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Thema: Kreta 1977

  1. #41
    Kreta-Klaus Gast

    Standard AW: Kreta 1977

    7. Teil

    „Gestrandet“ in Paleochóra

    Wir nahmen die damals einzige Straße nach Pále über Tavronítis, Voukoliés und Kándanos.
    In Paleochóra wehte es bei unserer Ankunft dieses Mal (noch) nicht. Zuerst begrüßten wir den Pelikan vor der gleichnamigen Taverne und führten ein Telefongespräch am Kiosk (Kartentelefone waren damals natürlich noch völlig unbekannt), dann gingen wir essen und erkundigten uns beim Wirt über das Boot nach Gávdos.
    Es sollte zwei Tage später fahren, aber der Wirt ließ durchblicken, dass er mit aufkommendem Wind rechnete und es überhaupt nicht sicher sei, ob das Boot überhaupt fahre. Wir wunderten uns, denn es war momentan praktisch windstill. Andererseits mussten die Einheimischen ja eigentlich wissen, wie die Vorzeichen von Wetteränderungen zu deuten waren.

    Und der Wirt behielt Recht. Am nächsten Nachmittag frischte es auf und gegen Abend kräuselte ein Sturm die Wellen vor dem Abend heftig. Die erneute Frage nach dem Boot nach Gávdos wurde nur mit einem Schulterzucken beantwortet. Also zogen wir uns recht früh am Abend ein Stück nach Westen zurück, wo der Wind sehr viel schwächer war. Wenn das Boot denn fahren würde, wollten wir es nicht verschlafen.

    Machen wir es kurz: Als wir am nächsten Morgen wieder zum Hafen zurückfuhren, informierte man uns bedauernd, dass es wohl in den nächsten Tagen kein Boot nach Gávdos geben würde. Es sei viel zu gefährlich, raus zu fahren. Es sei hinzugefügt, dass die damaligen Boote, die Gávdos ansteuerten, sehr viel kleiner waren als heute.
    Irene und Klaus, die sehr viel weniger Urlaubszeit vor sich hatten als wir, beschlossen daraufhin, mit dem Bus wieder nach Norden zu fahren, weil sie es sich nicht leisten wollten, vielleicht eine Woche untätig herumzusitzen. Da wir das Ganze naturgemäß sehr viel gelassener sahen, verabschiedeten wir uns voneinander, nicht ohne vorher die heimatlichen Adressen ausgetauscht und uns lose im „Kyani Akti“ bei Kalýves verabredet zu haben. Wenn wir uns dort nicht treffen würden, wurde vereinbart, dass wir in München bei ihnen ein bis zwei Tage Station machen würden.

    Yvonne und ich kauften noch reichlich Überlebensmittel ein und füllten unsere Wasservorräte auf. Wein hatten wir aus Kókkinos Pýrgos noch reichlich dabei. Dann fuhren wir wieder nach Westen … mit jedem Kilometer ließ der Wind nach. Wir entdeckten einen herrlichen sandig-kieseligen Strand mit einigen Bäumen, die uns Schatten spenden konnten. Irgendein freundlicher Zeitgenosse hatte sogar eine „Fahrspur“ aus großen Kieseln bis zu diesen Bäumen gelegt. So bugsierte ich den Bus vorsichtig darüber, denn ich konnte mir ungefähr vorstellen, was passieren würde, wenn ich von den Steinen abrutschte und im Sand landete.
    Unter den Bäumen richteten wir uns häuslich ein und lebten dort drei Tage wie „Adam und Eva im Wohnmobilparadies“.
    Als Yvonne auf das herrliche Meer schaute, das zwar bewegt, aber nicht richtig stürmisch vor uns lag, warf sie die Ratschläge aller irakliotischen Mediziner über Bord und beschloss, endlich mal wieder zu baden. „Hier ist es so sauber, das kann meinem Bein nicht schaden!“

    Ich widersprach nicht, denn ich wusste sehr gut, wie sehr sich die süße Baderatte nach Selbigem sehnte. Sie schwamm tatsächlich mehrere Stunden draußen herum – ich bat sie aber, nicht zu weit raus zu schwimmen, da das Wasser so ruhig auch wieder nicht da lag. Mit dem Teleobjektiv verfolgte ich sie dann mal kurz und wer sich diesen glücklichen Gesichtsausdruck auf dem Foto anschaut, kann nachvollziehen, dass sie sich wie im siebten Himmel fühlte.
    Wir hatten uns einen lächerlich winzigen Sonnenschirm gekauft, den wir in einer ebenso ridikülen Konstruktion auf dem Strand aufbauten. Fotos davon darf ich nicht zeigen, denn Yvonne hat mir alle Bikini-Fotos verboten *ggg.

    Nach einigen Tagen aber gingen unsere Vorräte allmählich zur Neige und wir beschlossen, mal nach Paleochóra zu fahren, um erstens für Nachschub zu sorgen und uns zweitens mal wieder nach dem Boot Richtung Gávdos zu erkundigen.

    Wir packten alles zusammen und ich setzte den Bus langsam und vorsichtig wieder über die Steine zurück (drehen konnte ich nicht). Und dann passierte es: Ein winziger Moment der Unaufmerksamkeit reichte aus, dass der Wagen mit den (angetriebenen) Hinterrädern von der schmalen Spur aus Steinen abrutschte und sich sofort tief in den Sand eingrub. Alle Versuche, ihn dort mit Hilfe von Fußmatten und Zweigen wieder zu befreien, schlugen kläglich fehl. Letztendlich saß der Bus mit der Ölwanne fest auf dem Sand auf … wir waren im wahrsten Sinne des Wortes „gestrandet“. Was tun? Wir beide allein hatten keine Chance, von hier weg zu kommen.

    Glücklicherweise hörten wir aber schon seit einiger Zeit Motorengeräusche von der Straße. Und zwar nicht Motorengeräusche von vorbeifahrenden Wagen, sondern es hörte sich so an, als ob hier schwerere Maschinen mit Bauarbeiten beschäftigt waren. Ich wanderte also die etwa hundert Meter zur Straße und fand dort tatsächlich Bauarbeiter vor, die an der Straße werkelten. Und was mein Auge mit besonderem Entzücken erblickte, war ein handfester Radlader …
    Also ging ich zu ihnen und es gelang mir, ihnen erfolgreich klar zu machen, dass ich ihre Hilfe – insbesondere aber den Radlader – brauchte. Da Kreter schon immer hilfsbereit waren, fuhren vier von ihnen mir mit dem Radlader hinterher. Als sie die Bescherung erblickten, grinsten sie – es kam mir aber nicht schadenfroh, sondern eher vor wie „no problem“ – und machten ein langes Seil zwischen Radlader und Bus fest. Damit es mir nicht die hintere Stoßstange abriss, trugen sie mir auf, den Vorgang mit meiner eigenen Motorkraft zu unterstützen.
    Einer zog, die anderen unterstützen die Aktion mit Handzeichen … und dann hatten wir es geschafft: Der Bus stand wieder auf festem Boden!
    Ich bot ihnen Geld an, sie winkten nur ab. Daraufhin verteilte ich eine Runde Zigaretten, die sie gnädig annehmen. Noch ein kurzes Gespräch des Dankes - sie machten kein großes Aufheben daraus - und sie kehrten zu ihrer Arbeit zurück.

    Wir fuhren nach Paleochóra, nur um zu erfahren, dass das nächste Boot – wenn überhaupt – erst wieder in zwei Tagen fahren würde. Wir beschlossen, diese zwei Tage noch abzuwarten, dann aber aufzugeben und Gávdos auf ein anderes Jahr zu verschieben.
    Wir ergänzten unsere Vorräte und fuhren wieder zurück nach Westen – allerdings nicht wieder an den gleichen Strand, denn die Erfahrung hatte mir gereicht. Wir suchten uns eine uneinsehbare Stelle zwischen Felsen (von der es keine Fotos gibt, denn auf allen Bildern ist Yvonne drauf – siehe oben, Ihr wisst schon).

    Am übernächsten Tag erfuhren wir, dass es nichts zu erfahren gab: Bis auf Weiteres fuhr kein Boot. Also brachen wir unsere Zelte in Paleochóra ab und luden am Ortsausgang ein englisches Tramperpärchen – Dave und Jill – ein, die nach Chaniá wollten. Wir versprachen ihnen, sie dort abzusetzen, wenn sie denn noch einen Tag Zeit hätten, denn wir wollten noch einen Abstecher nach Falássarna machen.
    Sie waren einverstanden und bereuten es nicht, denn sie verlebten mit uns dort oberhalb des Strandes mit den schönsten Sandlilien der Insel einen sehr gemütlichen und nahrhaften Abend. In diesen Jahren entwickelten Yvonne und ich eine Vorliebe für Essen auf griechische Art: Viele Teller und überall was Leckeres drauf, was immer Kreta hergab. Ich könnte mich auch heute noch tagelang von diversen Käsesorten, Oliven, Tomaten, Brot etc. wunderbar ernähren.

    Am nächsten Tag fuhren wir wieder nach Chaniá, wo sich die beiden von uns verabschiedeten. Dann steuerten wir wieder das „Kyani Akti“ an, wo wir mal schauen wollten, ob Irene und Klaus tatsächlich eintrudeln würden.

    Überraschung: Als unser Bus ausrollte, entdeckten wir sie schon. Sie kampierten im Freien unter den paar „Almiríkia“ am Strand, die ein wenig Schatten boten. Wir parkten also gleich neben ihnen und freuten uns auf die kommenden Tage, die wir weiterhin gemütlich angehen wollten. Es gibt viele schöne Dinge im Leben: Reichtum, Liebe, Glück … aber eines gehört auch dazu und das hatten wir in diesem Jahr reichlich: Zeit!

    Geht natürlich noch weiter!
    Gruß Klaus
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  2. #42
    Kreta-Klaus Gast

    Standard AW: Kreta 1977

    Restbilder ...
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  3. #43
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    Standard AW: Kreta 1977

    Ich brauch nichts anderes zu zagen dann: ich kenn den Pelikan gut !!

    Gruß
    Nimwegener

  4. #44
    Kreta-Klaus Gast

    Standard AW: Kreta 1977

    Hallo Nijmwegener,
    den Pelikan kannten damals alle, auch noch viele Jahre später, nachdem wir da waren. Er war untrennbar mit Pale verbunden. Und ich meine mich zu erinnern, dass es später (nach dem Tod des ersten) einen zweiten solchen Vogel dort gab ...
    Gruß Klaus

  5. #45
    renagigi Gast

    Standard AW: Kreta 1977

    An den Pelikan kann ich mich auch noch gut erinnern.
    War ziemlich beeindruckend, wenn er die Straße rauf- und runterspazierte. :)

    Das war 1982 oder 83, ob es der auf deinem Foto war, weiß ich natürlich nicht.

    Ich kann mich auch noch an Hühner erinnern, die an den Tavernen alles aufpickten, was runterfiel.
    Sie hielten auch Finger für eßbar und pickten rein, wenn man nicht aufpasste. Autsch.

  6. #46
    MaNischma Gast

    Standard AW: Kreta 1977

    @ Klaus
    Aprops Pelikan-Photo: Wer von Euch hat sich denn damals (schon) einen R16 (TL?) leisten können? Alle Achtung, das war ein begehrtes Fahrzeug!

  7. #47
    Kreta-Klaus Gast

    Standard AW: Kreta 1977

    Das war das Auto eines Einheimischen. Keine Ahnung, wem es gehörte ...
    Gruß Klaus

  8. #48
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    Standard AW: Kreta 1977

    Nicht daß ich es nicht wüßte, den Pelikan, das sie jeder bekannt war, aber da beginnt ungefähr mein Hauptgeschichte, und war das Detail so mal verschwunden... verstehst Du ?
    Aber ich frohe mich sehr mit dieses Bild, und mehr von Dich !

    Gruß
    Nimwegener

  9. #49
    Kreta-Klaus Gast

    Standard AW: Kreta 1977

    Lieber Nimwegener,
    ich glaube, Du hast mich missverstanden. Mit "jedem bekannt" meinte ich nur, dass der Pelikan damals eine Berühmtheit war. Er wurde in vielen Reiseführern erwähnt, die dann so nach und nach geschrieben wurden. Unsere Paleochóra-Experten wie Norbert und Reinhold werden das sicher bestätigen können. Und das Lokal, vor dem er sich in der Regel herumtrieb, hieß (und heißt?) ja auch nach ihm "O Pelikanos".
    Gruß Klaus

  10. #50
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    Standard AW: Kreta 1977

    Hello there, Klaus,

    Wir haben uns glaub' ich gar nicht so misverstanden, aber ich bin nie mit einem Reiseführer herum gereist, so das der Pelikan damals eine witzige Überraschung war für mich. Und das ist natürlich auch der Grund, daß ich es jetzt so toll finde mit deine Bilder d'ran erinnert zu werden.

    Gruß
    Nimwegener

  11. #51
    pale-norbert Gast

    Standard AW: Kreta 1977

    Und das Lokal, vor dem er sich in der Regel herumtrieb, hieß (und heißt?) ja auch nach ihm "O Pelikanos".
    Ich glaube das war schon der zweite.

    Die Souvlaki vom Teller geklaut hat "mein" Pelikan immer im ehemaligen "Aristeas" neben der "Busbude" (Aghios)"Aristeas". Sieht jetzt ganz anders aus als 1978, ist aber immerhin kein Supermarkt. Schmecken tut's auch, nur der jetzige Name ist mir nicht geläufig.

    Gruß Norbert


    PS: Klaus, Bad Reichenhaller Spezialsalz und Cefrisch auf dem Tisch? Auf Kreta? Au weia. Naja, Spaß muss sein...

  12. #52
    Kreta-Klaus Gast

    Standard AW: Kreta 1977

    Klaus, Bad Reichenhaller Spezialsalz und Cefrisch auf dem Tisch? Auf Kreta? Au weia. Naja, Spaß muss sein...
    Na ja, Nobbi,
    es lebe das Camping.
    Das hatte man eben dabei ... Zugeständnisse an die "Dame des Hauses". Heute haben wir dafür immer griechisches Salz auf dem Tisch stehen. Und das C-Frisch gehörte, glaube ich, den Engländern. Aber ich weiß es nicht mehr genau.
    Gruß Klaus

  13. #53
    Penelope Gast

    Standard AW: Kreta 1977

    Ne, ne, ne, nix Dame des Hauses, aber das Salz, das Klaus unterwegs brauchte, mußten wir ja nicht in Kreta wegschmeißen, gelle. Cfrisch, was ist das? Ich trank schon damals auf Kreta nur Malotira, Wasser, Kaffee und Wein.

  14. #54
    Kreta-Klaus Gast

    Standard AW: Kreta 1977

    Hilfe,
    sie zankt mich ... :Knuddel: ... na, dann war es eben das Salz, was wir auf der Hinfahrt nicht aufgebraucht hatten. Kann ich denn noch alles wissen? Und das C-Frisch war also wirklich nicht unseres :biggthump.

    Übrigens, es geht hier noch weiter, aber ich bin im Moment zeitlich ein bisschen im Stress. Musste dringend die Steuer :boid: machen und jetzt bereite ich mich auf eine Weiterbildung vor, die ich nächste Woche in Walldorf absolvieren werde.
    Klaus

  15. #55
    Kreta-Klaus Gast

    Standard AW: Kreta 1977

    Endlich geht es wieder mal weiter: 8. Teil

    Ich habe diesen Beitrag noch einmal ziemlich geändert, weil ich anhand der Bilder entdeckt habe, dass mir einiges entfallen war. Diese Änderung bzw. Ergänzung ist blau gekennzeichnet!

    Die nächsten Tage dienten mal wieder der Erholung in allen Facetten. Wir aßen drei Mal am Tag im Kyaní Ákti, badeten, restaurierten unser Äußeres und trieben allerlei Faxen. Außer uns tauchte nicht ein einziger anderer Ausländer auf, nur Griechen besuchten das Lokal mittags wie abends auch damals schon gerne. Wenn man sich vor Augen hält, dass dieser Strand der allererste westlich von Chaniá ist, wundert es wenig. Und über die Qualität der Taverne sprach ich ja schon mehrfach!

    Es war früher Samstagabend. Wir saßen ganz am Rande der Terrasse und wollten uns noch etwas Zeit bis zum Essen lassen. Klaus und Irene spielten Tavli und ich klimperte ein wenig leise auf der Gitarre vor mich hin. Auch für die Griechen war es eigentlich noch zu früh zum Essen und so war nur eine einzige große Paréa anwesend, die sich drei Tische zusammengeschoben hatte und wie alle griechischen Familien laut und lebhaft war. Aber das störte uns ebenso wenig wie wir sie ... im Gegenteil. Plötzlich stand ein Mann aus der Familie neben mir und lud uns an ihren Tisch ein ... aber die Gitarre sollte ich mitbringen.

    Nun wir hatten noch selten Kontaktängste und so siedelten wir zu ihnen um. Schnell standen frische Teller vor uns und das Familienoberhaupt ließ es sich nicht nehmen, sie für uns persönlich voll zu schaufeln. Und als alle uns inklusive herrlich gesättigt waren, erfüllte ich natürlich gerne den Wunsch nach ein paar griechischen Liedern auf und zur Gitarre ... die ganze Truppe sang begeistert und lautstark mit. Wein und Raki flossen heftig und im Lauf des Abends erfolgte eine Einladung für den nächsten Mittag ins Haus der Familie in Chaniá zum Mittagessen. Natürlich sagten wir höflich zu ...

    Da wir spät ins Bett gekommen waren, kamen wir auch recht spät wieder raus. Aber für ein ausführliches Bad im eiskalten Fluss reichte es allemal.

    Das Haus der Familie in der Odós Perídou fanden wir schnell und wurden erfreut begrüßt. Der Haushaltsvorstand zeigte uns stolz sein in der direkten Nachbarschaft liegendes großes Möbelgeschäft – in dieser Gegend lagen noch eine große Zahl weiterer Möbelgeschäfte, es ist wohl ein griechisches Phänomen, dass Firmen der gleichen Branche gerne im Rudel auftreten!
    Leider brauchten wir aktuell keine neue Sitzgruppe, sonst hätten wir ihm sicher etwas abgekauft.

    Dann aber ging es zurück nach Hause, wo wir einen reichlich gedeckten Tisch und den Rest der Großfamilie, die wir alle schon vom Vorabend "kannten", vorfanden. Und die Dame des Hauses hatte aus dem Vollen geschöpft – das war noch eine Nummer besser als in der besten Taverne (aber das werden die meisten auch schon mal erlebt haben).

    Um es kurz zu machen, dieses Essen zog sich – unterbrochen durch einige Tässchen Kaffee und einige mehr Gläser Raki bis etwa 7 Uhr abends hin. Ich wusste gar nicht, dass man auch mal immer weiter essen kann, irgendwie passt es noch rein. Und da wir eine so perfekte Grundlage hatten, machte uns auch der reichliche Alkohol nichts aus. Zwischendurch sang die versammelte Mannschaft auch wieder mal ...

    Gegen acht Uhr abends verabschiedeten wir uns dankbar und herzlich von unseren neuen Freunden und fuhren zum Kyaní Ákti zurück. Im Nachhinein ist mir überhaupt nicht mehr verständlich, warum ich mir dort zu einem Liter Wein noch eine doppelte Portion Féta mit Öl und Oregano bestellte, die ich tatsächlich noch vertilgte – vielleicht hatte die Völlerei in Chaniá meinen Bandwurm aufgeweckt ...?

    Übrigens kam die Familie noch zwei Mal in den nächsten Tagen ins Kyaní Ákti, wo wir dann wieder gemeinsame lustige Stunden verbrachten. Und ich bekam die Möglichkeit, mich ein wenig zu revanchieren. Als wir nämlich auf das ungefähre Datum unserer Rückreise nach Deutschland zu sprechen kamen, meinte eine der Töchter, das sei etwa der Termin, an dem sie zurück zur Uni in Thessaloniki müsse, wo sie studierte. Was lag näher, als ihr anzubieten, sie dorthin mitzunehmen? Also bot ich es an und sie war sehr erfreut. Wir verabredeten uns also für ein bestimmtes Datum in Iráklion am Morosinibrunnen ... Wir hatten uns aber schon darauf geeinigt, dass es eine Übernachtung in Athen geben würde, denn wir hatten ja versprochen, Jorgos (und Christos) zu besuchen, um uns von ihnen mal Athen aus der Sicht Einheimischer zeigen zu lassen. Und ein Bett für sie würde man sicher vorfinden, darüber machten wir uns keinen Kopp (sie auch nicht!).

    Irenes und Klaus' Urlaub ging zu Ende, sie reisten ab. Wir fuhren Richtung Réthymnon. Unterwegs nahmen wir wieder ein englisches Tramperpärchen mit, dem es eigentlich egal war, wohin sie fuhren. Sie waren auch sonst sympathisch, so dass wir beschlossen, ein paar Tage zusammen zu bleiben.
    In Rethymnon wurde zuerst einmal ausführlich die Fortétsa mit ihrer Moschee und dem kleinen christlichen Kirchlein besichtigt. Danach aßen wir an der Strandpromenade (nicht im Hafen, da war es uns zu voll).
    Und im Anschluss daran machten wir uns auf nach Balí, denn dort waren wir noch nicht gewesen. Ausnahmsweise nahmen wir uns mal ein – nein, zwei Zimmer, und zwar bei Vassílis in der südlichsten Taverne in der Hauptbucht direkt am Strand. Wir wollten uns einfach mal was gönnen. Vassilis sah aus wie eine magere Version von Charlie Chaplin (irgendwann reiche ich auch da ein Foto nach) – ich glaube kaum, dass er noch lebt, aber ich weiß es nicht.
    Gleich am zweiten Abend überfiel er mich mit dem Wunsch, frühmorgens am nächsten Tag mit uns nach Pánormos zu fahren, wo er Zigaretten für das Lokal kaufen wollte. Solche Ausflüge waren mir ja schon Janni und Kókkinos Pýrgos bekannt, also sagte ich leichtsinnigerweise zu.

    Leichtsinnigerweise? Ja, denn Vassilis weckte uns um halb sieben in der Frühe. Das ist für einen Studenten – und dann noch in den Semesterferien – ein Synonym für "mitten in der Nacht"! Na, was sollte es, versprochen war versprochen … die beiden Engländer ließen wir aber weiter schlafen. Und wir tranken erst mal jeder drei griechische Kaffees, um wach zu werden.
    Dann fuhren wir nach Panormos, wo uns Vassilis vor einer recht einfach aussehenden ziemlich weit oben im Dorf zum Anhalten aufforderte, die tatsächlich schon geöffnet war. Er wollte seine Einkäufe erledigen, wir sollten es uns so lange hier gemütlich machen.
    Es dauerte kaum eine halbe Stunde und er kam mit mehreren Plastiktüten bepackt zurück. Wir verstauten diese im Auto und dann orderte er eine größere Menge Souvlaki bei der Wirtin und drei Flaschen Bier. Ja, ja, auch das kam uns bekannt vor.
    Um kurz nach neun Uhr waren wir dann zurück in Balí und Vassilis öffnete nun auch seine Taverne – wir gingen erst einmal Baden.

    Nach vier Nächten zog es uns dann wieder in den Süden, allerdings erst einmal nicht direkt nach Kókkinos Pýrgos, obwohl wir dort sicher schon erwartet wurden. Wir fuhren erst einmal nach Keramés, wovon uns Joan mehrfach vorgeschwärmt hatte. Nachdem wir den Gebirgszug überquert hatten, stoppten wir, denn wir hatten entdeckt, dass hier jede Menger wilder Oregáno wuchs. Da dieser zu meinen Lieblingsgewürzen zählt, hielten wir erst einmal reichliche Ernte.
    Keramés selbst allerdings entpuppte sich als völlig verschlafenes Nest. Da es außerdem zwischenzeitlich begonnen hatten, beschränkten wir unseren Aufenthalt auf einen Spaziergang über die Hauptstraße und ergriffen dann wieder die Flucht … nach Kókkinos Pýrgos, wo wir wie üblich mit großem Hallo begrüßt wurden. Auch die üblichen bekannten Stammgäste aus Deutschland, England, Österreich und der Schweiz waren wieder oder noch da ...

    Ein paar Tage später fragte uns Stelle, Jannis Frau, ob wir mit ihr und den Kindern zum Kloster Préveli fahren wollte. Dort würde am nächsten Tag ein großes Fest zu Ehren der wichtigsten Reliquie des Klosters stattfinden, dem Splitter vom Kreuz Christi in der Kirche, der in ein prächtiges Kreuz eingearbeitet wurde und angeblich Augenleiden heilt.
    Um diese Reliquie rankt sich eine berühmte Geschichte: Die deutschen Besatzer sollen während des zweiten Weltkriegs den Splitter aus dem Kreuz Christi gestohlen haben. Es nützte ihnen allerding wenig, da das wundersame Stückchen Holz seine Übermacht über die derzeit moderne Technik bewies. Die Motoren des Flugzeugs, mit dem es außer Landes gebracht werden sollte, weigerten sich hartnäckig, anzuspringen ... Erst als sich die Reliquie reumütig zurückgebracht wieder im Kloster befand, funktionierten diese und andere Motoren wieder.

    Natürlich wollten wir! Stella und die Kinder würden im Kloster übernachten, dass zu diesem Vorabend des großen kirchlichen Festes vielen Gläubigen eine Übernachtungsmöglichkeit (auf dem Fußboden) bot, und wir hatten ja unseren Bus, den wir vor dem Kloster parken konnten.
    Stella packte einige Fastenspeisen zusammen, denn am Vorabend des Festes wurde gefastet (aber sehr lecker gefastet!) und blühte auf der Fahrt und während des Aufenthalts im Kloster förmlich auf. Sie war offensichtlich froh, mal von Janni und der Taverne wegzukommen.
    Nur Jannis mopperte vorher und nachher ziemlich rum, er musste ja zwei Tage lang selbst arbeiten!
    Es war ein sehr netter Abend – wir schliefen hinterher wie gesagt im Bus vor dem Kloster – und auch der Gottesdienst am nächsten Tag war beeindruckend. Ich erstand eine ganz billige Abbildung des heiligen Kreuzes aus Plastik, die unseren Bus begleitete, so lange er lebte. Ich glaube, irgendwo habe ich sie immer noch …


    Nun war es schon fast Oktober und unsere letzte Woche war angebrochen. Ich rechnete allmählich mal unsere Finanzen durch. Dabei kam ich zu dem Ergebnis, dass wir eigentlich ganz gut im Soll lagen, was nach dieser langen Zeit erstaunlich war), einzig und allein die unvorgesehenen Arzneikosten wegen Yvonnes Abszess hatten eine heftige Bresche von etwa 140 DM in unsere Reisekasse geschlagen.

    Also beschloss ich, am Tag vor der Abreise nach Iráklion zur IKA (staatliche Krankenkasse) zu fahren, weil ich hoffte, dass man mir dort bei Vorlage der Quittung und Yvonnes internationalen Krankenscheins das Geld erstatten würde.

    Das Gebäude der IKA in der Odós Agíou Miná fand ich schnell, war aber schon ein wenig beeindruckt, als ich in der Empfangshalle die Schlangen vor den diversen Schaltern sah. Irgendwie fand ich heraus, wo ich mich anzustellen hatte und war nach geraumer Zeit auch dran. Erwartungsvoll schob ich die genannten Papiere über den Tresen. Der Mensch am Schalter schaute sie sich eine ganze Weile an und bedeutete mir dann, mit dem internationalen Krankenschein könne man hier nichts anfangen. Dazu müsse mir erst ein sog. "Vivliário" ausgestellt werden, welches wohl den nationalen Krankenschein darstellte.
    Also fragte ich, ob man mir hier dieses Vivliário ausstellen könnte. Die Antwort erinnerte an Radio Eriwan: "Im Prinzip schon ... aber dafür müssen Sie in den zweiten Stock, Zimmer x!"

    Also nahm ich tapfer meine Unterlagen wieder an mich und wanderte die Treppe empor in den zweiten Stock. Einen Fahrstuhl gab es nicht, denn bei der IKA sorgte man schließlich für die Gesundheit der Kundschaft.
    Ich fand das entsprechende Zimmer, musste auch hier eine Weile warten, durfte dann aber eintreten und brachte mein Anliegen vor. Der Beamte (?) betrachtete sich meine Unterlagen und holte dann ein mehrseitiges Formular aus dem Schreibtisch. Mühsam schrieb er Yvonnes persönliche Daten aus dem Reisepass ab – ja, ich hatte sogar daran gedacht, mir von einem Einheimischen aufschreiben zu lassen, dass Yvonne mich ermächtigte ... dieses Papier schien die ausreichende Anerkennung zu finden. Als das Formular endlich fertig war, musste ich unterschreiben, einige Stempel landeten auf dem Papier ... und die Reise ging weiter.
    Am Zielort fand ich einen (offensichtlich) Arzt vor, er trug einen weißen Kittel. Dieser las sorgfältig das Antragsformular von Anfang bis Ende durch, betrachtete Yvonnes Vollmacht und Krankenschein und beäugte schlussendlich auch die beiden Apothekenquittungen.
    Er legte sie wieder weg und durchwühlte die Unterlagen noch einmal. Dann schaute er mich an?
    "Ke pou íne i sintají?" (Wo ist das Rezept?)
    "Den to xéro. Mállon akóma sto farmakío. I stélnoun tis syntajés kápou?" (Das weiß ich nicht. Wahrscheinlich noch in der Apotheke. Oder schickt man die Rezepte irgendwo hin?)
    Es ging noch ein bisschen hin und her, aber das Ende vom Lied war ... ohne Rezept hatte ich keine Chance. Blieb nur zu hoffen, dass der Apotheker in Timbáki das Rezept noch finden würde. Morgen hatte ich ja auch noch Zeit, mein Glück erneut zu versuchen. Sicherheitshalber würde ich Yvonne mitnehmen – wir mussten ja sowie zur Abendfähre und waren darüber hinausmit der netten Chaniotin verabredet.

    Ich hatte Glück: Der Apotheker in Timbaki hob anscheinend alle Rezepte bis an sein Lebensende auf, er hatte eine ganze Schublade voll davon. Und ... er fand unser Rezept. Ich atmete auf. Nun würde ich also morgen sicher das Geld bekommen ... das Vivliário hatte ich ja schon. Wie ich später feststellte, war das noch gar nicht das Vivliário – nur der (erste) Antrag dafür ...

    Bald mehr – Fotos reiche ich später nach, ich komme momentan nicht zum Scannen.
    Gruß Klaus
    Geändert von Kreta-Klaus (1.May.2008 um 20:11 Uhr) Grund: Ergänzung, siehe oben

  16. #56
    MaNischma Gast

    Standard AW: Kreta 1977

    Was heißt eigentlich "Gesundheitsreform" auf Griechisch :laugh: ?

  17. #57
    Registriert seit
    1.May.2007
    Ort
    Norden, davor Lübeck
    Beiträge
    81

    Standard AW: Kreta 1977

    Hallo Klaus,

    tolle Erinnerungen, die Du uns hier servierst.
    Vielen Dank dafür!

    Ich bin gespannt, wie es weitergeht und bewundere Deine Ausdauer im griechischen Gesundheits(un)wesen.

    Viele Grüße
    Herbert

  18. #58
    Henry Gast

    Standard AW: Kreta 1977

    Hallo Klaus,

    ich kann mir zwar ungefähr denken, wie es weitergeht, bin aber doch gespannt auf den weiteren Verlauf Deiner Geschichte. :)

    Henry

  19. #59
    Registriert seit
    5.March.2008
    Beiträge
    1.563

    Standard AW: Kreta 1977

    Hallo Klaus,

    Deine Geschichte lese ich gern, Du hast auch von viele Kreta-Reise etwas zu erzählen. Deine Beschreibung von den damaligen Griechischen ämtlichen Mühlen... wann Du darüber weiter schreiben willst, ERST MAL NEUE SERVERRAUM RESERVIEREN bzw. welche extra Harddisks kommen lassen !

    Grüße,
    Nimmmi

  20. #60
    Kreta-Klaus Gast

    Standard AW: Kreta 1977

    Hallo,
    ich habe den vorigen Teil noch einmal um ein ganzes Stück ergänzt, welches mir entfallen war. Diese Ergänzung ist blau gekennzeichnet ...
    Freut mich, dass es Euch gefällt!
    Gruß Klaus

  21. #61
    Kreta-Klaus Gast

    Standard AW: Kreta 1977

    8. und letzter Teil 1977

    Am nächsten Tag nahmen wir wieder einmal Abschied von Kókkinos Pýrgos, was uns wie immer schwer fiel. Wenn ich mir das heute noch mal so überlege, verstehe ich das gar nicht so richtig, aber sicherlich waren es die Menschen, denen wir damals begegneten. Den vielen einheimischen Freunden und Bekannten und natürlich auch den anderen KP-Bekloppten, die immer wieder kamen. Wahrscheinlich war es so ähnlich wie etwa zur gleichen Zeit in Paleochóra, nur ist Pale schon ein wenig (nein, eigentlich viel) hübscher. So hat halt jedes Tierchen sein Plaisirchen oder Vorlieben …

    Also zurück nach Iráklion und zur IKA. Diesmal nahm ich Yvonne mit rein, denn nach den bisherigen Erfahrungen erwartete ich fast, dass meine handschriftliche Vollmacht irgend einem wichtigen Menschen plötzlich nicht mehr reichen würde.
    Da ich den Antrag, die andren bisherigen Unterlagen und nun auch das bzw. die beiden Rezepte bei mir hatte, gingen wir gleich durch in den zweiten Stock zu dem Herrn im weißen Kittel.
    Wieder betrachtete er sich sorgfältig und akribisch alle Papiere, dann nickte er gnädig, öffnete seine Schreibtischschublade und zog … ein Antragsformular hervor. Mein Gott, nein, nicht noch eins. Es dauerte eine halbe Stunde, bis wir sein Büro mit dem unterschriebenen und abgestempelten Vivliário verließen und uns auf die Suche nach einem Büro im 1. Stock machten, zu dem er uns geschickt hatte.

    Wir fanden es: Es war ein Großraumbüro mit etwa 15 Schreibtischen, die alle besetzt waren. An der Tür liefen wir auf eine freundliche Dame auf, die das Büro wie ein Zerberus "bewachte". Wir legten ihr alle Unterlagen vor, die sie aufmerksam studierte und uns dann an einen Schreibtisch ganz am hinteren Ende des Raumes verwies. Während wir den Raum durchquerten, entdeckte ich voller Überraschung und Vorfreude, dass sich hier in diesem Büro offensichtlich auch die Kasse befand. Und zwar in einem hölzernen, abschließbaren Verschlag an einer Seitenwand des Raumes. Sie war sogar geöffnet, es standen ein paar Leute davor.

    Wir erreichten den besagten Schreibtisch und wurden gnädig aufgefordert, Platz zu nehmen. Die also für uns zuständige Dame studierte mit Bärenruhe unsere Unterlagen, dann … Ihr wisst sicher, was jetzt kommt. Sie öffnete ihre Schreibtischschublade …
    Inzwischen leicht bis ziemlich genervt fragten wir, wie viele Büros und wie viele Formulare wir denn jetzt noch vor uns hätten. Doch sie beruhigte uns mit einem sanften Lächeln: Was sie da ausfülle, sei die Auszahlungsanweisung, mit der wir im Anschluss zur Kasse gehen könnten … und dann würden wir das Geld bekommen! Wir frohlockten innerlich …

    Die Dame war noch mitten in ihrer Arbeit, als das Fenster des Kassenhäuschens geschlossen wurde und ein recht dicker Mann mit einem großen Schnauzbart durch eine Seitentür heraustrat.
    Er rief laut durch den Raum: "Mía i óra, tha klíso tóra méchri stis pénte!" (Es ist ein Uhr, ich mache jetzt bis um Fünf zu!)

    In Windeseile überschlug ich die Zeit: Um sieben Uhr würde die Fähre abfahren, ich wollte die erhaltenen Drachmen zum Teil in die Tickets umsetzen, denn ein Rücktausch wäre doch recht verlustreich gewesen. Aber nach fünf Uhr noch ein Ticket für das Auto zu bekommen, schien mir trotz der Jahreszeit zu risikobehaftet.

    Also gingen in diesem Moment ganz nach griechischem Temperament endgültig die Pferde durch. Ich stand auf und brüllte (jawohl: brüllte!!!) durch den großen Raum: "An tha klísis tóra, tha káno to tamío sou ólo jialiá karfiá!" (Wenn du jetzt zu machst, haue ich dir deine Kasse zu Kleinholz!). Das mochte zwar nicht ganz grammatikalisch korrekt sein, aber verstand es und zuckte mit den Schultern.
    "Endaxi, tha periméno!" (OK, ich warte!)
    Offensichtlich hatte ich Schaum vor dem Mund und er hatte Sorge, ich würde ihn beißen und mit meiner Tollwut anstecken.
    Unsere Sachbearbeiterin lächelte milde und schien sich jetzt etwas mehr zu beeilen. Und es geschahen Zeichen und Wunder. Wir gingen mit der Anweisung zur Kasse, die nun wieder geöffnet war … und wir bekamen das Geld! Ja, wirklich und tatsächlich! Wir glaubten es kaum, aber die Scheine in unserer Hand fühlten sich nicht virtuell, sondern ganz real an.
    Wir wünschten dem Kassierer einen "Guten Appetit" und sahen zu, dass wir Land gewannen, denn auch wir wollten noch etwas essen, vorher allerdings unsere Mitfahrerin aus Chaniá treffen, um gemeinsam die Fährtickets zu kaufen.

    Es klappte alles: Sie war da, wir bekamen Tickets … und dann ließen wir es uns im damals noch guten – nein, sehr guten – Restaurant "Knossos" am Brunnenplatz schmecken. Heute ist es eher ein Studentenlokal, sehr schade.

    Wir fuhren aus bekannten Gründen wieder recht früh auf die Fähre, nachdem wir vorher noch Jorgo in Athen angerufen hatten. Ob er denn morgen früh an der Fähre sein würde und ob seine Einladung noch gelte?
    Natürlich lautete die Antwort "sowohl als auch".

    Tatsächlich stand er mit seinem roten Simca unten auf der Hafenmole, als die Fähre in Piräus anlegte. Wir begrüßten uns herzlich, nachdem ich den Bus aus dem Bauch des Schiffes gefädelt hatte, dann fuhren wir hinter ihm her bis zum Haus seiner Eltern. Ich weiß im Moment nicht mehr, wie das Viertel heißt, wo sie wohnten, aber es war eindeutig ein "besseres Viertel" – hier standen keine Reihenhäuser oder Mietwohnungen, sondern kleine bis größere Villen.
    Das Haus von Jorgos Eltern war eines der größeren. Wir drei bekamen eine kleine Einliegerwohnung mit zwei Schlafzimmern und Bad angewiesen, in der normalerweise Jorgos wohnte, er zog so lange in eines der anderen reichlich vorhandenen Zimmer – es war ja nur für eine Nacht.
    Wir nutzten erst einmal die Gelegenheit, uns ausführlich der Körperpflege zu widmen, wann hatten wir denn das letzte Mal eine warme Dusche gehabt? Danach machte Yvonne mich stadtfein und Jorgos zog mit uns bis abends in seinem Auto durch Athen … unter anderem stiegen wir auch auf den Lykavittós.
    Für den Abend waren wir bei den Eltern zum Essen eingeladen. Jorgos Vater war Professor und das waren ja die, die auch Jahre nach Einführung der "Dimotiki" (Volkssprache) als Amtssprache immer noch der "Katharévoussa" verbunden waren und sie auch sprachen. Also verstand ich nicht viel von dem, was er sagte, aber als ich merkte, dass er angesichts meines in den letzten Wochen angeeigneten kretischen Tonfalls schmerzlich zusammenzuckte, machte ich mir einen Heidenspaß daraus, immer bevor ich "und" sagte, eine kurze Pause einzulegen, und dann ein breites kretisches "tche" hervor zu stoßen. Er zuckte wirklich jedes Mal zusammen, es schien ihm weh zu tun … eigentlich war es gemein von mir.

    Am nächsten Morgen fuhren wir weiter nach Thessaloniki, wo wir auch eine Nacht verbrachten und köstlich in einem von Studenten sehr frequentierten Lokal aßen – einfach und preiswert, aber hervorragend. Sowieso ist die Küche Nordgriechenlands besonders zu preisen … ich weiß zwar weder, wie der Platz heißt und ob es das Lokal noch gibt, wiederfinden würden wir es aber sicher.

    Von der weiteren Rückfahrt gibt es keine neuerlichen Verkehrskatastrophen zu berichten außer einer Verwarnung wegen Überholens im Überholverbot. Die erste richtige Station machten wir in der Steiermark, wo wir uns mal wieder ein Zimmer, einen herrlichen Tafelspitz und ein paar frisch gezapfte Biere (so etwas war damals in Kreta gänzlich unbekannt) gönnten. Yvonne trank trotzdem Wein …

    Und am nächsten Mittag trudelten wir dann in München ein, wo wir noch einige gemütliche Tage mit Irene und Klaus verbrachten, die uns in den Englischen Garten, natürlich auf den Viktualienmarkt (ich liebe es wirklich, Rostbratwürstchen mit Sauerkraut und zwei halben Moaßn zu frühstücken!) und in das eine oder andere Brauhaus führten (nicht ins Hofbräuhaus, zum Glück!).
    Nur als sie uns am nächsten Abend in ein griechisches Lokal schleppen wollten, legten wir Protest und Veto ein: Nach einer so langen Zeit in Griechenland stand uns der Sinn jetzt mal nach etwas anderem … und sie hatten Verständnis dafür.

    Pünktlich zu Semesterbeginn trudelten wir wieder in Köln ein … das Ende unseres längsten Urlaubs auf der Insel mit noch viel mehr Eindrücken, als ich hier schildern konnte.
    Damit ist der Bericht über dieses Jahr zu ENDE.
    Fotos folgen wie gesagt noch ein paar, aber habt Geduld, momentan bin ich beruflich sehr stark eingespannt. Und es geht ja irgendwann mit anderen Jahren noch weiter.
    Gruß Klaus
    Geändert von Kreta-Klaus (2.May.2008 um 10:36 Uhr) Grund: Ein paar Tippfehler korrigiert!

  22. #62
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    Standard AW: Kreta 1977

    Zitat: "Offensichtlich hatte ich Schaum vor dem Mund"

    Klaus, Wenn du 31 Jahr her gewüßt hätte, daß das Schaum heute eine Festplatte spart... dann hättest Du dich gefragt was eine Festplatte ist :smiley8:.

    Gruß, Nimmi

  23. #63
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    Standard AW: Kreta 1977

    ....einfach herrlich, Klaus !! DANKE !

    Es ist super spannend und interessant Deine Berichte zu lesen !
    Freu mich schon auf Fotos.......
    Viele Grüße von
    Britta

    Kreta, meine zweite "Heimat".

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