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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Kreta-Fluchten



martha
4.November.2010, 18:19
Vielleicht gibt es eine Maximalhaltbarkeitsdauer von Vorfreude.
Meine Vorfreude auf meine diesjährige Kreta-Woche oder "Kreta-Flucht", wie ich sie dieses Mal nennen werde, scheint nah an das Verfallsdatum rangekommen zu sein.
Sie schnellte sozusagen im Januar 2010 mit Flugbuchung rapide nach oben, euphorisierend geradezu. Blieb lange auf hohem Niveau. - Und jetzt das! - So kurz vor dem Abflug, es war nichts mehr zu spüren.
"Bin ich jetzt krank?" "War´s das mit der Lebensfreude?", "Werde ich alt?"(so richtig meine ich, nicht an Jahreszahlen gemessen)
Ein paar Stunden vor Abfahrt meines Zuges zum Flughafen stand mein Rucksack ungepackt in einer Ecke und ich wusste nicht so recht was jetzt zu tun ist. - So was gab´s noch nie!!!
Zur Krönung des Ganzen haben mir meine beiden 8-jährigen Töchter eine filmreife Szene mit Tränen, Schreikrämpfen und Vorwürfen wie: "WIR WOLLEN AUCH NACH KRETA!!!!" "DU WARST DA SCHON SOOOO OFT UND WIR NOCH NIIIEEE!!!" "WIR WOLLEN AUCH MAL FLIEGEN!!!"........(Hilfe!!! Nichts wie weg! -und damit wären wir auch beim Titel meines diesjährigen Reiseberichts – Kreta-Fluchten)
Natürlich habe ich es dann doch irgendwie geschafft mein Zeug zu packen, ist ja nicht viel für eine Person und mir die Nacht auf dem Stuttgarter Flughafen um die Ohren geschlagen. Mein 13-jähriger Sohn meinte zwar, ich könne doch die Zeit nutzen und bei den Bahnprotesten gegen Stuttgart 21 mitmachen, vielleicht einen Baum besetzen! - Aber na ja, er ist halt 13.

Sie kam übrigens wieder mit voller Wucht zurück, die Freude. Und zwar genau in dem Moment, als ich das erste Mal wieder kretische Luft einsaugen konnte (atmen wäre zu schwach ausgedrückt, ihr kennt das ja).
JJJJEEEEEHHH!!! :spin:
Wenn man als "Alleinreisende" scheinbar sinnlos und planlos rumlächelt wirkt das zugegebenermaßen ziemlich albern, so ganz ohne Kommunikationspartner. Die Blicke meiner Mitreisenden gaben mir das zu verstehen. Aber egal! Ich bin also doch noch nicht zu alt!
Ich war da! Endlich Kreta!
Auf den Psiloritis wollte ich dieses Mal. Auf den Höchsten. Ich liebe die kretischen Berge.
ABER: Das Wetter!
Die letzten Tage habe ich intensiv die Wetterberichte, auch den Bergwetterbericht vom Ida-Gebirge, verfolgt. Und na ja, der klang nicht gut.
Ich kam am 17.10 an. Heute sah es noch ganz gut aus. Aber für Montag, den Tag, den ich für den Aufstieg geplant hatte war Gewitter vorhergesagt.
Ganz kurz hat sich der wahnwitzige Gedanke eingeschlichen, noch heute mit einem Taxi auf die Nida-Ebene hochzufahren, den "guten" Sonntag zu nutzen und aufzusteigen, oben in meinem Zelt zu übernachten und morgen vor dem Gewitter "ganz schnell" wieder abzusteigen.
- (Das lag bestimmt am Endorphinrausch und an der kretischen Luft) -
Ich war schon in Verhandlungen mit einem Taxifahrer, als mein vernünftiges Ich einschritt.
Die Verhandlungen wurden abrupt abgebrochen und ich schlich reumütig zur Bushaltestelle - wobei die Taxipreise mit zunehmendem Desinteresse purzelten.
Bis das Wetter sich bessert wollte ich an die Südküste. Das Stück zwischen Soughia und Agia Roumeli bin ich noch nicht gelaufen.
Es gab aber keinen Bus mehr nach Soughia, dann halt Paleochora, so der neue Plan.
Ich habe es bestimmt schon an anderer Stelle erwähnt, Busfahren auf Kreta ist toll. Man kann sich wunderbar treiben lassen. Irgendwo kommt man immer hin. Ich bekam eine Stunde Wartezeit in Chania geschenkt. Lies mein Gepäck am Busbahnhof und genoss einen köstlichen Kaffee an der Hafenpromenade.

Jetzt war ich wirklich da! - Flucht geglückt!

robinson
4.November.2010, 18:31
Das hast du aber schön geschrieben.
Die Bilder aus dem Flieger sind toll und einen Kaffee in Chania wurde ich jetzt auch gerne trinken.:jo:

Sabinara
4.November.2010, 18:41
Martha,
toll wieder von dir zu lesen, wenn auch der Start nach Kreta in diesem Jahr anders war.
Flexibilität ist im Oktober unbedingt angesagt, speziell, wenn man in den Bergen unterwegs sein will.


Freue mich auf mehr (Meer) :smiley5:

Hanni
4.November.2010, 18:48
Hallo Martha,

toll, daß du wieder deine " Auszeit" auf Kreta genommen hast. Das glaube ich dir, ist nicht ganz einfach, wenn die Kinder mit wollen und man fliegt alleine los. Aber das hast du ja gut gemeistert. Das mit der Euphorie, geht mir auch so, einmal ist meine " Vorfreude" so Riesig, dann verschwindet sie mal wieder und komische Gedanken ziehen auf, was willst du da alleine, wenn du Pech hast, triffst nicht mal Leute wo mal mit dir quatschen usw. Das Gefühl, mit den "Glücksgefühlen" beim landen auf Kreta und das nette grinsen :smile: im Gesicht, daß macht einen wieder ganz :cool:! Was da die anderen denken, ist mir piepewurscht, soweit bin ich schon, aber ich bin auch um Jahre älter als du.

Danke für deinen Bericht und die schönen Bilder!

LG Hanni:smiley5:

Sonne
4.November.2010, 19:05
Sie kam übrigens wieder mit voller Wucht zurück, die Freude. Und zwar genau in dem Moment, als ich das erste Mal wieder kretische Luft einsaugen konnte (atmen wäre zu schwach ausgedrückt, ihr kennt das ja).

Hallo Martha,

das kann ich total gut nachvollziehen. Genau das hat mir dieses Jahr bei der Landung in Thessaloniki gefehlt. Wie gesagt, der Pilion war wirklich wunderschön und ich kann ihn nur wärmstens weiterempfehlen. Aber irgendwie ist das auf Kreta anders... Bin gespannt und hoffe, dass es mir nächstes Jahr wieder so ergehen wird.

Freu mich auf die Fortsetzung Deines Berichts - schön, dass Du die Möglichkeit zu einer Auszeit hattest, das kann ganz schön guttun.

Nikoleta
5.November.2010, 00:13
Schön, das Du uns an Deiner "Flucht" :blink: teilhaben läßt - ich lese Deine Berichte total gerne, weil ich mich dann immer so fühle, als wäre ich dabei.

martha
5.November.2010, 23:32
Ich setze mich in kretischen Bussen meist relativ weit vorne hin. Da sitzen auch die Kreter, gleich hinter dem Busfahrer. Ein prächtiger Platz um der kleinen Konversation zu lauschen, Begrüßungszeremonien und Ähnliches mitzuerleben, soweit dies meine kärglichen Griechisch-Kenntnisse eben zulassen.
Meist ist ja das Wetter an der Südküste ein kleines bisschen besser. Dieses Mal aber ging die Fahrt vom sonnigen Chania erst mal in die Wolkenberge und der Wind von Süden wurde kräftiger.
In Paleochora gab´s aber bei der Ankunft doch noch etwas Sonne und eine letzte helle Abendstunde für ein Bad im Meer. An der windabgewandten Seite. Der Wind war dann auch das bestimmende Thema, warmer Südwind. Viele Tavernen hatten schon abgebaut, die wenigen noch offenen haben sich winddicht eingepackt. Es war eine ungewohnte Atmosphäre, besonders am östlichen Kiesstrand. Die Anlegestelle für die Fähre war zum großen Teil überspült. Prächtige Wellen mit viel weißer Gischt. Mächtig und wild.
Das Mittelmeer in Atlantiklaune.
Nachts gab´s für mich das erste Gewitter dieser Woche mit kräftigen Regengüssen. Mein "Vernunft-Ich" konnte sich ein "Siehste, ich hab´s dir ja gesagt!" nicht verkneifen. Aber trotz des Gepolters und Geblitze schlief ich bestimmt 10 Stunden durch. Was eine durchwachte Nacht so bewirkt.
Die ursprüngliche Idee, die Fähre nach Soughia zu nehmen glich angesichts der Wellen einer geplatzten Seifenblase. Also doch noch mal die Etappe vom letzten Jahr bis Soughia laufen. Aber es ist ja trotzdem nie das Gleiche.
Dieses Mal litt ich auch keinerlei Wassermangel. Es gab regelmäßige erfrischende Schauer von oben, mal kräftig - bei geöffnetem Mund fast zum Trinken genug - dann wieder wie bei einem Wasserzerstäuber (heißen die Dinger so?) - Bestimmt gut für die "reife" Haut.
Genau! - Ich traf fast niemand auf der Strecke. Auch keine Autos mehr auf dem ersten Schotterpistenabschnitt. - Fast, bis auf eines und dies fuhr dann doch tatsächlich mehrmals an mir vorbei. Hielt an und sein Fahrer lud mich ein mitzukommen.
„ WIIEE?- Was soll das denn?!“
Da dachte ich doch dieses "Thema" läge hinter mir. Aber das war schnell geklärt und mit Beginn des eigentlichen Wanderweges gab´s auch keine Möglichkeiten mehr zufällig vorbeizufahren.
Ich entdeckte den Schlafplatz vom letzten Jahr mit den Mandalas, stattete dem Tempel in Lissos brav einen Besuch ab und traf ab diesem Streckenabschnitt wieder viele Leute, Familien mit Kindern. Baden ging ja bei dem Seegang nicht so gut.
In Soughia war noch relativ viel los, aber auch hier hatten die Tavernen zur Meerseite schon einen Windschutz.
Eine herbstliche Stimmung lag auch hier über dem Ort und fast schlich sich ein wenig Wehmut ein. Den Sommer loslassen zu müssen, mit seiner Leichtigkeit.

mino
5.November.2010, 23:55
Da hast du deine Kinder beim Mann gelassen?
Da hat der ja bestimmt Anspruch auf seine Auszeit und Flucht demnächst...:sd33:

Kinder fühlen sich auf Kreta übrigens auch sehr wohl.....da kann ich sie verstehen...:grin:

erika
6.November.2010, 11:24
Hallo Martha,

dein Schreibstil ist gefällt mir sehr sehr gut. Ich bin auch sehr gern allein unterwegs und finde es toll, dass du dir eine Auszeit nimmst. Denn nur wer auf sich selber schaut, kann auch für andere gut sorgen :blink:

glg Erika

martha
6.November.2010, 15:52
@mino: Mein Mann hat natürlich auch seine Auszeit. Es fährt schon ziemlich regelmäßig einmal im Jahr mit seinen Männer-Freunden auf eine einsame Hütte in den Schweizer Bergen. Das passt schon.
Er muss dir nicht unbedingt leid tun.
Wobei ich natürlich glücklich bin und es zu schätzen weiss, einen Mann zu haben, für den meine Auszeit vollkommen in Odrnung ist. (Soche Männer sind toll!):smile:
Mit den Kindern hat du völlig recht. Ich habe oft gedacht: "Oh, wie würden sie das jetzt genießen!"
Die drei Wochen Sommerurlaub 2011 wollen wir nun auch alle gemeinsam nach Kreta reisen.:spin:
Mit dieser Aussicht fiel es mir auch gar nicht so schwer, wieder zurück zu fliegen.

@Erika: Vielen Dank. - Genauso ist es. Ich habe mich nach dieser Woche wieder sooo sehr auf meine Familie gefreut, es ging mir wieder besser. Meine "Batterien" waren wieder geladen.

@all: Danke für den Ansporn weiter zu schreiben. (Leider fallen meine Bilder eher bescheiden aus, im Vergleich zu dem, was hier so geboten wird. Ich habe ziemlich mit dem Gewicht der Kamera gegeizt und nur so ein kleines Ding mitgenommen. Die "Gute" (aber Schwere) habe ich zu Hause gelassen. In unserer Familie ist auch eher mein Mann der "Fotograf", ich vergesse es einfach zu oft.)

Buffi
7.November.2010, 18:49
Hallo Martha :smile:,

Deine Art zu Schreiben berührt mich sehr und ich warte
schon auf Fortsetzung :spin:.

LG Buffi :smiley5:

martha
7.November.2010, 23:06
Auch diese Nacht gab´s Gewitter. Kräftige Blitze über dem Meer. Ein wildes Schauspiel.
Ich schlief schlecht diese Nacht, lag lange wach und vertrieb mir die Zeit mit dem Lesen meiner Wanderbeschreibungen. Ich hatte mir diese kopiert um Gewicht zu sparen. Bald lag ich in einem Gewirr, von Blättern, Busfahrplänen und wurde immer wacher.
Einer meiner Wanderberichtete behauptete, dass es bei meiner morgigen Etappe ein Strandstück gäbe, das bei starker Brandung nicht zu machen sei. „Was soll ich jetzt davon halten?“ – „Ich glaub´s einfach nicht und werde es ignorieren - so!“ Aber mein Vernunft-Ich ist mittlerweile ein richtiger „Rechthaber“ geworden und witterte Oberhand. „Dieses Mal gehorche ich aber nicht!“. Na ja, so ging das eine Weile hin und her, bis ich auf dem Busfahrplan den 7-Uhr Bus von Soughia nach Chania entdeckte. „Ich könnte ja morgen nach Anoghia fahren, zur Nida-Ebene wandern und ENDLICH die Wanderung auf den Psiloritis wagen!“ – Das war nun mal eine gute Idee!
Alle meine „Splitter-Ichs“ waren einverstanden.
So stand ich dann in der Dunkelheit morgens am Kiosk von Soughia und erwartete den Bus. Es gab überraschend viele Fahrgäste um diese Uhrzeit. Einige Wanderer, die sich zum Einstieg der Agia-Irini Schlucht hochfahren ließen. In den Dörfern stiegen viele Einheimische zu. Also wieder eine gute Gelegenheit „passiv“ griechisch zu lernen.
In Rethimnon hatte ich einen längeren Aufenthalt über die Mittagszeit. Aber es gibt „schlimmere“ Orte, um einige Stunden zu verbringen. Ich gab wieder meinen Rucksack an der Gepäckaufbewahrung ab und schlenderte durch die schönen Gassen Rethimnons. Stöberte in den Buchläden, verbot mir aber, Bücher zu kaufen (zu schwer) und stolperte kurz vor der Abfahrt des Busses geradezu in meine Reisebekanntschaft vom letzten Jahr.
Was es manchmal für Zufälle gibt und wie die Wege sich kreuzen!
Jedoch hatten wir dieses Mal nur 10 Minuten gemeinsame Reisezeit. Die Zeit zwischen zwei abfahrenden Bussen. Also, auch wenn ich mich wiederhole, Busfahren hat was!
Der Bus nach Anoghia war ein älteres Modell, so wie sie früher waren. Schaukeliger, enger und fast ausschließlich kretische Fahrgäste.
Anoghia selbst betrat ich mit einem beklommenen Gefühl. Die Verbrechen der Deutschen während des Krieges waren mir hier sehr bewusst und beschämten mich. Bei der Fahrt durchs Dorf habe ich nur ein wirklich altes Haus gesehen. Wie geradezu unglaublich und unsagbar kostbar ist die Gastfreundschaft der Kreter Heute uns Deutschen gegenüber. - Mit dieser Geschichte. –
In Anoghia übernachten wollte ich nicht, kaufte mir nur den Proviant für den morgigen Tag, genügend Wasser und eine Dose Mhytios für den Abend.
Ein riesiges Werbeschild am Ortsausgang kündete von einem Luxus-Skiresort in den Bergen. „Ist das jetzt schon Realität oder noch Planung?“ fragte ich mich ungläubig. Auf meiner Anavasi-Kate waren zumindest noch keine Skilifte eingezeichnet.
Ich lief los und das tat sehr, sehr gut. Trotz Asphalt, die Sonne schien und ich war sehr zuversichtlich.
Ich stelle mir beim Laufen mit schwerem Rucksack oft vor, wie ich mit jedem Kilometer innere Last loswerde. Besonders auf Asphalt und auf Schotterstraßen funktioniert das gut. Ich nenne das dann „Meditatives Laufen“. Also die Strecke von Anoghia hoch auf die Nida-Ebene hat diesbezüglich ausgesprochen viel zu bieten. Viele, viele Serpentinen! – Und irgendwann ist es auch mal genug mit Meditation. Um diese Uhrzeit fuhren natürlich keine Schäfer mehr hoch, eine zaghafte Hoffnung, die ich anfangs kurz hegte.
Mir wurde auch klar, dass ich es bei Tageslicht nicht mehr hochschaffen würde und wollte mich schon langsam nach einem sicheren Schlafplätzchen umsehen, als ein Kleinwagen mit einem jungen Paar neben mir hielt. „Ob ich mitfahren möchte?“ fragte mich die junge Frau. „OH, JA!“ welch Frage, und welch Glück mal wieder.
Es waren zwei Spanier. Sie wollten ebenfalls hoch zur Nida-Ebene und genau wie ich morgen zum Psiloritis aufsteigen. Vor zwei Tagen seien sie schon mal auf der Hochebene gewesen, hätten die Tour aber aufgrund des Wetters nicht angetreten. (Mein innerer „Besserwisser“ nickte und wollte gelobt werden)
Mit den letzten Sonnenstrahlen des Tages baute ich mein Zelt auf. Ein ausgesprochen schöner Platz neben einer Wasserstelle mit Steintischen und Bänken. Ich zelebrierte mein Abendessen, inklusive Mythios und konnte dabei den aufgehenden Mond beobachten.
Also, ich war mal wieder so ein richtiges „Glücksschwein“!
(Zitat: Nimmi im Chat)

martha
10.November.2010, 01:29
Die Nächte liefen dieses Jahr anscheinend nach dem immer gleichen Muster ab.
Es gab Gewitter, nur klang das hier oben in den Bergen noch gewaltiger.
Mein Mann hatte mir gestern noch den aktuellen Bergwetterbericht “gesimst“ (Morgens klar, im Tagesverlauf Wolkenbildung, gegen Nachmittag vielleicht etwas Regen und leichter Wind)
„Na ja, von Gewitter stand da nichts!“ – „Und leichter Wind geht anders“.
Aber ich sah das ganz optimistisch: „Jetzt regnet es den ganzen „leichten Regen“ ab und morgen ist das Wetter dafür umso prächtiger!“ –
Mein neues Leichtgewicht-Zelt (900 Gramm!) überstand die Bewährungsprobe. Es wurde nicht zerfetzt und ich blieb trocken.
Da ich dieses Jahr nachts eh kaum schlief (Gewitter, nahender Vollmond, „Kopfkino“… was auch immer der Grund sein mag) war ich mit anbrechender Dämmerung schon startbereit.
Die spanischen „Mit-Wanderer“ waren noch in ihrem Auto. Aber sie würden mit leichtem Tagesgepäck ohnehin schneller steigen und mich unterwegs einholen. Meine Stärke ist auch nicht die Schnelligkeit sondern eher die Ausdauer und Kraft.
Das Wetter hatte sich beruhigt. Es war klar. An manchen Stellen sogar himmelblaue Abschnitte. Nur der Wind hatte sich noch nicht wirklich gelegt. Kräftige Böen fegten die Wolken in rasantem Tempo vorbei.
Der Weg zog sich, schnell an Höhe gewinnend, in südwestlicher Richtung den Hang hinauf. Später folgte ein angenehmes Stück mit sanfterer Steigung im Talboden eines Seitentales. Dieses führte hinauf auf ein Joch. Von dort aus boten sich zwei Möglichkeiten des Weitergehens. Dem E4 folgend, kürzer jedoch auch ausgesetzter oder mit einem leichten Höhenverlust in die Kolita Senke absteigend. Von dort etwas geschützter in einem weiteren Hochtal nordwestlich Richtung Psiloritis. Mir schien letzte Variante sicherer. Bei sich verschlechterndem Wetter böte sie mir die Möglichkeit auf sicherem Terrain Richtung Kamares oder Lochria abzusteigen.

Kurz vor Erreichen des Jochs holte mich das spanische Paar ein. Wir unterhielten uns kurz und jammerten alle ein wenig über den beißenden Wind. Die Beiden gingen bald zügig weiter nahmen aber die Variante über die Südwest-Flanke des Kousakas. Ich blieb dennoch bei meiner Entscheidung und stieg mit einem Höhenverlust von etwa 100 Metern in die Kolita-Senke ab. Nach Durchqueren der Senke zog sich der Weg auf der anderen Seite ein Trockental hinauf.
Ja, und ab diesem Wegabschnitt wurde das Wetter zusehends schlechter. Es war schon zuvor ein ständig wechselndes Wolkenspiel gewesen. Von strahlendem Himmelblau bis Tiefschwarz. Bei jedem Blick nach oben anders.
Jetzt zog es völlig zu.
Die Sicht wurde immer schlechter beziehungsweise es gab sie nicht mehr. Ich war noch nicht allzu weit von der Senke entfernt, so dass ich mich entschied, wieder abzusteigen und der Fahrspur, die ich beim Durchqueren der Alm gesehen hatte zu folgen.
Lange nachdenken und „innere Beratungen“ waren für diese Entscheidung diesmal nicht nötig.
Kurz zögerte ich noch bei der Wahl der Abstiegsvarianten. Nach Kamares, streckenmäßig kürzer und bestimmt weitaus reizvoller einem Pfad oberhalb einer Schlucht folgend oder nach Lochria, der Fahrpiste entlang. Viele, viele Schotterpistenkilometer.
Mittlerweile stürmte und regnete es kräftig. Wie Nadelstiche im Gesicht. Mit gesenktem Kopf und dick eingepackt folgte ich der Vernunft gehorchend dem Weg nach Lochria. Ab Erreichen der Baumgrenze lockerte sich die Wolkendecke und erlaubte zwischenzeitlich Einblicke in die Tiefe.
Einige Stunden und zahlreiche Serpentinen später erreichte ich ziemlich durchnässt Lochria. Aber es war warm und zwischen den einzelnen Regengüssen schien sogar die Sonne.
Der Ort liegt an den Hang geschmiegt in einer Straßenkurve. Kein Busverkehr – zumindest nicht zu meiner Ankunftszeit.
Gefühlt war ich am heutigen Etappenziel angekommen. Die Karte sagte mir aber, dass es noch stattliche 18 Kilometer bis Agia Galini sind.
Kurz schielte ich zum Kafenion. Einige Männer saßen drin. „Sollte ich reingehen?“ fragte ich mich. „Aber so nass, welch Anblick!“ warf ich ein. „Ich bin ja nicht in Not und wenn man nass ist, soll man sich bewegen!“
Also weiter! Kurz nach dem Ortsschild hörte ich ein herannahendes Auto. „Jetzt aber, volle Konzentration.“- Und er hielt!- Ein Pick-Up.
Ich warf meinen nassen Rucksack auf die Ladefläche und stieg ein. „Agia Galini?“ fragte ich ihn hoffnungsvoll. „Ochi - Platanos“. Das waren gerade mal zwei Dörfer und 3 Kilometer weiter. Aber immerhin. Ich war froh. Wo ich denn herkäme, wollte er wissen. „Nidha“.
„Ahh!“.- Er schaute mich noch mal genauer an. Mittlerweile waren alle Scheiben beschlagen, trotz laufender Heizung und Gebläse. Alle Fenster mussten runter gekurbelt werden.
„Oh wie peinlich“, dachte ich „Ich bin eine Zumutung für dieses gepflegte Auto, so nass!“
Wir erreichten Platanos - und – er hielt nicht an!
Ich zeigte kurz nach hinten „Plantanos?“ – Er nickte, lächelte und fuhr weiter.
Ich lächelte auch und eine warme Welle von Dankbarkeit, Freude und Beschämung überflutete mich.
Bis ganz nach Agia Galini fuhr er mich. Ein ganz schönes Stück, gerade mal so.
Ich wollte ihm etwas geben, für den großen Umweg. Ganz zu schweigen vom nassen Autositz.
Aber ich hätte es wissen müssen!
Er war sehr empört darüber. Ich schämte mich noch einmal mehr.
Er streckte mir seine Karte entgegen. Ich soll, wenn ich mal wieder in Lochria bin, bei ihm im Kafenion vorbei kommen. Gemeinsam einen Kaffee trinken!

Ja, so war das mit meinem Ausflug ins Ida-Gebirge.

Das Glück hat mich wieder eingeholt.

Tina
10.November.2010, 06:22
Wie heißt es so schön - "Das Glück ist mit den Tüchtigen"...und wenn Du mit Deinem Pensum kein Glück hast, wer dann sonst?

Toller Bericht - ich freu mich schon auf mehr!!!

Inke
10.November.2010, 11:17
Oh Martha, daß hört sich ja sehr abenteuerlich an. Mir macht das immer etwas Angst, wenn ich in den Bergen von schlechtem Wetter überrascht werde. Und bei Gewitter in den Bergen im Zelt, da würde auch mein Kopfkino starten. Ganz schön mutig!

W.W.7640
10.November.2010, 14:14
Hallo Martha,
ich weis gar nicht was ich über Deinen tollen Bericht schreiben soll, er ist super und Deine Leistung und Mut kann ich nur bewundern.
Mich erinnert vieles an 1959 oder 60? als ich in Österreichs Bergen aktiv war.

robinson
10.November.2010, 14:43
bei ihm im Kafenion vorbei kommen. Gemeinsam einen Kaffee trinken!
Na da hast du ja etwas für den nächsten Urlaub.
Toll geschrieben.:jo:

Morgaine
10.November.2010, 15:04
dein bericht ist so toll, ich hab die ganze zeit beim lesen gänsehaut gehabt!!!! :freu:

mehr davon bitte!!!! :biggthump

Buffi
10.November.2010, 18:58
Trotz Vermummungsverbot Martha als Tuareg :icon_lol:!


Deine "Fluchten" ringen mir höchsten Respekt ab :jo:.

Ich hätte Angst gehabt :smirk:.

Gruß in den Schwarzwald,

Buffi :smiley5:

plakias-Marion
10.November.2010, 20:28
Einfach bewundernswert und für mich auch ein wenig beneidenswert, deine Unternehmungen...arbeite mich gerade ein wenig heran.

Gruß Marion

martha
10.November.2010, 22:33
Vielen Dank. Ich werde ja ganz verlegen.
Aber das mit dem Mut muss ich wohl richtig stellen.
Das ist alles relativ.
Ich kann nur ganz gut Alleinsein, genieße es manchmal sogar und brauche es zwischendurch regelrecht.
Aber was den Mut angeht, da hätte ich so eine kleine Episode nebenbei.
Eigentlich wollte ich sie hier nicht erwähnen. Unter den Tisch fallen lassen - quasi.
Es war in der Nacht in Agia Galini.
Ich fand auch hier schnell ein Zimmer.
Ich bin nicht sehr anspruchsvoll, die Zimmer sind für mich eigentlich immer ok bis hin zu wunderbar.
Ich habe mir bei dieser Unterkunft auch gar nicht mehr die Mühe gemacht, das Bad vorher anzuschauen, das wird schon passen.
Es war wirklich sehr einfach. Ein Quadratmeter groß, die Duschbrause war am Waschbecken angeschlossen, das sich gleich neben der Toilette befand. Na ja, macht nichts. Leicht stutzig wurde ich als ich den Abfluss suchte. Ich fand ihn schön verdeckt unter der Klobürstenhalterung.
"Aha - was soll mir das sagen?"
Aber mir ging es gut, ich war zufrieden mit der Welt und mir und so habe ich keinen weiteren Gedanken an "Unangenehmes" verschwendet.

Irgendwann musste ich nachts mal raus. Stolperte noch schlaftrunken und mit verschwommenem Blick in mein Winzlingsbad.
Knipste das Licht an; .....Und ...... war hellwach!
Es wuselte. Eine Kakerlake flitzte kreuz und quer durch den Raum, streifte meinen Fuß ....IIIIIIHHHHHH!!!!
Ich sprang aus dem Bad. Mein Herz klopfte, der Pulschlag ging hoch und ich hätte allzu gerne nach meinem Mann geschrien: "Mach sie weg, bitte, mach sie weg!!"
Aber, ich war alleine!
Ich musste also selbst ran. Es war nur eine. Ich nahm meinen Wanderschuh und wollte sie erlegen. Im Hinterkoppf hörte ich die Stimme meines Mannes "Man darf sie nicht "erschlagen", damit legt man Hunderte von Eiern frei und die vermehren sich dann!" - "Das sagst du nur, weil du sie nicht jagen willst!", entgegete ich meiner imaginären Stimme- "Wie soll das denn gehen? Sich tot besser vermehren wie lebendig?"
Aber die Kakerlake war clever. Sie entging meinem kräftigen Schuhschlag in der äußersten Ecke. Da kam mein Schuh nicht hin.
Jetzt war sie richtig wild, sauste ins Zimmer und versteckte sich hinter dem Schrank. Da blieb sie dann auch.
Es versteht sich von selbst, alle Lichter blieben den Rest der Nacht an. Die Badezimmertür fest verschlossen.

Dazu gibts auch kein Bild!:smile:

Charumeni
11.November.2010, 00:18
Ach du Ärmste.Ich kenne das,schlafen bei Sturm und Gewitter kein Problem,aber mit einer Kakerlake im Zimmer unmöglich.
http://www.thesmilies.com/smilies/scared/scared0016.gif (http://www.thesmilies.com)
Auch mir gefallen Deine Berichte und finde es toll, dass du Dich ganz allein in so große Abenteuer stürzt.

Morgaine
11.November.2010, 08:36
ich hätte im stehen auf einem stuhl geschlafen :laugh::laugh::laugh:

Hanni
11.November.2010, 18:03
Kakelake clever!
Dazu gibts auch kein Bild!:smile:

Martha schaaade :grin:!!!

So erging es mir mal in Tunesien! Ich war so froh, daß ich ein Zi. i.d.oberen Etage bekam, dachte mir da kommen so kleine " Krümmelmonster " nicht rauf. Aber falsch gedacht. Sie kamen durch den Schacht im Bad hoch. Eines Tages huschte so ein " fieses, großes Getier " in meinem Zimmer rum, totschlagen konnte ich es nicht. Habe es verfolgt wenn es wieder zum Vorschein kam, aber die sind ja so schnell. Habe sie dann überraschen können in der Ecke, schnell ins Bad 1 Fl. Haarspray drauf gepustet :smilie_happy_183: die ging nicht hee. Hab mich kaum noch getraut zu schnaufen. Dann kam ich auf die Idee ein Wasserglas drüber zu stülpen und sie war gefangen, habe das Glas noch beschwert, daß sie ja nicht unten raus schlüpfen konnte.
Sie war Tagelang im Glas, die Putzfrau dachte vielleicht, daß ich sie als " Souvenier " mitnehmen wollte. Sie hat das Glas nicht entfernt!
Das war mein Kakelakenerlebnis :smirk:!!

LG Hanni:smiley5:

Charumeni
11.November.2010, 19:19
die Putzfrau dachte vielleicht, daß ich sie als " Souvenier " mitnehmen wollte. Sie hat das Glas nicht entfernt!
Das war mein Kakelakenerlebnis :smirk:!!

LG Hanni:smiley5:
Kakerlake als Souvenir.Bei den Touristen weiß man nie.

Hanni
11.November.2010, 19:53
Kakerlake als Souvenir.Bei den Touristen weiß man nie.

:jo::jo::jo: da hast du recht...:smiley1:!!!

Schöne Grüße nach Ierapetra, von Hanni:smiley5:

martha
11.November.2010, 23:20
Ich saß mal wieder im Bus – Richtung Rethimnon, wie gehabt.
Meine penetrante Stimme im Hinterkopf fragte zwar provokativ: „Bist du etwa rastlos?“,… „Wovor rennst du denn davon, sag?!“ Sie wurde gleich in ihre Schranken verwiesen und weggesperrt.
„Ich fahr halt gerne Bus!“
An diesem Morgen fiel es mir richtig schwer, zu entscheiden wo es denn als nächstes hingehen sollte.
Ursprünglich wollte ich ja nach dem Psiloritis und Agia Galini an der Küste entlang Richtung Agios Pavlos, dann weiter über Preveli nach Plakias wandern.
Aber ich war so unentschieden. So ganz versteckt spürte ich eine Sehnsucht nach Loutro – mal wieder, wie jedes Mal.
Aber die ganze Strecke zurück Richtung Sfakia?
Aber genau so kam´s.
Ich genoss die schöne Fahrt. Zwischendurch zeigte sich der Psiloritis sogar ohne Wolkenhülle. Blitzte mich an und lockte geradezu. - “ In Spili aussteigen und es noch einmal probieren?“ fragte ich mich.
Mein „Besserwisser“ war jedoch rigoros: „Nein, übe dich in Demut“. „Nächstes Mal!“
Das war ja richtig so, aber etwas wehmütig machte es mich schon. -

In Bussen läuft oft Musik. Meist Radio. Das macht Spaß. Sogar die Werbung gefällt mir, da versuche ich dann möglichst viel zu verstehen.
Heute kam jedoch etwas völlig Unerwartetes.
Es gibt Musikstücke, die gehen ohne dass man es gleich merkt und noch irgendwie kontrollieren könnte so ganz direkt ins Herz. Und dann natürlich auf direktem Weg zu den Tränendrüsen.
So war´s dann auch. Es war ein so schönes Stück. Zum Weinen schön und gleichzeitig so tröstlich.
Es wäre zu schön gewesen, zu wissen was das war.
Aber den Busfahrer danach fragen? Er hätte mich wohl für ziemlich durchgeknallt gehalten. Erst blicken sie nicht wo sie aussteigen müssen, die Touris, dann sowas.
Aber solche Momente kann man eh´ nicht festhalten.

In Rethimnon hatte ich wieder Aufenthalt. Fast schon wie in „Täglich grüßt das Murmeltier“ – nur dass ich diesmal Bücher kaufen konnte.Keine Gewichtsbeschränkungen mehr)
Ein kurzer Stopp in Vrisses, lang genug für Joghurt mit Honig. Und weiter gings über die Askifou-Ebene runter nach Sfakia.
Es war sonnig und warm und das Meer glitzerte verheisungsvoll.
Beschwingt lief ich los. Kurz hab ich daran gedacht, bei den “ Three Brothers“ und Bettina vorbei zu schauen. Aber sie unbekannterweise einfach so überfallen, ganz ohne Voranmeldung, wollte ich dann doch nicht.
Am Glykanera Strand nahm ich ein köstliches Bad im Meer. Die Wellen hatten sich gelegt. An diesem Tag fuhren wohl erstmals auch wieder die Fähren.
Die Strandtaverne war bereits geschlossen und die Liegen und Sonnenschirme abgebaut.
Der Sommer war vorbei.

In Loutro anzukommen ist für mich immer wieder ein beglückender Moment. Kurz vor Erreichen des Dorfes musste ich auch erst mal stehen bleiben und inne halten.
Ich war angekommen.

martha
11.November.2010, 23:28
Hier noch ein paar Bilder hinterher.
( hab auf den falschen "Knopf" gedrückt)

Kretagegge
12.November.2010, 19:16
Super-Martha :a020:

Inge und ich haben heute mittag deine Berichte gelesen und wir waren uns einig und dachten an die Zeiten zurück als wir auch noch mit Rucksack und Zelt unterwegs waren.

Grüße Inge und Gegge

robinson
12.November.2010, 19:56
und Zelt unterwegs waren.
Das hat mir früher auch unheimlich Spaß gemacht.
Aber bei all den Abenteuern die ich mir mit Petra noch vorgenommen habe, ein Hotel oder Bungalow mit ner Dusche muss schon sein.

Britula
12.November.2010, 21:33
Herzlichen Dank, liebe Martha, :smiley5:

....DAS war ein super toller Bericht und schöne Fotos noch dazu !!
Habe es sehr genossen, gedanklich dabei sein zu dürfen....
Loutro wird auch irgendwann bei uns dabei sein, vorbeigefahren sind wir schon oft.

Wünsche euch Allen ein schönes Wochenende.

martha
13.November.2010, 15:10
Hier hätte mein Bericht eigentlich enden können.
Denn in Loutro ankommen war tatsächlich wie zur Ruhe kommen - dachte ich.

Sie hat mich noch nicht losgelassen, die Lust auf die Berge. „Wenn schon nicht der Psiloritis dann vielleicht der Pachnes?“, fragte ich mich.
Das Wetter schien sich stabilisiert zu haben. Zwar hatte ich eigentlich nicht mehr genügend Tage übrig, um den ganzen Weg zu wandern, mit der dann notwendigen Übernachtung.
Aber mit einem Lift und einer Portion Glück könnte es vielleicht als Tagesausflug klappen.
So stieg ich dann am nächsten Morgen den Serpentinenweg von Loutro hoch nach Anopolis.
Der Himmel zeigte sich in strahlendem Himmelblau, keine Wolken, kein Wind.
Aber mir war klar, welches Wetter hinter der Bergkuppe auf mich wartet, bleibt bis kurz vor Anopolis eine Überraschung.
Oben angekommen genügte ein Blick - dies war eindeutig nicht die Woche für hohe Berge!
Die Lefka Ori waren wolkenverhüllt. Sie schienen keine Besucher empfangen zu wollen.
So stieg ich nun das letzte, kurze Stück zur Agia-Ekaterini Kapelle hoch und genoss den wunderbaren Ausblick auf´s Lybische Meer, verbrachte einige Zeit in der Stille und schlenderte langsam weiter.
Durch Anopolis, Aghia Dhimitrios, kletterte in den Ruinen des zerfallenen Kastells und fand mich irgendwann auf dem schmalen Wanderweg runter nach Livaniana.
Ich war lange schon nicht mehr dort gewesen. Tilmans Taverne kannte ich nur aus den Beschreibungen hier im Forum und aus dem Merian-Kreta-Heft.
Ich freute mich auf einen Kaffee und eine große Flasche kaltes Wasser.
Das bekam ich auch und obendrein eine Reise in die Vergangenheit, zumindest musikalisch …… „Imagine there´s no heaven - above us only sky..…living for today…” - Lange her und doch fast wie gestern.
Auch wenn man hier wunderbar die Zeit vergessen kann. Irgendwann wollte ich dennoch weiter und folgte dem Pfad Richtung Finx-Bucht.
Die Wolken hatten sich mittlerweile verdichtet und der Wind blies mir sacht ins Gesicht.

Dann kam der Punkt, an dem ich nicht mehr weiter gehen konnte.
Ich musste mich an einer Wegbiegung hinsetzen. Auf den felsigen Boden, der wie geschaffen dafür war. - Wie wenn er genau hier auf mich gewartet hätte.
Da blieb ich lang.
So lang, wie es braucht sich einzugestehen, loslassen zu müssen, nicht die Kontrolle zu haben und vieles nicht ändern zu können. Ganz gleich, mit welcher Kraft man auch dafür kämpft.
Ja und natürlich so lang wie es braucht, bis der Blick wieder klar ist.
Denn stolpern geht gar nicht!

Das verbleibende Stück des Weges ging ganz leicht. Ohne Anstrengung - leichtfüßig.
Ich verbrachte in Loutro einen letzten Abend in Stavros Taverne und wanderte in den frühen Morgenstunden des nächsten Tages wieder zurück nach Sfakia .
Der 11-Uhr Bus war rappelvoll. Heimreisezeit.
Ich hatte noch einen Tag in Bali, genoss ein letztes Mal das Bad im Meer und freute mich von ganzem Herzen auf meine Lieben daheim.


So, das waren nun meine „Kreta-Fluchten“.
„Fluchten“, die halt keine sind, da man seine „Ungeheuer“, denen man manchmal gerne entfliehen möchte, immer bei sich hat.
Was aber gewiss ist, es gibt Orte, die es einem leicht machen, die „Ungeheuer“ freizulassen.
Kreta scheint ein ganz vorzüglicher Ort dafür zu sein.
Für mich bestimmt.

Dorli
13.November.2010, 15:55
Aber bei all den Abenteuern, ein Hotel oder Bungalow mit ner Dusche muss schon sein.

Dann ist doch kein Abenteuer mehr :blink:

Martha, ein ganz toller Bericht, sehr gefühlvoll geschrieben. Deine Fluchten scheinen dir gut zu tun, vielleicht bis nächstes Jahr wieder.

Lg Dorli

Wolfgang Neuser
13.November.2010, 16:03
In manchen Hotel oder Bungalows doch.

mfg Wolfgang

Buffi
13.November.2010, 16:09
Danke Martha :smile:,

es war mir eine große Freude Deine Zeilen lesen zu dürfen.Deine "Flucht" hätte
gern länger dauern können...:dream:

LG Buffi :smiley5:

Inke
13.November.2010, 17:14
Liebe Martha,
schön, dass wir Dich bei Deinen Kreta-Fluchten begleiten durften.
Ja, man kann nicht weglaufen vor seinen " Ungeheueren", aber an guten Orten erscheinen sie oft nicht ganz so bedrohlich. Und Kreta ist eindeutig ein solcher Ort.

Sonni
13.November.2010, 18:12
Und wer gegen Wind und Wetter getrotzt hat und sogar gegen eine fiese Kakalake als Sieger hervorgegangen ist, kann es noch mit ganz anderen "Ungeheuern" aufnehmen!!!!
Jawohl!

Ulla
13.November.2010, 18:42
Liebe Martha,
Du hast meine totale Bewunderung für Deine Art Urlaub zu machen,
als auch für Deine Gabe, diesen zu beschreiben ~
auch von mir ein dickes Dankeschön für's mitlesen dürfen!

martha
14.November.2010, 21:38
Vielen Dank!:smile:

MichaelB
17.November.2010, 10:10
Moin,

ich habe Deine Fluchten gestern Abend gelesen - sehr schön geschrieben :biggthump

Wan flüchtest du wieder? :smiley5:

Gruß
Michael