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Thema: Innerdeutsche Hindernisse 1986

  1. #1
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    Standard Innerdeutsche Hindernisse 1986

    Ich weiss nicht ob es passt, aber dann möchte ich hier mal meine erste Reise hinter den eisernen Vorhang schildern.

    Vorausschicken muss ich, dass mit der Kreditvergabe durch die Bundesrepublik ja auch die Reisebedingungen für DDR-Bürger etwas erleichtert wurden, dergestalt, dass man ab 1986 auch Verwandte 2. Grades in der Bundesrepublik zu besonderen Anlässen besuchen durfte.

    Anlässlich des 80. Geburtstages am 11. Mai 1986 meiner Tante bekam ich also eine amtliche Einladung, der eine Geburtsurkunde und Aufenthaltsbestätigung beglaubigt und bestätigt beilagen. Diese durfte nicht älter als 4 Wochen sein. (die Tante sollte ja nachweislich noch gelebt haben..:grin:)
    Damit musste ich als erstes in die Personalabteilung meiner Firma (damals hiess das Kaderabteilung). Dort bekam man dann einen verschlossenen Umschlag, mit dem man auf die Polizeidienststelle des Kreises musste.
    Glücklicherweise kannte ich unsere Kaderleiterin gut, so dass ich erfuhr, dass mein Betrieb mich positiv beurteilt hatte und einschätzte, dass ich auch wiederkomme. „Aber kein Wort darüber“ bekam ich mit auf den Weg. Man muss wissen (was ich damals bis dahin noch nicht wusste), dass damit der Weg eigentlich frei war. Bei betrieblicher Ablehnung wäre schon keine Reise möglich gewesen. Den gesamten folgenden Weg hätte man mich aber trotzdem durchlaufen lassen!
    Ich fuhr also in die Kreisstadt zur Polizei. Zimmer „Reisen in die BRD und ins NSW“ (wie schon mal gesagt: Nichtsozialistisches Wirtschaftssystem)
    Nach ca. 1 Std. Wartezeit kam ich dran. „Bitte nehmen Sie Platz“
    Man musterte mich eindringlich. Ich hatte das Gefühl, der Tisch war höher als ich.
    „Sie wollen also in die BRD fahren?“ – Ja.
    „Zu ihrer Tante?“ – Ja.
    „Zum 80. Geburtstag“ – Ja.
    Der Umschlag wurde geöffnet.
    „Sie sind verheiratet?“ – Ja
    „Sie haben zwei Kinder?“ – Ja.
    „Sie haben ein Auto?“ – Ja, Saporosz.
    „Ihre Arbeit gefällt Ihnen?“ – Ja, selbstverständlich.
    „Sie haben einen Garten“ (Ich hatte die Worte auf der Zunge “Sie wissen doch eh schon alles, warum fragen Sie?“ aber das wärs wohl gewesen) also – Ja.
    Usw. usw.
    „Heute ist der 10. April, wann wollten Sie fahren, am 11. Mai? Ja? Dann kommen Sie am 10. Mai, dann werden wir Ihnen mitteilen, ob Ihr Antrag genehmigt wurde. Auf Wiedersehen“
    Ich ging mit Gummibeinen. Wie ist das erst, wenn die Stasi dich ernsthaft verhört, dachte ich.
    Ein Monat qualvolles Warten. Was hinter den Kulissen abging, habe ich erst viel später erfahren. Kollegen, Nachbarn, Sportfreunde und Gartennachbarn wurden befragt über mich (natürlich nur die „Zuverlässigen“) usw.
    Dann der 10. Mai.
    Wieder bei der Polizei, wieder warten, dann „Herr K. bitte, Zimmer 4“.
    „Herr K., Sie wollen für 10 Tage ausreisen in die BRD“ – Ja.
    Wieder so ein Frage-Antwortspiel.
    Gut, Ihr Antrag ist genehmigt. Innere heisse Freude stieg in mir auf. Dann der Dämpfer:
    „Sie sind nicht in der Partei?“ -. Nein.
    „Gut, Sie sind Reservist der NVA?“ – Ja
    „Ihren Wehrpass haben Sie abgegeben?“ – Nein.
    „Ja, das müssen Sie noch tun, eher können wir Ihren Reisepass nicht aushändigen“ – (Innerlich-Konnte man das nicht vor einem Monat sagen?)
    Äusserlich: Ja, was ist da zu machen?
    „Fahren Sie zum WKK, abgeben, Bescheinigung holen und herbringen“

    Intermezzo: Ich wohnte 10 km entfernt. Mein Wehrpass lag zu Hause. Also ab nach Hause, Pass holen, zurück zum WKK nach der Kreisstadt.
    Angekommen, lese ich das Schild „Heute nur Vormittag bis 12 Uhr“. Es war halb 1.
    Trotzdem geklingelt, es war mir jetzt egal. Es war ein UvD da, dem hab ich mein Leid geklagt. Warum auch immer, er war ein Mensch. Er nahm meinen Wehrpass, gab mir das Papier, stempelte es ab (es hätte eigentlich ein Offizier machen müssen)- ich hätte ihn knutschen können. In diesem Moment hätte ich mich wahrscheinlich für 3 Jahre verpflichtet, wenn er gefragt hätte. Hat er aber gottseidank nicht.
    Wieder zur Polizei. Diesmal brauchte ich nicht zu warten. Zettel abgegeben.
    Der Polizist hielt das blaue Dokument hoch und sagte: „Vergessen Sie nicht das Wiederkommen, Ihre Familie wartet auf Sie….“ Was sollte mir das nur sagen..
    Und dann hatte ich ihn in der Hand… den Pass. Die Tür zur Freiheit.

    Fortsetzung folgt.
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    Gruß Michael

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  2. #2
    Thomas Gast

    Standard AW: Innerdeutsche Hindernisse 1986

    Das passt ganz nett, zu den Zeiten des real existierenden Sozialismus hat es mich auch mal Als Gast des DGB und der "DKP" in den Osten getragen, welche Kontrolle äger war rote waren(sind) für manche Wessis auch nicht so toll. Gastfreundlich war der Osten und ist es immer noch, wir urlauben gerne im Ost Harz, waren in Thüringen, Sachsen ist wirklich schön..

    Gruß Nero

  3. #3
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    Standard AW: Innerdeutsche Hindernisse 1986

    Hallo Michael,

    das gleiche Spielchen hatte ich auch zum 60. Geburtstag meiner Tante.

    Nur hatte ich das Problem, dass ich mich gerade von meinem damaligen Freund getrennt hatte und bei einer Freundin in der Wohnung gewohnt hatte. Und das war natürlich ein Grund anzunehmen, ich könnte nicht wieder kommen.

    Also hatte ich nicht das Vergnügen, einen Tag vor meiner geplanten Abreise das o.k. zu erhalten.

    Sie dürfen leider nicht reisen!!!!

    Und dann habe ich stundenlang, ich glaube es waren 4 Stunden, auf dem Hauptpostamt gesessen und auf eine Telefonverbindung zu meinem Onkel und meiner Tante gewartet um zu sagen, dass ich leider nicht kommen kann.

    Grüßchen Ilona

  4. #4
    Thomas Gast

    Standard AW: Innerdeutsche Hindernisse 1986

    Und wir Wessis haben die "DDR" begrüßt mit Begrüßumgsged auch besucht

    Gruß Nero

  5. #5
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    Standard AW: Innerdeutsche Hindernisse 1986

    Lieber Nero, sei nicht böse, aber so ganz verstehe ich jetzt nicht, was du mit den Beiträgen sagen willst.
    Es gab schon auf beiden Seiten Probleme, Missverständisse und unterschiedliche Auffassungen. Und zum Grenzübertritt und Empfang und der Rückreise komme ich ja noch, wenn gewünscht.
    Gruß Michael

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  6. #6
    spotty Gast

    Standard AW: Innerdeutsche Hindernisse 1986

    Um es kurz zu machen: es wird gewünscht.
    Ich gebe zu: *NSW* war dabei, mir zu entfallen ... und *Saporoshez* ... hast Du da noch ein Foto von dem Geschoss aus der gleichnamigen russischen Stadt?? Mittlerweile hat sich das ja geändert, weil die Ukraine nun wirklich eigenständiger Staat ist, aber damals ... Ansonsten, speziell für die Altbundesländler, mal hier schauen!

    Gruss
    Spotty

  7. #7
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    Standard AW: Innerdeutsche Hindernisse 1986

    Das war meiner!
    nur war der gelb....
    Geändert von mk310149 (8.February.2008 um 17:28 Uhr)
    Gruß Michael

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  8. #8
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    Standard AW: Innerdeutsche Hindernisse 1986

    So, weiter geht’s.
    Ich muss noch ergänzen zum ersten Teil, das immer nur einer fahren durfte, beide war so gut wie unmöglich. Man sollte ja wiederkommen.

    Mit dem Pass in der Tasche steh ich vor der Polizei und versuche meine Gedanken zu ordnen.
    Was zuerst tun?
    Erst mal zum Bahnhof, Fahrkarte kaufen. Ich finde heraus, dass ich schon abends um 22 Uhr fahren kann, jetzt ist es so gegen 14 Uhr. Die Bahnangestellte schaut mich schräg an (ich kann den Ausdruck nicht deuten, ungläubig, etwas neidisch.. wie auch immer), als ich eine Fahrkarte nach Landshut verlange.
    Dann ist da ist auch die Post, um eine Telegramm abzuschicken, dass ich komme (Telefon hatte wir zu Hause nicht und wie Ilona schon schrieb, wartete man auf ein Gespräch in die BRD per Handvermittlung Stunden).
    Schnell noch zur Bank (Staatsbank oder Notenbank? weiss ich nicht mehr genau) 15 Mark der DDR in 15 DM umtauschen, soviel genehmigt der Staat als Taschengeld, Strauss-Kredit sei Dank. Inzwischen ist es fast halb 4.
    Dann nach Hause, die Familie wartet schon neugierig und ungewiss. (Telefon…. wie gesagt)
    Alles klar, Koffer wird gepackt. Mitbringzettel geschrieben . Schnell Abendbrot, für unterwegs ein paar Stullen. Wir sitzen noch ein bisschen, dann bringt mich meine Frau zum Bahnhof. Abschied von den Kindern, dann auch von der Frau. Ich glaube zu wissen, was sie denken.
    Als ich mich im Abteil in den Kunstledersitz fallen lasse, ist erst mal im Kopf alles leer. Nur langsam fange ich an, zu begreifen, dass ich raus darf.
    In Cottbus muss ich schon wieder umsteigen, dann sitze ich endlich im Zug nach München. Über Plauen, Hof nach Landshut. Früh um 9 Uhr werde ich da sein.
    Ich hab eine Platzkarte, aber es ist (noch) nicht voll. Nach und nach steigen immer mehr Rentner ein. (Die dürfen ja schon lange fahren, der Staat hatte wohl die Hoffnung, dass sie da bleiben, und man die Rente spart). In Plauen (letzter Bahnhof in der DDR) steigen fast alle jungen Passagiere aus. Im Abteil sind ausser mir 5 Rentner und eine mitelalterliche Dame. Alle schauen mich an, wieso bleibt der sitzen? Aber keiner fragt. Die Gespräche verstummen, nur die Dame erzählt und fragt. Die Art der Fragen macht mich stutzig, also tu ich so, als ob ich schlafe. Als der Zug sich Gutenfürst nähert, redet keiner mehr.
    Zwei verbissene Ostzöllner gehen durch und schauen in jede Ecke. Dann Grenzkontrolle. Wider Erwarten schaut man zwar intensiv in meinen Pass, stellt aber keine Fragen. Als die Grenzer aus dem Abteil sind, steh ich auf , öffne das Fenster. Draussen stehen jede Menge Grenzer mit Kalashnikovs und auf , unter und neben dem Zug laufen Hunde. Ich hab den Kopf noch nicht richtig aus dem Fenster, da brüllt einer: „Fenster zu, hier ist Kontrolle“. Ich bin direkt weg, Fenster zu und in den Sitz. Die Dame macht schlaue Bemerkungen.
    Nach über einer Stunde geht es weiter. Dann kommt Hof. Als die Tür aufgeht und ein freundlicher uniformierter bayrischer Grenzer (Freistaat!) in Begleitung eines BGS-Beamten hereinkommt und freundlich „Grüß Gott“ sagt, werden die Rentner plötzlich mobil. Die Stimmung schlägt um, man lacht und redet. Die Dame steigt übrigens aus. Ich denke mir meinen Teil, sie wird wohl gleich ein Protokoll anfertigen.
    Die Leutchen sprechen mich an, ich sei doch so jung, ob ich schon Rentner sei und wieso ich denn fahren dürfe. Ich erkläre es und es wird noch eine nette Fahrt. Leider komme ich zwar nicht zum Schlafen, aber was solls, ICH BIN IM WESTEN!

    Fortsetzung folgt...
    Gruß Michael

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  9. #9
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    Im "Bergischen"
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    Standard AW: Innerdeutsche Hindernisse 1986

    Hallo Michael,

    so ungefähr hab ich es mir vorgestellt und von Bekannten auch immer gehört. Dieser "Staat" hat sich ja nun glücklicherweise für die meisten Menschen erledigt.

    Aber Ihr dürft nicht glauben das nur die Täterä ihre Bürger bei Verwandschaft im Westen belästigt. Als ich beim größten Trachtenverein/Bundeswehr meinen "Wehrdienst" ableistete, bekam ich manchmal Post aus dem damaligen Jugoslawien, genauer Dubrovnik/Mlini. Eines Tages durfte ich den Spieß besuchen der selber drei Herren im Büro hatte. Die Fragerei war ähnlich wie bei Michael, bis heute weiß ich nicht was der Quatsch sollte. Die Post bekam ich übrigens immer schon geöffnet ausgehändigt, Nett nicht ?
    Das war 1987.

    Denis

  10. #10
    Kreta-Klaus Gast

    Standard AW: Innerdeutsche Hindernisse 1986

    Ja, Denis,
    ich war bei dieser Trachtengruppe ja immerhin Offiziersanwärter und deshalb in Sicherheitsstufe 1 eingruppiert. Jahre später habe ich erfolgreich verhindert, zu einer Reserveübung einberufen zu werden (ich sollte da wohl als Kurier in einem Manöver eingesetzt werden, was an und für sich ein lauer Job ist, aber eben höchste Sicherheitsstufe verlangt), indem ich schlichtweg behauptete, Freunde in Ostberlin zu haben. Das war alles ziemlich albern ... denn ich war auch in der aktiven Zeit als Fähnrich öfter als ein solcher Kurier mit Fahrer unterwegs - und wir gingen gerne zwischendurch samt scharfen Waffen und transportierten Unterlagen mal in irgendeiner Kneipe einen trinken. "Mein Fahrer" war ein altgedienter StUffz, den nichts so leicht erschüttern konnte.
    Einmal mussten wir nachmittags eine außerordentliche Tour fahren und hatten beide keine Knarre dabei - die musste man ja immer abholen und wieder abgeben. Auf die entsprechende Frage gab es dann nur die die lapidare Antwort: "Im Jeep haben wir für den Notfall einen Knüppel". :laugh:
    Klaus

  11. #11
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    Standard AW: Innerdeutsche Hindernisse 1986

    Oh je, ich hab das hier ganz vergessen!
    (Klaus, du bist schuld, du hast mir Arbeit gegeben!:Knuddel:)
    aber ich habs ja so gewollt...
    Na, nächste Woche gehts noch weiter...
    Gruß Michael

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  12. #12
    Kreta-Klaus Gast

    Standard AW: Innerdeutsche Hindernisse 1986

    Michael, mein Lieber,
    ich bin nicht schuld, Du hast es mir angeboten und voller Freude entnehme ich Deinen Zeilen, dass Du schon tätig bist. Und Du machst es ja für das Forum, nicht wahr? Auch für mich, logo! Alle werden Dir zu Recht dankbar sein, wenn dann die Bilder aus 1971 hier zu sehen sind.
    Besten Gruß auch an Frau und Tochter
    Klaus

  13. #13
    Manniki Gast

    Standard AW: Innerdeutsche Hindernisse 1986

    Wir haben 1978 unsere Abschlussfahrt nach West-Berlin gemacht, und es war Pflicht 1 Tag in den Osten. So brav hatte unser Lehrer uns noch nie erlebt. Bei der Einreise durfte eine Schulfreundin schon nicht rein weil ihr Kinderausweis ca. 1cm eingerissen war.das gab ein tumult von unsern Lehrern aber die wurden plötzlich ganz ruhig (später erzählten sie was von inhaftierung wegenRandalierens) also fuhr ein Lehrer und die Schülerin wieder zurück. Wir versuchten dann den ganzen Tag das Umtauschgeld unter die Leute zu bringen ,bei ich glaube 20 DM gar nicht so einfach,man durfte ja nichts mitnehmen. Die Bedienung in einer Gaststätte hat sich über reichlich Trinkgeld sehr gefreut, bei mir waren es umgerechnet 15DM die ich gab. Als wir an den Bahnhof kamen,setzten wir uns auf eine Stange und warteten auf die anderen. Da nahte schon das nächste unheil in Form eines Uniformierten und machte uns zur Schnecke.Als wir wieder im Westen waren ,sind wir erst mal in die nächste Kneipe ,und unser Lehrer hat einen ausgegeben. Das war Einreise in die DDR

  14. #14
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    Standard AW: Innerdeutsche Hindernisse 1986

    Stell dir vor Manni, wir haben da 40 Jahre gelebt und haben sogar überlebt!
    Da wird euch der eine Tag ja nicht so sehr schwer auf den Schultern lasten.:grin:

    Aber mal weiter im Text:

    Vom Aufenthalt will ich mal nicht so viel erzählen, es war nicht so lustig, da mein Onkel ziemlich schwer erkrankt war (und auch einige Wochen später starb, so dass ich froh war, ihn nach so vielen Jahren mal wieder gesehen zu haben), aber doch sehr beeindruckend für mich. Das Begrüßungsgeld der Stadt (ich glaube 120 DM) war eine große Hilfe. Auch wenn meine Tante mir etwas gab und die 15 DM, die ich hatte, waren ja auch nicht viel.
    München, Bamberg und Hannover waren Stationen, Höhepunkt war für mich als alter Saporosh-Besitzer, dass ich mit dem Mercedes meines Onkels fahren durfte. Zwei Welten, obwohl der Benz auch nicht mehr so neu war.
    Er wohnte übrigens in Simbach am Inn, gegenüber von Braunau (Österreich), wo wir auch waren, um das Haus eines nicht mehr lebenden und in D nicht mehr so beliebten Österreichers (in Ö übrigens auch nicht) zu sehen. Der Grenzübertritt war ja eigentlich für mich tabu, mein Visum galt nur für die BRD. Also durfte auch kein Stempel in den Pass. Aber die Grenzer auf beiden Seiten kannten das Problem und meinen Onkel, also kein Stempel und trotzdem Österreich. So was ging also auch schon vor Schengen.
    Stellvertretend für den Gesamteindruck meines Besuchs die folgende Episode:
    Ich hatte meinem Sohn versprochen, einen Fahrradtacho mitzubringen.
    So was gab es nicht oder halt nicht auf normalen Wege in der DDR.
    Ich dacht, naja, das ist so ein kleines Gerät, zeigt die Geschwindigkeit an, gehst mal schnell in einen Fahrradladen, kaufst und gut is.
    Ich äusserte also meinen Wunsch, dann fragte der Verkäufer: digital oder analog, einfach oder mit Uhrzeit, usw usw. Er legte mir ca. 6 Stück verschiedener Bauart auf den Ladentisch. Ich musste erst mal schlucken, sagte, das ich es noch überlege und ging wieder raus. Hier wurde mir wirklich klar, wo ich war. Gekauft hab ich dann am nächsten Tag doch einen.
    Ach ja und was zum Lachen:
    als ich das erste Mal in einer Gaststätte auf die Toilette musste und dann Hände waschen wollte, hab ich auch erst zehn Minuten gerätselt, wie aus einem Einhebelmischer kaltes und warmes Wasser zu kriegen ist. Und beim Luftaufpumpen an der Tanke überlegt, wie ich den kurzen Schlauch an die Reifen kriege, ehe ich bgriffen hatte, dass man den Behälter auch abnehmen kann. :laugh:
    Aber das lag wohl beides daran, dass es erstens sowas in der DDR noch nicht gab und zweitens ich doch gesamt etwas gestresst war.
    Gut, ich hatte auch begriffen, dass nicht jeder alles haben konnte, es auch Arme und Reiche gab, aber das Gefühl, alles haben zu können, wenn man es braucht oder es sich leisten kann.... Bei uns zu Hause musstest du mindestens 14 Jahre auf ein Auto warten und dich früh um 6 anstellen, wenn es um 12 Zement oder Bananen gab. Da half dir auch kein Konto, höchstens in Westmark.
    Okay, nachdem die 10 Tage um waren, ging es wieder zurück. Ich habe wirklich ernsthaft überlegt, ob ich das mache. Hätte ich damals gewusst, dass 3 Jahre später der Spuk vorbei ist, wär ich geblieben.
    So fuhr ich halt wieder, da war ja auch und hauptsächlich die Familie.
    Als der Zug in Hof hielt, kamen wieder die Bayern und der BGS. Ein junger Beamter schaute ziemlich lange in den Pass, dann auf mich und fragte:
    "Und Sie wollen wirklich wieder zurück?... Noch können Sie wieder aussteigen..."
    Ich sagte mit wahrscheinlich etwas kratziger Stimme, dass ich Frau und Kinder habe und die sollen unbeschwert weiter leben können.
    Das verstand er und sagte nur noch "Alles Gute, vielleicht hört das ja mal auf..." 3 Jahre später war es ja dann auch so weit.
    Ich hatte für jeden einige Kleinigkeiten gekauft. Damals gab es für 100 DM ja mehr als heute für 50 Euro. T-Shirts, Süssigkeiten, Obst, der Tacho, Spielzeug usw. so ca. 20 bis 25 Positionen.
    Auf der Zollerklärung war aber nur Platz für 12. Da ich nun vorsichtig war und böse Dinge vom Ostzoll gehört hatte, habe ich die anderen Sachen schön rundherum gekritzelt.
    Das war natürlich falsch. Eine Zollbeamte, weiblich herrschsüchtig, fauchte mich an: "Hättense doch nen extra Blatt beschreiben können. Das kann doch keiner lesen..!" "Ich schon", dachte ich, aber ich sagte nur höflich:
    Entschuldigung, ich wollte halt nichts falsch machen und hab das nur Formular benutzt. Beim nächsten Mal weiss ich es."
    Sie schaute mich an und sagte: "Wenn es ein nächstes Mal gibt!"

    Es gab ein nächstes Mal, sogar mit der gleichen Zöllnerin. Aber das ist dann eine andere Geschichte. Erst mal war ich wieder "zu Hause"
    Gruß Michael

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  15. #15
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    Standard AW: Innerdeutsche Hindernisse 1986

    Hallo Michael,

    wenn Du mich jetzt sehen könntest ... ich sitze, obwohl mir diese Thematik aus vielen Erzählungen natürlich nicht ganz fremd ist, und schüttle doch irgendwie ungläubig den Kopf. Wir haben zwar in Österreich vieles gehört und gelesen, aus relativer Distanz, aber Dein direkter Bericht ist auch ehrlich aufrichtig und gefühlvoll und das macht das Thema gleich noch einmal so interessant.

    Ich habe mich zu Beginn meiner Berlinzeit unter der kompetenten Führung eines Freundes aus dem ehemaligen Osten im Berliner Umland auf die Spur des "damals" begeben, weil diese Vergangenheit noch so greifbar und in den Menschen noch so präsent ist.

    Ich könnte Dir stundenlang zuhören .... :)
    LG Reinhilde

    Wenn du nicht kämpfst, dich nicht bemühst, hast du nicht das Recht zu hoffen.

  16. #16
    spotty Gast

    Standard AW: Innerdeutsche Hindernisse 1986

    Ja, das ist wohl weder unter- noch übertrieben ... Und das *sprach- und verständnislos an den Lippen hängen* habe ich noch lange nach der Wendezeit erlebt und vielleicht sollte dazu mal etwas geschrieben werden - ich übrigens hatte Micha`s Fahrradcomputererlebnis gewissenermaßen im Gemüseladen, im Dezember 1989 in Markttredwitz. Aber auch das ist eine andere Geschichte.

    Sehr schön geschrieben und allemal lesens- und erinnerswert, meint

    Spotty

  17. #17
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    Standard AW: Innerdeutsche Hindernisse 1986

    Für einen DDR-Bürger die Krönung:
    Mercedes und Aldi.
    Das ist keine Türke auf dem Foto, das bin ich 1986...:laugh:
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  18. #18
    empty Gast

    Standard AW: Innerdeutsche Hindernisse 1986

    Feine Garderobe!

    Und die Farbe vom Benz ist heute auch kaum noch vorstellbar (oder schon wieder...) ;-)

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