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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Maria



Anja&Thomas
1.September.2008, 10:42
Unsere allererste Kretareise führte uns nach Rethymnon.
Gleichgültig, in welcher Gegend Kretas wir urlauben, ein Abstecher nach Rethymnon und Umland muß sein.
Der Massentourismus hat die Gegend ziemlich verändert. Wer aber den Stab etwas weiter steckt
und sich von der Tourimeile weg ins Hinterland traut, wird feststellen,
daß die Dörfer dort, trotz, daß die Neuzeit zweifellos auch Einzug hält,
viel von ihrem ursprünglichen Flair bewahrt haben.
Da gibt es malerische Gässchen und lauschige Plätze, die zum Verweilen einladen.
Da gibt es die kleine Bäckerei, in der noch wie zu Großvaters Zeiten
im holzbeheizten Backofen zwei Sorten Brot gebacken werden,
da gibt es den Tante-Emma-Laden, in dem man sich auf ein Schwätzchen trifft
und in dem es von Streichhölzern bis zum Sack Bohnen alles zu kaufen gibt,
was im kretischen Alltag irgendwo gebraucht wird.

Und dann gibt es noch Maria.
Maria betreibt zusammen mit ihrer Schwiegertochter eine Taverne.
Die Speisekarte ist kurz und bietet weitgehend traditionelle kretische Küche.
Während die Schwiegertochter kretisch temperamentvoll durch die Taverne wirbelt,
stellt Maria das personifizierte Lebensmotto 'siga-siga' dar.
Eine liebenswürdig-schrullige Matrone mit einer wahrhaft riesigen Frisur, wortkarg und selbst im größten Trubel
immer äußerst gemessenen Schrittes unterwegs und nicht aus der Ruhe zu bringen.
Sie beschränkt sich darauf, ihre Gäste mit einem Lächeln zu begrüßen,
wechselt selbst mit den Damen aus dem Dorf kaum einmal mehr als drei Worte.
Ein Fels..., nein, eigentlich DER Fels in der Brandung.

Wie jedes Jahr sind wir wieder in der Gegend um Rethymnon unterwegs
und landen zum Abschluß des Tages, wie sollte es anders sein, bei Maria.
Es ist noch früh am Abend, so nach und nach füllt sich die Taverne,
die Honoratioren des Dorfes beziehen ihre Stammplätze.
Maria schwebt wie immer in aller Ruhe von Tisch zu Tisch und teilt Speisekarten und Tischgarnituren aus.
Etwas später nimmt die Schwiegertochter die Bestellungen entgegen.
Ob wir in diesem Urlaub noch einmal hier einkehren werden, steht in den Sternen,
also entschließen wir uns, die Karte rauf und runter zu probieren und bestellen von allem etwas.
So kommen sieben verschiedene Vorspeisen und Hauptgerichte zusammen, wie gesagt, 'von allem etwas'.
Schwiegertöchterchen versteht uns durchaus, sie sagt zu,
uns ein entsprechendes Abendmahl arrangieren zu lassen.
Wir möchten aber bitte nicht böse sein, wenn es einen Moment länger dauert.
Nun damit haben wir gar kein Problem, die Dinge nehmen also ihren Lauf.

Während die erste Bestellrunde läuft, setzt Maria die Küche in Gang und legt los.
Sie sieht die Bestellungen durch, stutzt bei einer Bestellung, Schwiegertochter erklärt,
dann lächelt Maria etwas breiter als sonst zu uns herüber.
Der Betrieb in der Taverne läuft, wir bemerken nebenbei erstaunt,
daß Maria heute viel gesprächiger ist, als man sie kennt.
Sie tauscht sich geradezu lebhaft mit den Herren auf den Stammplätzen aus,
offensichtlich beherrscht sie auch die humorvolle Konversation,
denn die Herrenrunde bricht öfter in Gelächter aus.
So langsam schwant uns vage, daß wir beide die Objekte der Heiterkeitsausbrüche sind.
Nun, bestellt ist bestellt, also harren wir der Dinge, die da kommen werden.

Alle Gäste sind versorgt, nun sind wir an der Reihe.
Maria läßt es sich nicht nehmen, uns unser Menü höchstpersönlich aufzutragen.
Sie macht sich zunächst an einem nicht besetzten Nebentisch zu schaffen.
Sorfältig stellt sie alle Stühle zur Seite, dann rückt sie den Tisch resolut an unseren heran.
Sodann deckt sie die Tafel seelenruhig mit allen bestellten Köstlichkeiten ein,
aber eben nicht von jedem etwas, sondern je eine Portion.
Wir haben also sage und schreibe sieben (!) ganze Portionen auf dem Tisch stehen.
Dazu noch einen der Menge der Speisen angemessenen, wahrhaft riesigen Korb Brot.
Maria wünscht uns mit extra breitem Lächeln "kali orexi" und trollt sich von hinnen,
um das Geschehen aus der Ferne zu beobachten.

Wohlan, das Festmahl kann unter den Augen aller anderen Gäste beginnen.
Wir lassen uns nicht lumpen und langen tüchtig zu, brauchen unsere Zeit,
schaffen es aber tatsächlich, alles restlos aufzuessen.
Die Herren auf den Stammplätzen zollen uns Respekt in Form einer Karaffe besten Rakis,
wir hatten mit unserem Schauspiel wohl für willkommenen Gesprächsstoff im Dorf gesorgt.

Diese Begebenheit liegt nun schon ein paar Jahre zurück,
Maria und ihre Schwiegertochter erkennen uns aber immer noch sofort,
sobald wir ihre Taverne betreten.

VG Anja & Thomas

robinson
1.September.2008, 11:53
Ich finde es schön wenn man solche Erlebnisse hat, an die man sich immer wieder gerne zurück erinnert.

Es sind eben auch die kleinen Sachen die einen Urlaub ausmachen.

Und toll geschrieben.

Ilona
1.September.2008, 16:41
Hallo Anja und Thomas,

man oh man, wie seid Ihr denn dann aus der Taverne rausgerollt? Ich glaube nicht, dass ich das alles geschafft hätte.

Grüßchen Ilona

Anja&Thomas
1.September.2008, 16:47
Hallo Ilona,

es ging gerade noch :krücken: . An dem Abend sind wir jedenfalls ohne Absacker zurück ins Hotel :icon_lol: .

VG Thomas

Bettina
1.September.2008, 17:02
Hallo Anja und Thomas,

ich hoffe Ihr habt Eure Teller aber nicht wirklich ganz leer geputzt!!!

Sonst denkt Maria die sieben Portionen waren immer noch nicht genug:laugh::laugh:

Kretagegge
2.September.2008, 14:14
Hallo beisammen,

als wir das erste mal eine kretische Essenseinladung hatten, wollten wir sehr anständig sein und wie als Schwabe gelernt, immer alles schön aufessen. Die Soße noch mit Brot schön sauber auftunken bis das Teller blitze blank war, aber siehe da der Nachschlag folgte sogleich, beim zweiten Male haben wirs dann geschnallt. So schlecht nach einem Essen war es mir noch nie, trotz Raki. Seither bleibt immer ein Rest im Teller. :biggthump :smiley8:

Grüße Kretagegge

Britula
2.September.2008, 20:27
Hallo zusammen,

....da habt ihr wohl Recht, genau DAS sind diese schönen Erinnerungen, die wir alle hier mit Kreta verbinden !!
Einfach herrlich.

aleka
3.September.2008, 12:22
Hallo Ihr ZWEI!

Maria, live!!!! Ich kann mir die Szene sehr gut vorstellen :laugh:. Sie wirkt mit ihren langen Röcken ja immer, als würde sie auf Rollen über den Boden gleiten :grin:.
Der Tag war sicherlich ein high light für das halbe Dorf und besonders für einige der "älteren" Herren, die ja fast im Kafenion "leben".
Sollte den Bericht ausdrucken und für Maria und Anstasia übersetzen :jo:
Vielleicht sitzen wir ja eines Tages gemeinsam dort und lachen alle zusammen über Euer Erlebnis :jo:.
Ganz besonders herzliche :Knuddel: Grüße an Euch von DER Insel
aleka