kalimera09
23.January.2012, 19:13
Eva Lang in der Griechenland-Zeitung vom 04.01.2012:
Um es vorweg zu sagen: Ich lebe gerne in Griechenland, immer noch. Doch manchmal erlebe ich Geschichten, die sind einfach unglaublich: Vor 15 Jahren bekam unser Haus einen Telefonanschluß, den Vertrag unterschrieb mein Ehemann. Drei Jahre später starb er. Nun meint mein jetziger Lebenspartner, unser Internet würde besser funktionieren, wenn ich die ISBN-Leitung kündigen würde. Die technischen Aspekte sollen uns hier nicht interessieren. Es geht darum, dass ich ein Detail an dem Vertrag ändern will, den mein Mann mit der griech. Telefongesellschaft OTE abgeschlossen hatte.
Als ich erstmals versuchte, den ISBN-Anschluß loszuwerden, sagte man mir, daß dazu der Vertrag auf mich umgeschrieben werden müsse. Ich müsse die Sterbeurkunde mitbringen, die Steuernummer meines verstorbenen Mannes, meine eigene Steuernummer, meinen Ausweis.
Bei meinem nächsten OTE-Besuch fragte mich eine knallbunt geschminkte Angestellte überhaupt nicht nach Papieren, sondern wollte wissen, ob ich Kinder habe. Naiv bejahte ich das. Dramatisch seufzend sagte sie, dass meine Kinder Anspruch auf den Vertrag erheben könnten. Daher brauche die OTE schriftliche Bestätigung, dass sie mit die Namensänderung einverstanden sind. Weil beide Kinder inzwischen in Deutschland leben, müssten diese Schriftstücke ins Griechische übersetzt werden.Ich versuchte der Farbenfrohen klar zu machen, wie umständlich das sein würde, sie aber wandte sich mit einer eleganten Drehung auf ihren Highheels dem nächsten Kunden zu.
Ich war völlig überrumpelt, doch dann sagte ich mir, dass ich ja wohl nicht umsonst schon so viele Jahre in diesem Land lebe. Ich würde einfach etwas Zeit vergehen lassen, dann mein Anliegen erneut vorbringen und schlimmstenfalls meine Kinder verleugnen!
Mit dem Vorsatz, mich als kinderlose Witwe zu präsentieren, stattete ich der Telefongesellschaft den nächsten Besuch ab. Diesmal hatte ich einen Gesprächspartner mit enormem Bauchumfang und offensichtlich noch mächtigerem Hunger. Während er ein Schinken-Käse-Sandwich verspeiste, erklärte er, ich müsse nachweisen, dass kein anderes Familienmitglied Anspruch erheben wolle auf die vermaledeite Telefonleitung. Also brauche ich eine beglaubigte Erklärung, aus der hervorgeht, dass weder Eltern noch Geschwister noch Kinder meines verstorbenen Mannes etwas gegen die Vertragsänderung einzuwenden haben. Nun sind die Eltern meines Mannes lange tot, Geschwister hatte er nie, und Kinder - ja, ich log ohne mit der Wimper zu zucken - gebe es auch nicht. Das müsse ich schon beweisen, beschied kauend der Dicke. Da wir Deutsche seien, müsse ich mich an der Einwohnermeldeamt an unserem früheren deutschen Wohnort wenden.
Noch am gleichen Tag telefonierte ich mit meiner griechischen Rechtsanwältin. Die war mit mir der Ansicht, dass wir mehr Aussicht auf Erfolg haben würden, wenn sie mich begleiten würde.
Eine Woche später suchten wir also gemeinsam die heiligen Hallen der OTE in Kalamata auf. Und meine routinierte Anwältin erhielt zunächst die gleiche Auskunft wie ich. Also, wir bräuchten jene Auskunft vom Einwohnermeldeamt. Dies sei doch sehr umständlich, entgegnete meine Anwältin und fragte, ob es denn keine andere Möglichkeit gäbe. Doch, selbstverständlich! Falls ich sechs selbst bezahlte Telefonrechnungen vorzeigen könne und dazu noch den Erbschein, dann sei alles kein Problem - vorausgesetzt, ich würde auch die Steuernummern mitbringen, die Sterbeurkunde und meinem Ausweis. Bingo!
Ausgestattet mit sämtlichen Telefonrechnungen der vergangenen 15 Jahre, dem Erbschein und allen erdenklichen Unterlagen schritt ich erneut zur Tat. Diesmal landete ich wieder bei Jorgos, dem Angestellten, der mir im Frühling mitgeteilt hatte, dass der Vertrag erst einmal auf mich umgeschrieben werden müsse. Jorgos ist ein junger OTE-Mitarbeiter, seine flott gegelte Igelfrisur, seine wachen dunklen Augen, ja sein gesamtes Auftreten lassen hoffen, dass er auch ungewöhnliche Aufgaben bewältigen wird. Jorgos fertigte von allen Papieren Fotokopien an. Dann vergewissserte er sich bei einem Kollegen, dass er in dieser komplizierten Angelegenheit korrekt vorging. Schließlich machte er sich in Papierstapeln auf seinem Schreibtisch auf die Suche nach einem Formular. Fand es endlich, füllte es achselzuckend und lamentierend ob des gigantischen Papierkriegs aus, reichte es schließlich an mich zur Unterschrift. Die gab ich ihm ohne zu zögern.
Jetzt würde ich gern den ISBN-Anschluß kündigen, sagte ich dann kühn.
Jorgos musterte mich sekundenlang, bevor er antwortete: So schnell gehe das nicht, jetzt müsse ich erst einmal mit zwei, drei Wochen Wartezeit rechnen. So lange würde es schon dauern, bis die Papiere geprüft wären. Noch jetzt, Stunden später, frage ich mich, ob er mit todernster Miene scherzte oder tatsächlich ernst meinte, was er abschließend zu mir sagte: "Jetzt werde die OTE erst einmal einen Brief an meinen verstorbenen Mann schicken, und wenn dieser nicht darauf antworte, werde man schließlich den Vertrag auf mich überschreiben".
Um es vorweg zu sagen: Ich lebe gerne in Griechenland, immer noch. Doch manchmal erlebe ich Geschichten, die sind einfach unglaublich: Vor 15 Jahren bekam unser Haus einen Telefonanschluß, den Vertrag unterschrieb mein Ehemann. Drei Jahre später starb er. Nun meint mein jetziger Lebenspartner, unser Internet würde besser funktionieren, wenn ich die ISBN-Leitung kündigen würde. Die technischen Aspekte sollen uns hier nicht interessieren. Es geht darum, dass ich ein Detail an dem Vertrag ändern will, den mein Mann mit der griech. Telefongesellschaft OTE abgeschlossen hatte.
Als ich erstmals versuchte, den ISBN-Anschluß loszuwerden, sagte man mir, daß dazu der Vertrag auf mich umgeschrieben werden müsse. Ich müsse die Sterbeurkunde mitbringen, die Steuernummer meines verstorbenen Mannes, meine eigene Steuernummer, meinen Ausweis.
Bei meinem nächsten OTE-Besuch fragte mich eine knallbunt geschminkte Angestellte überhaupt nicht nach Papieren, sondern wollte wissen, ob ich Kinder habe. Naiv bejahte ich das. Dramatisch seufzend sagte sie, dass meine Kinder Anspruch auf den Vertrag erheben könnten. Daher brauche die OTE schriftliche Bestätigung, dass sie mit die Namensänderung einverstanden sind. Weil beide Kinder inzwischen in Deutschland leben, müssten diese Schriftstücke ins Griechische übersetzt werden.Ich versuchte der Farbenfrohen klar zu machen, wie umständlich das sein würde, sie aber wandte sich mit einer eleganten Drehung auf ihren Highheels dem nächsten Kunden zu.
Ich war völlig überrumpelt, doch dann sagte ich mir, dass ich ja wohl nicht umsonst schon so viele Jahre in diesem Land lebe. Ich würde einfach etwas Zeit vergehen lassen, dann mein Anliegen erneut vorbringen und schlimmstenfalls meine Kinder verleugnen!
Mit dem Vorsatz, mich als kinderlose Witwe zu präsentieren, stattete ich der Telefongesellschaft den nächsten Besuch ab. Diesmal hatte ich einen Gesprächspartner mit enormem Bauchumfang und offensichtlich noch mächtigerem Hunger. Während er ein Schinken-Käse-Sandwich verspeiste, erklärte er, ich müsse nachweisen, dass kein anderes Familienmitglied Anspruch erheben wolle auf die vermaledeite Telefonleitung. Also brauche ich eine beglaubigte Erklärung, aus der hervorgeht, dass weder Eltern noch Geschwister noch Kinder meines verstorbenen Mannes etwas gegen die Vertragsänderung einzuwenden haben. Nun sind die Eltern meines Mannes lange tot, Geschwister hatte er nie, und Kinder - ja, ich log ohne mit der Wimper zu zucken - gebe es auch nicht. Das müsse ich schon beweisen, beschied kauend der Dicke. Da wir Deutsche seien, müsse ich mich an der Einwohnermeldeamt an unserem früheren deutschen Wohnort wenden.
Noch am gleichen Tag telefonierte ich mit meiner griechischen Rechtsanwältin. Die war mit mir der Ansicht, dass wir mehr Aussicht auf Erfolg haben würden, wenn sie mich begleiten würde.
Eine Woche später suchten wir also gemeinsam die heiligen Hallen der OTE in Kalamata auf. Und meine routinierte Anwältin erhielt zunächst die gleiche Auskunft wie ich. Also, wir bräuchten jene Auskunft vom Einwohnermeldeamt. Dies sei doch sehr umständlich, entgegnete meine Anwältin und fragte, ob es denn keine andere Möglichkeit gäbe. Doch, selbstverständlich! Falls ich sechs selbst bezahlte Telefonrechnungen vorzeigen könne und dazu noch den Erbschein, dann sei alles kein Problem - vorausgesetzt, ich würde auch die Steuernummern mitbringen, die Sterbeurkunde und meinem Ausweis. Bingo!
Ausgestattet mit sämtlichen Telefonrechnungen der vergangenen 15 Jahre, dem Erbschein und allen erdenklichen Unterlagen schritt ich erneut zur Tat. Diesmal landete ich wieder bei Jorgos, dem Angestellten, der mir im Frühling mitgeteilt hatte, dass der Vertrag erst einmal auf mich umgeschrieben werden müsse. Jorgos ist ein junger OTE-Mitarbeiter, seine flott gegelte Igelfrisur, seine wachen dunklen Augen, ja sein gesamtes Auftreten lassen hoffen, dass er auch ungewöhnliche Aufgaben bewältigen wird. Jorgos fertigte von allen Papieren Fotokopien an. Dann vergewissserte er sich bei einem Kollegen, dass er in dieser komplizierten Angelegenheit korrekt vorging. Schließlich machte er sich in Papierstapeln auf seinem Schreibtisch auf die Suche nach einem Formular. Fand es endlich, füllte es achselzuckend und lamentierend ob des gigantischen Papierkriegs aus, reichte es schließlich an mich zur Unterschrift. Die gab ich ihm ohne zu zögern.
Jetzt würde ich gern den ISBN-Anschluß kündigen, sagte ich dann kühn.
Jorgos musterte mich sekundenlang, bevor er antwortete: So schnell gehe das nicht, jetzt müsse ich erst einmal mit zwei, drei Wochen Wartezeit rechnen. So lange würde es schon dauern, bis die Papiere geprüft wären. Noch jetzt, Stunden später, frage ich mich, ob er mit todernster Miene scherzte oder tatsächlich ernst meinte, was er abschließend zu mir sagte: "Jetzt werde die OTE erst einmal einen Brief an meinen verstorbenen Mann schicken, und wenn dieser nicht darauf antworte, werde man schließlich den Vertrag auf mich überschreiben".