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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Was soll ich in Ano Asites?



Kretamum
3.October.2009, 18:43
Ulla, Funny ... ihr habt es so gewollt :nuts:

Warum soll ich nach Ano Asites mitfahren?
(Aus einem Aufsatz im Griechisch-Kurs aus Nov. 2002)

Es war einmal .... vor 5 Jahren (Anm: 1997), als ich in Malia meinen allerersten kretischen Frühlingsurlaub genossen habe.

An einem dieser Tag sprach Ingrid, eine meiner Freundinnen, gerade von einem Ausflug zurückgekehrt (an dem teilzunehmen ich mich geweigert hatte), voller Enthusiasmus über irgendeinen Manolis, den sie in Asites kennen gelernt hatte, ein Ortsvorsteher dort oben, irgendwo auf den Bergen, am Psiloritis, in Ano Asites (sagt mir bitte, muss man dieses Dorf wirklich kennen? Hm, auf diese Frage komme ich dann später noch zurück :grin: ). Jener Manolis hatte eine Autobusladung Touristen in seinem Dorf willkommen geheißen, herumgeführt und abgefüttert, mit vermutlich großer Redegabe hatte er ihnen über die Geschichte seines Dorfes, die Mythologie und über das Alltagsleben dort und auf Kreta generell, einst und heute, berichtet (... wohl ein Dorf wie jedes andere auch, hatte ich ja doch selbst schon einige besucht ...). Den allergrößten Eindruck auf meine Freundin machte jedoch eine Erzählung über eine – zu grauen Vorzeiten – vermutlich dort beheimatet gewesene Fee. Die restlichen Urlaubstage hindurch quälte sie uns mit einer kaum vorstellbaren Hartnäckigkeit mit ihren endlosen Schwärmereien über dieses phantastische Dorf, über die unglaublichen Geschichten und über ihren neuen Bekannten, eben jenen Manolis. Halt, irgendetwas fehlt mir da jetzt! Ach ja ... die Fee! Beinahe hätte ich es unterschlagen, dieses zauberhafte Wesen, das so unablässig in der Phantasie meiner Freundin herumgeisterte, das mit uns am Frühstückstisch saß, uns an den Strand begleitete ... das einfach allseits präsent war.

Zurückgekehrt nach Wien bewunderte ich dann eine Reihe wirklich gelungener Fotos (damals hatten wir noch keine Digitalkamera, da waren Fotos noch eine Überraschung, eine nachträgliche Freude sozusagen), die meine Freundin in Asites geknipst hatte, und so lernte ich endlich auch das stets in Rede stehende Dorf samt den dort handelnden Personen kennen, zumindest einmal im Fotoalbum. Na also, das wäre geschafft gewesen! Bewunderung ausgedrückt. Damit war das Thema für mich abgeschlossen.

Wie die Zeit vergeht! Heuer (Anm.: 2002), 5 Jahre später, nahte zu Ostern zu meiner großen Freude (wie ich jetzt nachträglich gestehen muss) auch für mich der Moment, diesen berühmten vielzitierten Ort samt Manolis persönlich kennen zu lernen.

Zusammen mit meinen Reisebegleitern, auch jener besagten Freundin, fuhren wir am Ostersonntag nach Asites. Nach schmackhafter Einkehr in einer nahen Taverne machte sich sodann meine Freundin ganz aufgeregt auf den Weg, ihren alten Bekannten zu suchen. Kaum eine Viertelstunde später hieß uns Manolis selbst mit offenen Armen in seinem Dorf willkommen. Und ich bemerkte augenblicklich, dass ich einem wirklich außergewöhnlichen Menschen gegenüberstand.

Offen, gutherzig, freundlich, gesprächig (oh ja, sehr sogar!!) .. sehr sympathisch im wahrsten Sinne des Wortes, auch hinterlistig und durchtrieben (im positiven Sinne, sage ich heute, 2009) ... also einfach von Kopf bis Fuß kretisch.

Der Empfang, der uns in seinem Haus bereitet wurde, war herzlich und warm, obwohl wir so unerwartet, sozusagen aus heiterem Himmel, dorthin gekommen waren. Einerseits fühlte ich mich vom ersten Augenblick an wie zu Hause, andererseits aber plagten mich schwere Gewissensbisse wegen der Unannehmlichkeiten, die wir seiner Frau bereiteten. Aber die Wärme und die Echtheit der kretischen Gastfreundschaft in seinem Haus hielten uns – stundenlang - fest umschlungen und ließen uns in weiterer Folge nie mehr wirklich los.

Unser Manolis "schenkte" uns sodann einen ganzen Tag lang auch seine höchstwillkommene Gesellschaft. Er begleitete uns auf einen Ausflug. Er brachte uns nach Matala, er zeigte und erklärte uns die unterschiedlichsten Pflanzen und Blumen, er war unser Reiseführer in Gortys (seine Version der Geschichte, die sich um die immergrüne Platane dort rankt, wird uns wohl ewig unvergesslich bleiben!), ja, er stahl(?) – kleps-kleps, wie er sagte – sogar wilde (!:cool:!) Artischocken für uns, die wir dann mit großem Appetit (und natürlich Raki) in Zaros verspeisten. Auch die Forellen waren übrigens ausgesprochen delikat. Unser vergnüglicher Aufenthalt dort am malerischen Teich erschien uns als der Höhepunkt des Tages. Aber man glaubt es kaum! Dem war doch nicht so, es sollte noch viel besser kommen! Eine Abkürzung querfeldein durch die Wildnis, zu der uns unser dort ortsansässiger Freund überredete, erwies sich letztlich als ziemlich enger, total kurvenreicher, von den Frühlingsniederschlägen ausgewaschener, mit vielen tiefen Schlaglöchern und Spurrillen bestückter besserer Ziegenpfad, kurz gesagt, die Abkürzung war eine Herausforderung, nicht nur für uns (man bedenke, kurz zuvor hatten wir in Zaros ausgiebig geschlemmt) .. sondern vor allem auch für unser Auto. Und vom Zeitaufwand wollen wir lieber gar nicht sprechen.

So verbrachten wir einen unvergesslichen Tag mit unserem neuen Freund, der im Kreise einiger Dorfbewohner im Kafenio sehr idyllisch ausklang (während Manolis Freund noch schnell den Unterboden unseres Leihwagens auf der Hebebühne überprüfte). Die Erinnerung an diesen außergewöhnlichen Tag wird jedenfalls nicht so schnell verblassen.

Es war wirklich eine große Freude für mich, Ano Asites und vor allem "diesen" Manolis kennenlernen zu dürfen. Er ist wahrscheinlich derjenige, der dem männlichen kretischen Männerbildnis am meisten entspricht, noch dazu ausgesprochen gefühlvoll, witzig und bodenständig, ganz einfach ... ein kretisches Urgestein!! So hat er auch sofort gespürt, wie sehr mir Griechenland gefällt und wie sehr ich insbesondere mein Kreta liebe. Schnell war klar, dass wir uns ohne viele Worte verstehen und gut miteinander umgehen können .

Seither hat mich Ano Asites nicht mehr losgelassen – mit den Jahren lernte ich so nach und nach die meisten der Bewohner kennen und schätzen. Manoli’s Frau ist mir eine liebe Freundin geworden, die mich auch in viele Traditionen eingeweiht und mir eine Reihe von Küchengeheimnissen zugänglich gemacht hat. Im alten Haus von Manolis Familie habe ich mein ständiges Lager aufgeschlagen und werde dort, wenn ich dereinst einmal in Pension sein werde, jedes Jahr einige Monate verbringen.

Es ist meistens sehr, sehr schön, so richtig zur Dorfgemeinschaft dazu zu gehören – gelegentlich gerät man schon auch zwischen die Fronten und muss sich bemühen, sich selbst aus allem herauszuhalten. Man darf sich auch nicht daran stoßen, dass alle alles wissen (wollen :grin:) .... dafür aber fühle ich mich nirgendwo sonst so sicher und geborgen und beschützt wie bei uns im Dorf.

Zum Schluss kehren wir also nochmals kurz zu jener Frage zurück, auf die es 1997 für mich noch keine Antwort gab. Daher kann ich auch die Bedenken von Kretegegge bezüglich des Ortes des Forumstreffens richtig gut nachvollziehen :jo::jo:

JA, JA .. ich habe es noch nicht eine Sekunde lang bereut, dass ich dann doch nach Ano Asites mitgefahren bin. Eine Reihe von Menschen dort ist mir ganz besonders ans Herz gewachsen. Onkel Niko (und seine höchst interessanten Erzählungen von damals, als sie alle noch so richtige Palikaris waren), Freund Lagou (der leider heuer verstorben ist) und natürlich "unser" Spiro, der mir Zugang zur Natur und vor allem zur den schönen Künsten verschafft.

Und jetzt vertraue ich euch noch ein Geheimnis an ..... ich werde dieses unbestimmte Gefühl nicht mehr los, dass ich ebenfalls dem magischen Zauber der Fee bereits verfallen bin ............... :a015_2:

Ulla
3.October.2009, 19:38
Danke für Deine Geschichte, Reinhilde!
Das kann ich mir alles sehr gut und bildhaft vorstellen :blink:
Wir durften ja jetzt im August auch °Deinen° Manolis kennenlernen ... und interessante Geschichten anhören :smilie_verl_068: ... schön, dass es geklappt hatte ... aber auch wir waren nicht auf soooo viel Gastfreundschaft vorbereitet und hatten dann Probleme, auf seine Angebote/ Vorschläge einzugehen ... so im Hinterkopf: ..... das kann man doch gar nicht annehmen ....
Jassu Manolis ... :smiley5:

Stefan & Bea
3.October.2009, 19:40
Hallo Reinhilde,
ich glaube in jedem Buchstaben deine Liebe zu diesem Dorf und seinen Bewohnern zu spüren!
So eine stille Begeisterung kann ansteckend sein. Es ist wirklich schön zu lesen wie du von Deinem Dorf schreibst. Ich wünsche Dir noch viele viele Aufenthalte dort.
lg
Stefan

Funny
3.October.2009, 20:02
Wunderschön zu lesen, liebe Reinhilde.

Als wir uns am Morgen nach dem Forumstreffen auf den Weg in den Westen von Kreta gemacht haben, frage Marion mich: "Wie ist Reinhilde denn nach Ano Asites gekommen?" Ich dachte nach und wußte nur eine Antwort "Reinhilde und Ano Asites? Keine Ahnung, so was wie Liebe auf den ersten Blick muss es wohl gewesen sein."
Diese Frage hat mich aber die Fahrt über noch beschäftigt und ich musste eingestehen, ich kannte den Grund nicht.

Dankeschön für Deine Zeilen.
Jetzt nachdem ich dort war, ich kann Dich gut verstehen!

Lieben Gruß
Funny

Sonne
4.October.2009, 11:59
Schön, Reinhilde, dass Du für Dich diesen besonderen Ort gefunden hast - ich wünsche Dir dort noch viele glückliche Stunden :jo:

Georgos
4.October.2009, 14:47
Danke liebe Reinhilde, der Bericht war sehr informativ. Jetzt wissen wir warum dieser Ort Dich so magisch anzieht. Ano Asites steht bei uns jetzt auch auf dem Programm.
Georgos

nimmi
6.October.2009, 15:45
Wenn's einmal um Menschen geht... sind die genaue Koordinaten auch völlig wurscht! Schönes Bericht, Kretamum :jo:

Nimmi

Ilona
6.October.2009, 20:36
Hallo Kretamum,

danke für Deine schöne Geschichte. Ja manche Menschen können einen schon be(ver)zaubern. :spin:

Liebe Grüße Ilona

Varvara
8.October.2009, 00:04
Danke Kretamum,

schöner kann man die Liebe und Verbundenheit zu einem Ort und Freunden nicht beschreiben :bussi:

Sei ganz lieb gegrüsst

Varvara:smiley5:

erika
12.October.2009, 11:06
Liebe kretamum,

sehr interessant zu hören wie es DICH ins Bergdorf verschlagen hat, freue mich, auf mehr Dorfgeschichten von dir! :smile: