsten Tag zugesagt. Wir hatten also für die Fahrt auch entsprechend Wasser eingelagert, das allerdings nach einer Stunde im Auto schon knapp unter dem Siedepunkt angelangt war. Mit fortschreitender Tageszeit wurde der Aufenthalt im Auto immer beschwerlicher und vor allem unendlich schweißtreibend. Nachdem wir Iraklio verlassen hatten und uns wieder auf freier Flur befanden, gab’s natürlich die eine oder andere Pause zum Frischluft tanken. Solcherart schon ziemlich in Mitleidenschaft gezogen, langten wir in der ärgsten Mittagshitze vollkommen dehydriert in Asites ein. Unser Allgemeinzustand muss offensichtlich ganz schlimm gewesen sein, weil mein Freund Lagou, der leider im vergangenen Winter verstorbene Inhaber des Kafenio, sofort mit gekühlten Getränken über die Straße auf uns zueilte. Wieder halbwegs erholt musste ich natürlich erzählen, warum wir derartig geschlaucht und fertig in Asites gelandet waren. Eine Welle des Bedauerns aller Gäste des Kafenio, das seine Tische draußen auf der Plateia aufgestellt hatte, linderte unsere Strapazen zusätzlich noch auf ganz besondere Weise. Lagou beorderte seinen Sohn, einen gottbegnadeten Mechaniker, von der Siesta geradewegs ins Kafenio, um sich unser Auto näher anzuschauen.

Die „Reparatur“ dauerte dann nicht länger als ein paar Sekunden. Ein Druck auf den Fensterheber genügte und die Fenster ließen sich nach Belieben öffnen und schließen. Ich dachte schon an ein Wunder und der kleine Lagou stieg ganz gewaltig in meiner Achtung. Bis ich den hochroten Kopf des Herrn X bemerkte …… nach eingehender Inspektion des Fahrzeuges bekam ich von diesem nur zu hören ..:“und ich habe seit ein paar Tagen geglaubt, die Fensterkurbeln wären abgebrochen!“ Ich konnte weder das Gehörte glauben, geschweige denn begreifen, warum ich – ganz entgegen meine sonstigen Gewohnheiten – nicht einmal einen einzigen Versuch gemacht hatte, die Technik des Autos vielleicht doch überlisten zu können.

Diese Episode hängt mir im Dorf heute noch nach … „Hilda, se parakalo, anoikse ta parathira, kani zesti“ …Mach bitte die Fenster auf, es ist heiß. Das bekomme ich bei passender Gelegenheit mit viel Gelächter immer wieder serviert.

Nachdem allerseits das enorme technische Geschick meines Reisebegleiters lautstark belacht worden war, verbrachten wir noch einen überaus angenehmen Nachmittag im Dorf bei meinen Freunden.

Die Heimfahrt ohne Sauerstoffmangel und bei schon erträglichen Temperaturen war dann vergleichweise die reinste Wonne. Ob allerdings Herr X diese zwei Stunden besonders genießen konnte, weiß ich nicht, denn diese vielen unnötig verschwitzten Kilometer konnte ich auf keinen Fall unkommentiert lassen - und für diese Kommentare war der Weg zurück an die Nordküste gerade einmal lang genug :biggthump
Nein, war nicht ganz so schlimm, sondern eher lustig!

Vermutlich höre ich dann morgen nach der Lektüre dieser Geschichte, wie schrecklich nachtragend ich doch wäre. Macht nix! Rainer, danke für diese Erinnerungsauffrischung – es war ja doch in mehrfacher Hinsicht ein ganz besonderer Ausflug.

Herr X feiert übrigens morgen Geburtstag – alles Gute! Wie wär’s eigentlich wieder einmal mit einer kleinen, feinen Fahrt übers Land? :ANGEL:

robinson
26.March.2009, 07:44
Schöne Anekdote,
hat mich an ein Erlebnis mit meiner Schwester erinnert. Wir fuhren einmal mit ihrem Auto von Berlin nach Ulm runter. Im Sommer, 30 Grad, Fensterheber wirklich kaputt, ließen sich nicht öffnen.
Aber nicht genug damit Die Heizung war auch hin, ließ sich nicht ausschalten.
Kannst dir ja vorstellen, wie wir dort angekommen sind.

Stifti
26.March.2009, 10:24
Schöne Geschichte, Reinhilde, wir haben lauthals gelacht. Man ist ja heute ganz schön verwöhnt mit der Klimaanlage!!!
Mitfühlende Grüße von Stifti :explo:

Gerhard
26.March.2009, 11:19
Super Story!!!
Naja, aber ehrlich gesagt, soooo lange gibt es ja noch keine elektrischen Fensterheben, oder? :laugh::laugh::laugh:

Alles Gute zum Geburtstag an Mr. X.

Kretamum
26.March.2009, 14:27
Ja, eine richtig lustige Geschichte, eine wunderbare Erinnerung, vor allem schon etwas verwischt und verklärt durch die vergangene Zeit.

Wir hatten halt wirklich nicht daran gedacht, dass das Zeitalter des elektrischen Fensterhebers auch auf Kreta schon seinen Einzug gehalten hatte.

Mister X hat dieses Erlebnis seinerzeit (sehr zu meiner Freude :smiley8: ) mit einem eigenen Titel versehen ... "Wiener Würstchen am Grill" ... :ill:

Jasmina
6.April.2009, 09:51
Wir sind Freunde der alten Kurbeln.
Mit unserem VW-Bus waren wir auf dem Weg nach Kreta. Als wir die Fähre in Patras verließen, ließ sich das Fahrerfenster elektrisch nicht mehr öffnen. An der Mautstelle gleich bei Patras kletterte ich also auf den Sitz entgegen der Fahrtrichtung hinter dem Fahrer, öffnete das Schiebefensterle und entrichtete unsere Maut, die Dame guckte etwas seltsam. Kurz vor Korinth erstanden wir eine neue Sicherung und das Fenster tat. Bis kurz vor Piräus. Dann war auch diese hinüber. Wieder eine gekauft. Auf Kreta dann tat es einen Schlag und die Mechanik innen drin war dahin. Allerdings als das Fenster unten war, war ja auf Kreta nicht schlimm, aber wir mussten ja wieder heim.
Ich kann seit dieser Zeit die VW-Werkstatt in Heraklion Richtung Ammoudara nur empfehlen. Ich klaubte morgens aus meinem Wörterbuch die Vokabeln raus, Mama half mit und dann stellte sich raus, der Werkstattleiter ist aufgewachsen in Deutschland und hat bei Toyota gelernt. Er spricht deutsch. Seitdem besuchen wir ihn einmal im Jahr. Unser Bus braucht in Deutschland 48 Wochen im Jahr keine Werkstatt. Aber in 4 Wochen Kreta mindestens 1 mal.

Grüßle
Jasmina