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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : K.r.e.t.a. (2008) Spotty ... Ida Nida Wege



spotty
24.June.2008, 06:06
25.05.2008 Höhenluft im Ida und Nähe Nida

Die Erkenntnis, dass der Sommer mit jedem Tag näher rückt, hat nun nicht gerade epochalen oder nobelpreisverdächtigen Charakter – aber bei jedem noch sonnigeren Frühstücksmorgen wird sie allgegenwärtiger.

Es ist Sonntag, also wären bei unsere Tagesplanung auch die Wochenendverhaltensweisen der Kreter aufzunehmen. Die Variante, wegen der heißen Temperaturen ans Meer zu fahren, ist wahrscheinlich die zunächst von In- und Ausländern favorisierte. Und die Höhle in Triopetra hat nun einmal ein begrenztes Fassungsvermögen …
Also wählen wir die Gegenrichtung, denn in luftiger Höhe sollten 33 vorhergesagte Plusgrade dann nicht so Schweiß treibend ins Gewicht fallen. Natürlich ist die Sonnenbrandgefahr da ähnlich akut, aber dagegen haben wir ja ascotverdächtige Kopfbedeckungen und irgendwelche vor allem psychologisch aber vielleicht auch sonst hilfreiche Brandverhinderungscremes und Sprays.

Weil ich nicht so gerne eine Strecke doppelt fahre, habe ich in der Karte eine Rundfahrt ausgewählt.
Die bringt uns zunächst bis Agia Vavara, und führt später parallel zum Fuße der Berge über Zaros nach Mires und *back home to Alaba … äh .. Agia Galini* - „Abkürzungen“ sind keine vorgesehen. Also sollten wir auch keine Überraschungen erleben, den fahrtechnischen Bereich betreffend.

Vorher haben wir uns in der fast schon heißen Frühstücksluft über das lustige Gebimmel der Kirchenglocke amüsiert – das hat so gar nichts Gemeinsames mit den schweres und erhabenen Schlägen heimischer Kirchenglocken.
Wenn ich das aber nun noch im Zusammenhang mit den immer wieder beeindruckenden Anlagen der Inselfriedhöfe in Zusammenhang bringe, dann könnte man da wohl auch hinein interpretieren, dass das irdische Dasein für den Kreter irgendwie leichter empfunden und genommen wird. Und Kirchen und Friedhöfe können da auch über den Klang der Glocken anders definiert werden.
Und, mit einem Grinsen im Mundwinkel, frage ich mich noch, was denn die Bauträgerprofis davon halten, dass ihnen bestes Land derartig verwehrt bleibt … Okay, das ist schon schwarzer Humor.

Aber beim genaueren Hinsehen fällt doch schon deutlicher auf, dass zunehmend *Vorzugslagen* (es gibt ja nicht nur Friedhöfe in excellentem Terrain) wohl *auf Verdacht* bebaut werden: da gibt es unfertige Villengrundstücke, wo noch während der Bauphase das *For Sale* Schild erscheint ... und es gibt eine Art Reihenhausbebauungen, wo Fenster- und Türöffnungen zunächst einfach zugemauert sind (um Kosten zu sparen), bis sich dann der mehr oder minder fair beratene Interessent für solch ein Grundstück findet.

Auch oberhalb Agia Galinis haben wir bei der Fahrt auf der Panoramastrecke Richtung Melambes einige dieser immer noch landestypischen Bauten (Investruinen würde ich sie in diesem Falle nicht titulieren) gesehen, die dann zunächst ungenützt am Hang stehen und von deren Terrassen noch Keiner den Blick auf das Meerblau genießt.
Ganz nebenbei stellt sich natürlich auch die Frage, die jeder für sich selbst beantworten darf: würde ich mich denn in einer Vierer- oder gar Sechserreihe einer solchen Anlage wirklich wohl fühlen? Weil natürlich genau diese engen Bebauungen zwar im Stil, aber nicht in ihren Dimensionen kretisches Bauen verkörpern.

Nun, ich bin mal wieder ein wenig vom Thema abgekommen, aber solche Gedanken kommen eben immer mal wieder auf – beim Frühstück, beim Autofahren, beim Schreiben. Und eigentlich war und ist ja die Fahrt in das Nida Gebirge das Thema.

Am Sonntagmorgen ist die Passage auf der Bundesinselstrasse 95 überhaupt kein Problem, auch die Ortsquerungen von Tymbaki und Mires fordern nicht das Maximum an Fahrkunst ab.
So sind wir schnell an der richtigen Abzweigung kurz nach dem Ortseingang Agia Varvaras und fahren über Serpentinen zunächst einmal in das Tal. Zahlreiche Kreter sind auf dem Weg von oder in die Kirche an ihrer Festtagskleidung auszumachen, die von schwarzen und weißen Tönungen dominiert wird.
Manch einer hat bereits seine Stühle vor das Haus oder in Straßennähe aufgestellt, um mit dem Nachbarn einen Schwatz zu machen oder einfach nur die warmen Sonnenstrahlen zu genießen.

Es geht wieder bergan, und unmittelbar nachdem wir Gergeri erreicht haben, endlich *richtig* bergauf.
Einen Wegweiser auf Holz übersehe ich, und so erreichen wir auf zunehmend schmaler und schlechter werdendem Straßenpfad ein unbekanntes Bergdorf und auch schon das Ende des Weges. Da wollen wir ja aber eigentlich gar nicht hin ...
Glücklicherweise sind braun gebrannte Arbeiter am Straßebauen ()nur zur Erinnerung: es ist immer noch Sonntag!), so dass wir schnell *ins Gespräch* kommen. Nachdem ich erklärt habe, dass wir eigentlich in die Nida Ebene wollen, kommt Bewegung in die Truppe: zwei Fremde erklären mir, dass wir andersherum und bergauf fahren müssen, die anderen beiden überprüfen schon mal die Möglichkeiten eines Wendens auf der Stelle.
Und so gelingt es, mit vereinten Kräften (und es geht wirklich verdammt eng zu hier oben!) das Auto fast auf der Stelle zu drehen (ein wenig gehört auch fahrerisches Können dazu, sei in aller Bescheidenheit angemerkt) und bis zur nächsten Abzweigung zurück zu fahren.

Und richtig, in Holz geschnitzt ist der entscheidende Hinweis, wo entlang es Richtung Nida geht.
Aus den Urlaubsvorbereitungen weiß ich, dass der Schein trügerisch ist … heißt also, dass aus der bituminierten Straße (wieder die Standardfragen: wer bezahlt das? Wer baut das? Warum???) irgendwann eine – nennen wir es diplomatisch: Naturpiste wird. Zwischendurch stellen wir in einigen der Spitzkehren fest, dass der Berg wohl nicht so fest ist, wie er im ersten Hinsehen zu sein scheint: große Gesteinsbrocken und einmal schon ein richtiger Geröllberg zeugen davon, dass der Berg nicht nur ruft, sondern auch lebt.

Lustig auch die Tatsache, dass inmitten karger windiger und schlecht erreichbarer Landschaft das satte grün eines Kunstrasenfußballplatzes irgendwie unwirklich hervor sticht – was treibt die Leute dazu, in rauer Höhenluft fernab menschlicher Behausungen einen Sportplatz auf den Fels zu legen? Soll ein möglicher Gegner allein schon durch die Anfahrt schlottriger Knie bekommen? Sind da wieder Fördermittel verbrannt worden? Viel Zeit zum Überlegen bleibt nicht, denn die immer noch bituminierte Straße erfordert schon ein Maximum an Aufmerksamkeit und einige Spitzkehren sind gerade so mit dem Wenderadius eines NormalPKWs zu meistern.

Der befürchtete Augenblick lässt bis auf 1116 Meter auf sich warten.
Dann ist Schluss mit festem schwarzem Untergrund, und wir beschließen spontan doppelt Gutes: den Reifen (und uns) wird die Marter der spitzen heimtückischen Steine erspart und wir tun unserer Gesundheit etwas Zuträgliches. Also wenden wir das motorisierte verstaubte Wägelchen und stellen es am Rande einer Spitzkehre ab … die Parkfläche wird durch das Beiseiteräumen von Gesteinsbrocken geschaffen.

Obwohl wir mit einer knappen Wasserflasche und ohne *richtige* Schuhe nicht direkt perfekt auf die Querung widerspenstiger Gebirgslandschaft ausgerüstet sind, riskieren wir *es*. Und wir bereuen *es* nicht!
Kurve um Kurve, Stein auf Stein windet sich die staubiger Piste nach oben. Wir schaffen in einer halben Stunde 100 Höhenmeter, sind gut bei Laune und Puste und vorsichtig mit den Wasservorräten. Bleibt anzumerken, dass man eine derartige Piste dem privaten Auto nie und nimmer antun würde – und je höher wir kommen, desto skeptischer sind dann auch die Chancen eines normalen MietPKWs zu beurteilen. Zumal das Ende des staubigen steinigen furchigen und stetig schmaler werdenden Schotterbandes, das sich in kräftigem Brauntönen durch den Berg frisst, nicht absehbar ist.

Ein paar Bergziegen blicken ebenso überrascht wie ungläubig und verziehen sich dann meckernd in die unwegsamen Hänge. So oft werden wandernde Eindringlinge hier nicht zu sehen sein. Wirtreffen in zweieinhalb Stunden gerade mal zwei Autos und zwei Motorräder – was auch die Frage nach dem Aufwand für eine asphaltierte Straße wieder auf die Tagesordnung bringt.
Es ist wie so oft: nach jeder Biege meint man, es könne nicht mehr höher gehen. Und dann geht es doch. Höher. Weiter. Schneller nicht.

Mittlerweile haben wir fast 200 Höhenmeter *erledigt*, als inmitten des Gesteins, der wenigen Bäume und der bodendeckenden Gewächse ein schönes Steinhaus auftaucht.
Wunderbar sind die einzelnen Brocken aufeinander geschichtet zu einem runden, ebenmäßigem Bauwerk. Der Recherchedrang geht mit mir durch, also klettere ich die letzten Meter bis in Eingangsnähe und werde völlig überrascht, als ich im düsteren Innern den Mittagsschläfchen haltenden Hirten überrasche. Der bekommt auch nicht so oft Besuch, und brummelt etwas Unverständliches in seinen weißen Rauschbart. Könnte so in der Richtung „Nicht mal hier oben hat man seine Ruhe …“ gewesen sein. Wenigstens habe ich noch verhindert, dass er von meinem Blitzlicht geweckt wird…

In Stein gemeißelt ist der Wegweiser, den wir missverstehen und weiter bergan laufen.
Der Sonne und dem mit weißen Wolken gezeichnetem Himmel entgegen. Der Untergrund wird holpriger, etwas komplizierter zu laufen und spätestens hier wären dann die Wanderschuhe den Sandalen vorzuziehen.
Aber wie ich schon mal sagte: lieber ein wenig in den Sandalen als in den festen Schuhen geschwitzt, so lautet meine Laufdevise. Ernsthaft vertreten, also verletzten, sollte man sich aber nicht !
Ob die am Wegesrand sichtbaren sterblichen Überreste von Bergziegen in Zusammenhang mit den komplizierteren Bodenverhältnissen zu bringen sind, oder ob jene einstmals an Altersschwäche gestorben sind, ist nicht zu ergründen.

Plötzlich sehen wir aus dem Taleinschnitt eine riesige, in solcher Größe noch nie erlebte Herde aus Schafen und Ziegen blökend, meckernd und glockend den rotlehmfarbenen Weg empor traben. Wie es ausschaut, sind zwei richtige Profiwanderer Auslöser dieser Bewegung – denn genau vor jenen beiden bepackten Bergweltgenießern scheint der vielbeinige vierbeinige Pulk die Flucht zu versuchen.

Nach einer weiteren halben Stunde, wo nur Vogelgezwitscher und das Krächzen der Geier (wenn es denn welche sind – ich entsinne mich einiger dramatischer Szenen in Wildwestfilmen) unser leichtes Schnaufen übertönen und unseren Weg begleiten, scheint es nicht mehr weiter zu gehen.
Es scheint nicht nur so: es ist so! Also vorhin den falschen Abzweig genommen. Mist.

Und beim traurigen Anblick eines weiteren Ziegenkadavers kommen mir unterschwellig unsere nun schon bedenklich geschrumpften Trinkwasservorräte in den Sinn. Diese völlig unberührt gebliebene Natur (Schafe, Ziegen und zugehörige Hirten möchte ich da nicht einrechnen) ist zwar ein herrliches Fleckchen Erde, fast unbeschreiblich schön abstoßend, weil so karg und wenig einladend. Doch auch die Ziegen hatten sich bestimmt ein anderes Ende vorgestellt. Mit viel Thymian vielleicht und gut durchgegrillt … klar, das ist jetzt typischer Fleischfressersarkasmus.

Sei es wie es sei - wir gönnen uns also in 1326m Höhenluft noch ein paar einprägsame 360° Rundumblicke, erspähen im leicht verschwommenen Grün der Ferne auch die Sternwarte (da also wäre dann auch die Nida Ebene, die wir an diesem Tage nicht mehr sehen werden), versetzen ungewollt eine weitere Ziegenhorde in meckernde Aufregung (ich weiß gar nicht, warum diese Tiere dermaßen scheu sind … haben sich die gefährlichen Frühjahrsfestessen mittlerweile bis in dieses Kargland herum gesprochen?) und beschließen einstimmig, den Weg zurück anzutreten, bevor es ein Wasserproblem gibt.

Bergab geht es besser, also nur eine gute Stunde straffen Sandalenschrittes, und auf diesem Weg gibt es nur noch Begegnungen mit landestypischen Getier. Kein Auto, kein Motorrad.
Fast hätte ich ihn vergessen: auf dem Weg bergan haben wir doch tatsächlich einen einsamen Radfahrer getroffen, der ruhig und kraftvoll die Kehren bewältigte – offensichtlich und sinnvollerweise auch nur, bis die geteerte Straße zu Ende gewesen ist. Wenn ich mir da so überlege, wie ich schon nach ein paar Kilometern Geradeausfahrt im Stadtpark vom Rad falle … Respekt und Hochachtung für solch eine Leistung, und dann auch noch mutterseelenallein.

Der Abzweig nach Zaros ist schnell entdeckt und diese Straße – wie der Großteil auf Zentralkreta mindestens (ich muss das so einschränken, weil ja persönliche Erfahrung im Großraum West noch fehlen … ich reibe mal die Glaskugel: nicht mehr allzu lange, möchte ich vorher sagen) – ist bestens befahrbar und schlängelt sich parallel zu den aufstrebenden Berghängen.

In Zaros selbst gibt es nur eine *richtige* Kreuzung, und da schwenken wir scharf links Richtung Mires. Davor liegt auch noch Panagia… genau jener unbedeutender Ort im touristenfreien Inselniemandsland, den niemand kennen muss – wo wir aber doch schon einmal gut gemahlzeitet haben. In der Taverne XSX gibt es zwar leider immer noch kein Mythos, aber das Essen ist lecker und die junge Bedienung nett.
Heute möchte ich kein holländisches Bier, sondern probiere mal den Hauswein. Der rote Wein schmeckt gut, es ist der beste der letzten Tage. Er schmeckt so gut, dass ich frei nach Jannis *One for the road* noch einen zweites halbes Kilo (so die offizielle Maßeinheit) im Blechkrug bringen lasse.

Man kann drüber streiten (eigentlich kann man es nicht!), ob denn Rotwein bei 30 Sonnengraden nach ungewohnter Wanderung nun eine besonders weise Entscheidung darstellt … das muss man schon selbst mit sich und seinen Körper aushandeln.
Ich fühle mich fit für die letzten Kilometer nach Agia Galini. Nur läuft im dortigen Supermarkt gerade die Formel Eins Übertragung aus Monaco – und die Insider wissen: Fußball und Motorsport sind die Dinge, die mich zum Fernsehen verleiten. Und Rotwein, besonders wenn er lieblich-harzig und auf Kreta daher kommt, ist wohl eher Durst machend denn Durst löschend.

Also einige ich mich mit dem netten Besitzer auf den käuflichen Erwerb eines kühlenden Mythos Bieres. Und wie formulierte schon eine mehr im Moment entfallene Persönlichkeit: „Wein auf Bier, rat ich Dir!“
Umgedreht ist nicht so empfehlenswert. Das allerdings bemerke ich erst, als ich in einen ziemlich bedauernswerten Zustand auf das Hotelbett sinke und Spottyfrau irgendwann klar wird, dass es mit dem harmonischen Abendessen heute wohl nichts mehr wird.

Ja, der Meisterhobbykoch setzt Prioritäten: Rausch ausschlafen gegen gesunde kretische Küche. Eine Blamage fürwahr, die mich aber in diesen Momenten nicht so toll berührt …Ich schlaf ja schon!

Britula
24.June.2008, 20:34
Hallo Spotty,

....danke für Deinen spannenden Reisebericht und die tollen Fotos !!

Er liest sich noch einmal so schön, wenn im Hintergrund "Radio Kriti" läuft :jo:

Kretamum
25.June.2008, 15:51
Spotty, der Bericht ist - so wie immer - interessant und launig und super geschrieben :) :jo: Ist ja auch irgendwie "meine" nähere Umgebung. Ich nehme zwar andere "Abkürzungen", die sind auch romantisch und schweißtreibend .....
.... aber, ich bin gleichzeitig traurig. Sehr sogar: Nicht mit einer Silbe hast Du den Hahn erwähnt! Lebte er zu diesem Zeitpunkt überhaupt noch?
Bei uns gab's heute u.a. Hühnercremesuppe und da ist mir der Hahn siedend heiß eingefallen ...
Ich hätt' so gerne ein HappyEnd in dieser Geschichte :ANGEL:

P.S: Ganze 10 Minuten habe ich mich zur Besprechung verspätet ... :redf:

Marga
25.June.2008, 19:46
Hallo Spotty,

das ist ein wunderschöner Bericht.
Ich bin verg. Jahr die umgekehrte ( Nida-Gergeri) Strecke gefahren, mir gings ähnlich wie Dir, einmal falsch abgebogen, kaum wenden können, im Mitato einen Hirten geweckt.
Danke für "Erinnerungs"-Fotos.

LG
Marga