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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Ne echte kretische Taufe wie im Bilderbuch



rud
8.November.2009, 12:05
Den Beitrag hat Mama mitgeschrieben, aber ich kann bestätigen, genauso war’s. Ich bin allerdings schon um 12 Uhr weg.

Neulich mal wieder eine richtige kretische Taufe erlebt. Eltern kommen aus dem Gebiet der Chora Sfakion, hier sagen wir vom hohen Berg. Mutter 25, Vater Anfang 35, Landwirt. Alle drei Jungs wurden auf einmal getauft. Der Papas war clever, hat nur eine Zeremonie für alle drei Kinder gemacht. Die dauerte dann auch nur etwas über eine Stunde.
Taufgäste sehr kretisch: Männer alles Schwarzhemden, viele in Vrako und Schaftstiefeln, Damen in den schönsten Kleidern der neuesten Mode.

Vor der Kirche zahllose Maschinenpistolen, Kalaschnikows, Schrotgewehre und Pistolen aller Art. Es wurde mehr geschossen als im Golfkrieg. Das Taufgeschenk von einem Koumbarus (Paten) war auch eine Pistole. Auch die Hochspannungsleitung kriegte ihr Teil ab, wurde durchtrennt, kam runter und nur weil der Liebe Gott es nicht so gewollt hatte, wurden die umstehenden Gäste nicht gleich gegrillt. Im Dorf gingen die Lichter aus. Koupes machten die Runde und man wärmte sich langsam an.

Dann ging’s – teilweise hackevoll – die 100.000 Kurven mit dem Auto ins Kentro an die Küste. Man hatte große Tische statt schmale Bänke zusammengestellt. Das Essen war vom Allerfeinsten. Die üblichen Vorspeisen wie kalte gebratene Leber, Magen und Würstchen waren vom Dorf und handgemacht. Es gab Fleischpitta, süßes Gebackenes und Käse sowie frischen Joghurt, aber echten, mit bestem sfakianotischen Honig, Landbrot, außerdem knackigen gemischten Salat, dazu Wein, Wasser, Raki und CocaCola.

Unterhalten wurden die Gäste vom Gesang der Schwarzhemden, die aus voller Brust und sehr wohltönend mit ca. 30 Mann Rizitika darboten, Arm in Arm mit dem glücklich strahlenden Vater der Kinder in der Mitte. Die Mutter, die drei Koumbari und die Großeltern begrüßten derweil die etwa 800 Gäste (Man feierte im kleinen Kreis.). Die Kinder spielten miteinander. Keine Clownsvorstellung oder ähnlichen neumodischen Kram. Anschließend gab es als Zwischengericht allerzartestes Kokkinisto (Frikassee, Ragout) vom Zicklein.

Im Kentro wurden dann auch die Boubounieres verteilt. Es gab hübsche kleine Keramikpuppen. Wir bekamen eine, in die man ein Teelicht stellen kann, und eine sehr lustige Keramikkuh, die als Papierserviettenhalter dient. Die Seidentücher in zarten Pastellfarben in gelb und hellblau waren wie Engelsflügelchen drapiert. Innen drin waren keine ollen Mandeln, sonder köstlich schmeckende kleine glasierte handgemachte Schokoladeneier mit Orangensukkade. Gott segne die Hände des Zacharoplastis (Konditors).

Zusammen mit den ersten Hauptgericht, dem obligaten Pilafi, der absolut köstlich war, weil auch all das beste Hammelfleisch einschließlich Paidakia diesmal gekocht serviert wurde, kamen auch die Musiker: Krousta mit Daouli und Toumberleki (Perkussinosinstrumente), elektroakustische Gitarre, Lyra, 2. Laouto (Wurza = Bürste genannt, weil der Spieler nur Rhythmus spielt, da er auch singen muss) und Solo Laouta. Auch der Lyraris (Lyraspieler) sang. Keine Firmes (Superstars), aber eine solide wohlklingende Gruppe, die nach den üblichen Begrüßungsliedern, in denen die Täuflinge, Paten, Eltern und Gäste gepriesen werden, den tanzenden Gästen ordentlich einheizte.
Es wurden auch immer wieder Koupes ausgegeben. Dabei steht der Archigos in der Mitte der Tanzenden und schenkt Wein in ein Glas, das die Tanzenden einer nach dem anderen auf ex austrinken müssen.

Nicht zu vergessen, der köstliche offene Wein stand auch auf Flaschen gefüllt in einer Sonderabfüllung für Sammler auf dem Tisch. Das Spezialetikett soll ich aus Sicherheitsgründen nicht beschreiben, es ist aber ganz super.

Auch der zweite Hauptgang war eine kulinarische Köstlichkeit. Zur Überraschung aller gab es Gourounopoulo. Nie hat einer so zartes wohlschmeckendes Jungschweinfleisch (mit super gegrillter Pelle) gegessen.

Ansonsten wurde bis zum Morgen getanzt, erzählt, gelacht, immer wieder Rizitika gesungen und sich amüsiert. Die Mutter der Kinder, und nicht nur die, hatte – das sei angemerkt – bereits nach der ersten Tanzrunde ihre neuen Abendschuhe von sich geschmissen und hüpfte barfuss herum.

Das war schön.

kretadick
8.November.2009, 15:57
was ist koupes?

rud
8.November.2009, 18:42
Steht doch da: Einer steht in der Mitte der Gruppe (Tanzenden) und schenkt aus einer Karaffe Wein oder Whiskey jedem einzelnen der Gruppe in ein Glas, das der Angesprochene dann auf ex austrinken muss.

Koupa ist das Glas.

Opa sagt, in Deutschland machte man sowas früher in schlagenden Studentenverbindungen mit gläsernen Stiefeln und Bier.

Kretamum
11.November.2009, 16:28
Du und deine Mama ... schreibt ihr öfter gemeinsam?
Euer Stil hat "was".

Georgos
11.November.2009, 16:47
Du und deine Mama ... schreibt ihr öfter gemeinsam?
Euer Stil hat "was".

Kann ich nur zustimmen. Super :smiley5:

Otto
11.November.2009, 19:46
?????

Hanni
9.January.2010, 11:58
Hallo lieber Rud,

das ist was anderes als bei uns.

Hab mich selber schon taufen lassen auf einem kretischen Dorf, ganz Traditionell, mein Taufkleid liegt noch in meinem Schrank.

Es war ganz innig und gewaltig, das drum herum, mit all den Dorbewohnern.

Aber das schreibe ich mal ausführlicher in meinem neuen Forum-Beitrag.

lG Hanni