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Ouarike
2.February.2008, 17:58
Ich war damals Anfang zwanzig, lebenshungrig und blieb spontan in Agia Galini hängen. Hier nun mein literarisch verarbeitete Erlebnis



Poli romantiko

Agía Galini, 1980

Von einem scheppernden Klopfen an der Metalltür wurde ich wach.
„Rika, Rika!“, hörte ich meine Wirtin Angelika rufen. Es war noch früh am Morgen. Benommen schaute ich auf die Uhr, dann hörte ich die Stimmen meiner Freundinnen. Das durfte nicht wahr sein – träumte ich noch?
Ich schloss hastig die Tür auf. Sie hatten, ohne mich zu benachrichtigen, die Reise angetreten, um mich einfach auf Kreta zu besuchen. Die Überraschung war gelungen! Was hatte ich mich nach ihrer Gesellschaft verzehrt, und plötzlich standen sie da, Gabi und Ute, durchnächtigt und blass in Berliner Szeneklamotten. Was sollte ich nur mit ihnen anfangen, schoss es mir sofort durch den Kopf - bei diesen Arbeitszeiten, die ich bei diesem Spontan-Job als Reiseleiterin für eine Saison hatte!
„Hast uns einfach sitzen lassen!", rief Gabi erstmal aufgebracht. "Einen blöden Brief hast du uns geschrieben – und allen den gleichen. ´Kreta ein Traum! Die Sonne, die in die Seele dringt! Die Menschen! ´ Du bist doch nicht ganz dicht im Kopf, einfach aus dem Urlaub nicht wieder zu kommen! Einen Super-Job hast du in Berlin. Und, und ….hier wohnst du? Du spinnst wohl!“
Gabi verzog ihr Gesicht und betrachtete meine gemietete Garage, vor der schon früh morgens Lastwagen und Busse vorbei donnerten. Wir fielen uns in die Arme.
„Na ja, “ sagte sie nur, als ihr Blick auf zwei rostige Eisenbetten, den voll gestellten Wackeltisch mit Stuhl, den zerfledderten Plastikschrank fiel. Wenigstens ein Waschbecken hatte ich, auch wenn es halb aus der Wand heraus gebrochen war. Das war’s. Mir war es egal. Hauptsache auf Kreta sein, egal wie, auch wenn die Garage fast meinen ganzen Lohn kostete.
Schnell überflog ich im Kopf das Programm des Tages. Die Buchungslisten für die Hotels hatte ich am gestrigen Abend bereits erledigt. Kurzum, es gab nicht viel zu tun - so beschloss ich, meinen Chef um einen freien Tag zu bitten.
Nach dem Frühstück mit meinen Freundinnen, lief ich dann beklommen zum Büro. Die Worte legte ich mir zurecht, es würde nicht einfach werden. Manolis, empfing mich in seiner typischen Haltung: wie auf der Lauer hing er mit ausgebreiteten Armen über dem Schreibtisch und grunzte übellaunig 'Kali mera'. So eine Laune, das fing ja gut an. Ungeschickt stammelte ich meine Bitte. Er fuhr mich lautstark an, dass ich sofort die Koffer packen könne, wenn mir die Arbeit nicht passe, schließlich sei Saison, da werden die Zähne zusammengebissen. Aber ich blieb zäh und rechnete ihm vor, dass ich in den letzten zwei Monaten nicht einen Tag frei gehabt hatte, nicht einmal einen Samstag oder Sonntag. Schließlich gab er nach.
"Mach' dir einen schönen Tag mit deinen Freundinnen!" und zeigte seinen Missfallen mit giftigem Blick und fügte hinzu: "Aber um acht Uhr abends bist du wieder da und machst bis elf wie immer deine Arbeit!"
Tief erleichtert über die plötzliche Freiheit, zog ich die Tür hinter mir zu. Jetzt saß er allein hinter seinem Tisch, und konnte mir nicht in den Nacken starren und böse fragen, ob ich nichts zu tun hätte. In den nächsten Minuten würde ich schuldbewusst in einer Schublade kramen, und die bereits sortierten Prospekte sortieren, oder Bleistifte anspitzen. Und ganz sicher stände ich vorm Waschbecken in dem engen Toilettenraum und würde ihm jetzt einen Frappé schütteln. Bald käme ein Tourist mit einem Anliegen, und er würde gespannt horchen, was ich antworten würde, um mir ins Wort zu fallen. Es war übel bei ihm zu arbeiten, aber ich hatte seiner überforderten Frau Christa versprochen, die Saison durchzuhalten. Ich blieb nur ihretwillen in Agia Galini, das im Sommer vor Touristen zu bersten schien. Der fröhliche Urlauberradau verlieh diesem schwerblütigen Nest einen trügerischen Charme der Leichtigkeit.
Christa drohte ihm stets, dass sie mir auf der Stelle nach Deutschland folgen würde, falls er mich aus einer Laune entlassen würde, und das mitten in der laufenden Saison. Sie hatte Sehnsucht nach Berlin und ihrem Eisler-Chor. Nun hüpfte ich fast vor Freude zu meinen Freundinnen, die gespannt warteten. In Windeseile packten wir unsere Schwimmsachen und liefen zum kleinen Hafen. Ich schlug vor, in die nahe, einsame Bucht zu fahren, die ich so sehr liebte. Da war Ruhe. Wir suchten nach Kostas, der ein kleines Boot besaß, und immer bereit war, für eine kleine Summe Geld zu fahren. Wir fanden ihn in einer dunklen verrauchten Taverne. Er saß mit ein paar Fischern Bier trinkend bei einer lautstarken Unterhaltung. Die Männer verstummten, als sie mich nach Kostas rufen hörten. Bei dem Anblick drei junger Damen kam er sofort strahlend zu uns. Aber heute war er nicht geschäftswillig, er lehnte ab. "Nein, auf gar keinen Fall. Es gibt Sturm!"
„Ach, das Meer ist doch nur ein bisschen wellig!“ riefen wir bettelnd. Einer der Fischer trat auch heraus: "Fahr doch Kosta! Es dauert doch nicht lange - du bist doch gleich zurück!".
Kostas machte eine unwillige Geste, zögerte sichtbar, ging dann aber doch zum Boot vor. Äußerst bekümmert blickte er auf das Meer und startete den Motor. Das Boot stand fast senkrecht, als es über die Wellen hüpfte. Wir hatten unseren Spaß, die Gischt sprühte uns ins Gesicht.
"Das kostet mehr!" sagte Kostas kurz vor der kleinen Bucht, und: "Ich muss euch ja wieder holen!" Das kleine Boot tuckerte um die Felsen, die aus dem Meer herausragten und nach zwanzig Minuten waren wir da.
Aufgekratzt vor Freude sahen wir Kostas hinter dem runden Felsen verschwinden, da waren wir schon in das klare Meer gesprungen. Wohlig trockneten wir uns dann auf den Handtüchern in der Sonne, und unterhielten uns ausgiebig über unsere Freunde. Ich erzählte von Giorgios intensiven hellgrünen Augen, die mir sofort aufgefallen waren, als wir uns in einem Café begegneten. Die fremde Sprache irritierte mich nicht sehr, es war mir sogar lieb, denn in jener Zeit wurde in Deutschland sehr viel über Identitätsverlust in Beziehungen gesprochen. Wir waren alle auf der Suche nach unserem ´Ich´. Mit Giorgios konnte nichts durchdiskutiert und zerredet werden. Ich erzählte von unseren Ausflügen in felsige Buchten, und dass ich als Städterin ja gar nicht wusste, wie gewandt ich in steilen Felsenwänden klettern könnte. Und von meinen wöchentlichen Wanderungen durch die Samaria-Schlucht mit den Touristen.
Doch alles was ich zu erzählen hatte, meine Freundinnen blieben skeptisch.
"Die großen romantischen Augenblicke des Schweigens halten doch nicht ewig, obwohl sie doch die schönsten sind", meinte Ute.
"Ist er so wie die anderen Griechen, oder die große Ausnahme? Der ist also über dreißig?", resümierte Gabi mit geschlossenen Augen, und ließ den feinen Kieselsand durch ihre Finger rinnen, "wieso ist der nicht verheiratet? Na, ich weiß nicht! Da stimmt doch was nicht!"
Mir wurde ganz flau. Nie wäre ich auf diesen Gedanken gekommen, da er sich doch öffentlich mit mir zeigte.
„Niemals!“, verteidigte ich mich und schilderte den letzten Folkloreabend in Kamares mit der Touristengruppe in bunten Bildern. Dort spielte und tanzte Giorgios die Lyra für mich, und seine Freunde fotografierten uns. Ein übermütiger Tänzer in weißen Stiefel sprang mit einem Pfiff hinten auf meine Stuhllehne, balancierte kurz, sprang mit hochgeschlagenen Hacken hinab und tanzte weiter. Die Tische glichen Schlachtfeldern, Servietten wurden vom Wind in die Luft gewirbelt. Wenn ich an all´ das dachte... wir tanzten in den Scherben. Auf der Rückfahrt machten wir Halt, um auf der Straße noch einmal den Siganos, den Fünf- Schritt- Tanz zu tanzen. Der Busfahrer verfuhr sich, sodass wir fast in Rethymnon landeten. Und die Gäste fanden das toll!
„Einmal hatte ich drei Tage und Abende auswärts gearbeitet. Als ich in mein Zimmer kam, lag ein Zettel auf dem Tisch ´s´agapó poli! Meine Vermieterin schließt ihm doch oft die Tür auf. Er holt mich vom Büro ab, quatscht mit meinem Chef und meinem Kollegen, wir gehen essen und tanzen. Sitzen beim Gemüsemann und trinken Raki.“
Ich unterließ es aber zu erzählen, dass ich in letzter Zeit spürte, dass etwas in der Luft hing, denn sein Bruder verhielt sich seltsam. Ich fühlte mich verfolgt.
Gegen Mittag gingen wir in die kleine Taverne, die etwas oberhalb auf den Felsen in der Bucht lag. Hier saß ich immer gern mit Giorgios in der Mittagspause, es war romantisch, und das alte Ehepaar war sehr um seine wenigen Gäste bemüht. Sophia, eine gebeugte, dünne Frau in schwarzer Kleidung, kam an den Tisch, und drehte fragend ihre Hand nach außen. Sie wollte nur wissen, wie viel sie bringen solle von dem Kartoffelomelette, Brot, Oliven, Käse und Salat. Wir hatten großen Hunger. Den Blick auf das weite blaue Meer, saßen wir lange im Schatten des einzigen Feigenbaumes, träge plauderten wir, tranken Wein, stocherten im Salat.
Dass die Zeit wie im Flug vergangen war, merkten wir erst, als wir Kostas Boot antuckern hörten. Er kam zu uns an den Tisch, trank etwas Wein, und versuchte einen kleinen Flirt mit der blondhaarigen Ute. Es schien, als zöge er die Rückfahrt hinaus, denn er war einfach nicht zu bewegen, pünktlich abzufahren. Und ich wurde zunehmend unruhiger, denn ich fürchtete den Ärger im Büro.
Endlich - als die Sonne sich rötlich verfärbte, machten wir uns auf den Heimweg. Es wurde wirklich Zeit. Den Abend empfand ich furchterregend, da die ganze Zeit über ein seltsam tiefrotes Licht auf dem Meer lag. Übereinandergeschichtete Wolkenbänke strahlten sandigrot. Utes und Gabis Gesichter leuchteten. Sie lachten und waren begeistert über das Naturschauspiel. Ich blickte schweigend zu den kargen Felsen, in denen schwarze Ziegen flink umherhüpften. An eine unerklärliche Furcht erinnere ich mich, die mich befiel, je mehr wir uns dem Fischerdorf näherten. Den ganzen Tag konnte ich mich von einem Abschiedsgefühl nicht befreien. Irgendetwas passiert, ich spürte es.
In der letzten Dämmerung erreichten wir den Hafen. Der Urlaubsort war dunkel. Wieder einmal Stromausfall. Als wir durch die engen Gassen liefen, wurde es gespenstisch. Das gelbe Licht der Kerzen flackerte durch die Fenster. Schwarze Schattenbilder bewegten sich. Trockenes Laub raschelte. Aus der Ferne hörten wir das unruhige Gebell von Hunden. Eine große Stille setzte ein, dann brach der Sturm aus.
Schon schlug er an die Fensterläden und rüttelte an den Türen.
Schnell liefen wir den schmalen, steil ansteigenden Weg zu meiner Unterkunft hinauf. In großer Eile duschte ich mich. Als ich im Zimmer vor dem Spiegel am Waschbecken stand, konnte ich das Gefühl beobachtet zu werden, nicht loswerden. Das unruhige Flackern des Kerzenlichts und das ständige Quietschen der rostigen Gartentür von nebenan verstärkten dieses beängstigende Gefühl. Dann klappte die Fensterlade plötzlich so, wie vor wenigen Tagen mitten in der Nacht. Starr vor Angst vernahm ich da Schritte vor der Tür, die sich sehr langsam entfernten. Ich hatte Angst in jener Nacht. Seitdem hatte ich ein unruhiges Gefühl, dass nicht mehr von mir wich.
"Ich gehe jetzt ins Büro und treffe euch dann in irgendeiner Taverne. Ich werde euch schon finden!", rief ich Gabi und Ute zu, die ausgestreckt auf den Betten lagen und rauchten. Als ich die Tür hinter mir zuzog, knackte es im Distelgestrüpp hinter dem Haus. Was war das? Mein Herz schlug bis zum Hals. Es war inzwischen so dunkel geworden, dass ich die Hand vor Augen nicht mehr sehen konnte. Erst rührte ich mich nicht von der Schwelle und lauschte. Es raschelte, dann blökte ein Schaf. Erleichtert atmete ich auf. Fast rennend eilte ich zum Büro.
Was graulte ich mich vor Manolis! Doch als ich das Büro betrat, musste ich fast lachen. Es sah aus wie in einer Gruft. Mindestens ein Dutzend Kirchenkerzen steckten in Flaschen, die rundum in Regalen und Tischen verteilt waren. Manolis thronte wie ein Buddha in seinem gewaltigen Chefsessel. Sein kastenförmiger Schädel leuchtete orange im Kerzenschein. Als er mich eintreten sah, schob er seine massige Brust über den Schreibtisch vor.
"Uarike!" zischte er mit Unheil schwingender Stimme, "hau ab! Von deinem Typen war die Frau hier mit Familie zur Verstärkung. Sie kam wie ein Stier hier rein. Sie haben wie Wahnsinnige alles durchsucht, sogar das Klo, und sind erst vor kurzem abgehauen. Du wirst gesucht! Sie sind bewaffnet! Hau ab. Mach dich dünn – sie sind unberechenbar. Sie haben mich bedroht, weil sie dachten, ich decke dich!"
Flucht war mein erster Gedanke, bloß wohin um diese Zeit?
Schweißperlen waren auf seiner Stirn. Ich war wie vor den Kopf gestoßen.
"Du musst ganz schnell abhauen. Dein Freund ist verheiratet! Bring' dich in Sicherheit. Ganz schnell."
Zum ersten Mal in meinem Leben erfuhr ich, was nackte Angst ist und hatte dabei das Gefühl in einem abstürzenden Fahrstuhl zu stehen.
"Sie wollen mich umbringen?"
"Weiß ich nicht! Steh' hier nicht rum. Hau ab ... sie sind gefährlich", schnaubte er in tiefer Aufregung. Mir kam es so vor, als ob mein Körper in Ohnmacht falle, während der Kopf seltsamerweise ganz klar blieb. Langsam hob ich wie eine gewöhnliche Touristin einen Prospekt vom Schreibtisch, blätterte in ihm herum, und wendete mich dann zum Gehen. Jetzt war ich allein. Grausam allein. Als ich die Tür öffnete, schlug mir der heiße Wind ins Gesicht, das ich kaum atmen konnte. Mit aller Kraft nahm ich mich zusammen, als ich die ersten Schritte auf die Straße setzte. Das Kleid flatterte im Wind, als ich mit aufrechtem - betont schlenderndem Voltaschritt! - an den dunklen Menschenmengen, die in den Tavernen saßen, vorbeiging. Überall standen Öllämpchen auf den Tischen. Doch in dem schwachen Licht konnte man keine Personen erkennen. Wie sollte ich jemals meine Freundinnen finden? Am Ende der Gasse angelangt, hörte ich meinen Namen rufen. Es war Ute, die mir so unbefangen in ihrer rheinländischen Frohnatur entgegen jubelte. Alle hörten meinen Namen! Nun vor Angst fast zitternd, tappte ich suchend in ihre Richtung.
Gabi und Ute hatten inzwischen Hans und Klaus kennen gelernt, Bekannte von mir, die ein paar Monate der Schweiz fernbleiben mussten, wegen Hausbesetzter-Geschichten. Sie saßen fröhlich plaudernd beieinander und ahnten noch nicht, in welcher Gefahr ich steckte. Erleichtert sank ich neben Hans auf einen freien Stuhl.
Mit erstickter Stimme erzählte ich, in welcher Situation ich steckte. Hans lachte erst amüsiert. Sie alberten! Klaus fielen gleich drei mysteriöse Morde auf Kreta ein – Opfer: Touristen.
„Hans versteh, ich muss abhauen, sofort!“, rief ich genervt.
Keiner wusste zunächst einen Rat. Dann kramte Hans entschlossen in seiner Hosentasche. "Hier nehmt den Schlüssel. Der Volvo steht unten im Hafen. Fahrt über den Landweg in die Bucht zu den Alten. Dort wird man dich nicht suchen, Uli. Los jetzt, und schön unauffällig benehmen. Keine Hektik."
Im Schlenderschritt der Touristen liefen wir zum Hafen. Mir versagten fast die Beine, die Angst war einfach nicht länger auszuhalten. Nach dem längsten Marsch meines Lebens - zweihundert Meter - erreichten wir endlich das Auto. Die Fahrt ging durch eine mondlose schwarze Nacht. Mit dem schweren Volvo war es mühsam, durch die tiefen Schlaglöcher der Holperpfade zu fahren.
Endlich sahen wir in der Ferne das schwache Licht der Petroleumlampe. Sophia und Petros hatten das Auto kommen hören und warteten. Sie schienen nicht überrascht, uns drei junge Frauen bei Nacht zu empfangen. Sophia brachte uns zum zweiten Mal an diesem Tag Käse, Omelette, Salat, Oliven und Wein an den Tisch. Auch schienen sie nicht überrascht, dass wir bei ihnen übernachten wollten, schließlich hatten sie ein Gästezimmer. Petros kehrte den Raum und bezog die Betten. Es wurde tiefe Nacht bei dem schweren Landwein, als wir, noch immer zutiefst beunruhigt, zu Bett gingen. Ich verspürte bleierne Müdigkeit. Nur noch schlafen, tief schlafen...
Als ich am Morgen aus der traumlosen Dunkelheit auftauchte, war es schon heller Tag geworden. Ein Zettel lag neben meinem Bett.
Gabi und Ute waren losgefahren, um mein ´Zimmer´ zu zahlen und meine Taschen zu packen. Gespannt wartete ich.
Sie kamen mit Hans zurück. Meine Wirtin Angelika hatte Kuchen mitgegeben und Christa ließ ausrichten, dass sie mittags mit dem Boot käme, um alles zu bereden und sie sich in der Zwischenzeit um einen Rückflug kümmern würde. Im Allgemeinen riet man mir dringend ab, in den Ort zu kommen.
So war ich in der Verbannung drei Tage lang, meine Freundinnen blieben bei mir. Wir hatten immer Besuch, am Tag kamen sie mit dem Boot, am Abend mit dem Auto. Das ständige Gefühl, dass man mich hier finden könnte, wich nicht von uns. In mir war kein Schmerz. Ich fühlte mich leer. Am letzten Abend, es war schon eher Nacht, hörten wir von weit entfernt ein Motorrad näher kommen. Am Knattern hörte ich, dass es die alte BMW von Giorgios war. Völlig aufgelöst kam er an den Tisch, und war sichtbar erleichtert, uns hier nach langer Suche anzutreffen.

Dann kam der Abschied. Nicht kretisch und mannhaft. Er weinte. Es war wirklich traurig.
Wortlos lauschten wir dann dem immer leiser werdenden Knattern der alten Maschine. Mit verzerrtem Gesicht, um die Tränen zu unterdrücken, schaute ich in die stiller werdende Dunkelheit.

mino
2.February.2008, 18:31
Sehr schön und mal ganz anders!
Schön, dich hier im Forum zu finden!:)

Manniki
2.February.2008, 20:00
Eine Geschichte die einem zum nachdenken anregt. Wie endet sie?. Happy End?oder:bash:

Kreta-Klaus
2.February.2008, 20:11
Ich kann es nur mit einem Satz ausdrücken: Ich bin sehr beeindruckt.
Aber auch solche Dinge, die der Tourist nicht wahrnimmt, verbergen sich hinter der so heilen kretischen Welt. Das Leben schreibt härtere Krimis als ich ...
Gruß Klaus

Ulli
2.February.2008, 23:07
Vielen Dank fuer diese sehr persoenliche Geschichte!
Und dann auch noch so gekonnt geschrieben, dass man das Gefuehl hat, man sei dabei gewesen.
Ich kann kaum erwarten, wie es weitergehen wird.
Momentan ist es schwer an ein Happy End zu glauben, aber Deine Ueberschrift "Poli romantiko" laesst mich hoffen...

Britula
2.February.2008, 23:59
Hallo Quarike,

....eine sehr ergreifende und spannend geschriebene Geschichte !
Warte schon auf den nächsten Teil.

Ilona
3.February.2008, 00:43
Hallo Quarike,

sehr spannende und aufregende Geschichte.
Ich bin ganz krippelig, wie es denn weiter geht.

@ Klaus Ist das nicht ein Fall für Jak? :laugh:

Grüßchen Ilona

spotty
3.February.2008, 10:13
Eine Geschichte in einer anderen als der üblichen Touristenwelt, und damit auch ein paar interessante Einblicke hinter die Kulissen ... und wer sich an die speziellen kretischen Verkehrsschilder erinnert ...
Geht es weiter ... und wie?
Auch ich bin gespannt!

Spottyhttp://www.smileygarden.de/smilie/Nahrung/99.gif (http://www.smileygarden.de)

Ouarike
3.February.2008, 12:08
Wie die Geschichte endete? Sehr profan. Ich musste noch einmal ins Büro und wartete endlos bis alle Formalitäten geklärt waren (Flugticket, Lohn etc.) Dann fuhr mich mein Chef nach Heraklion und ich fuhr mit der Nacht-Fähre nach Athen. Dort holte mich ein griechischer Freund meines Vaters ab (auch das noch!) und machte mir moralische Vorhaltungen ´ich habe dir doch immer gesagt, dass diese Menschen Irre sind – diese Insel ist verrückt! Was hast du dir da auch einfach einen Freund genommen? ´ usw usw. Seine Frau Maya hatte bei ihren fast täglichen Anrufen im Büro erfahren, was geschehen war (ich kann mir lebhaft vorstellen, wie Manolis die Geschichte geschildert hat).
So musste ich noch drei Tage warten, bis endlich der Flug nach Berlin-Schönefeld ging. Es war Ende Oktober und grau und öde in Berlin.
Drei Jahre später bin ich zum ersten Mal wieder nach Kreta geflogen, aber in den Norden. Ein kleiner Verfolgungswahn ereilt mich heute noch, wenn ich im Süden Freunde besuche. Besonders die Treffpunkte in der ´Loukoumades-Bude´ am Markt in Mires machen mich höchst nervös.
Als Beobachterin habe ich in meiner Region viel schlimmere Geschichten erfahren, aber nicht selbst erlebt. Sonst würde ich ja nicht mehr leben.
Danke für Euer Interesse, Uarike

Otto
3.February.2008, 13:01
Authentisch und klasse geschrieben, super!

Gruß Otto

Sabinara
4.February.2008, 11:06
Hallo, Ouarike


wie hast du doch gefährlich gelebt in jungen Jahren :nuts:


Schöner Bericht, klasse geschrieben und nachvollziehbar :biggthump


LG
Sabinara

Manniki
4.February.2008, 11:41
Ja diese Welt ist manchmal nicht zu verstehen.Aber so was gibts bei uns auch noch.mein Kollege ist auch unbekannt verzogen!!!