Schon vor meiner Abreise nach Kreta hatte mich das Andartis-Buch in seinen Bann gezogen. Besondere Pläne für meinen diesjährigen, relativ kurzen Kreta-Aufenthalt gab es keine – nur auf die Nida-Hochebene wollte ich unbedingt. Das Buch selbst war ein ideales Geschenk für zwei meiner kretischen Freunde. Gleich nach meiner Ankunft auf der Insel führte ich ein sehr erbauliches Gespräch mit Karina Raeck, aus dem eine tiefe Verbundenheit ihrerseits mit unserer Insel herauszuspüren war. Mit etlichen Ratschlägen Karina’s im Gepäck ging es am 1. Mai nach Iraklio, um in der kleinen Buchhandlung neben dem Löwenbrunnen, bei dem übrigens das Wasser wieder reichlich plätschert – noch nie habe ich ihn so beseelt gesehen –, den Andartis zu erstehen. Schon im Autobus nach Ano Asites ergab sich ein sehr interessantes Gespräch mit meinem Sitznachbarn, als ich im Buch blätterte. Er stellte sich als Verwandter von Katsouni Sbokos heraus, der wohl auch fleißig am Monument des Friedens mitgearbeitet hat.
Schon am ersten Abend, in meinem Lieblings-Kafenio in Asites, waren sowohl Karina als auch ihr Buch das Gesprächsthema. Die Dorfälteren, mit denen ich im Kreise um den bollernden, wohlige Wärme verbreitenden Kanonenofen saß, fanden so manch bekanntes Gesicht unter den Fotos, erzählten Geschichten aus alten Zeiten. Sogar das Schwalbenpärchen, das in der einen Ecke des Kafenio so wie jedes Jahr sein Nest gebaut hat, war andächtig am Lauschen.
LG Reinhilde
Wenn du nicht kämpfst, dich nicht bemühst, hast du nicht das Recht zu hoffen.
Am vergangenen Mittwoch war es dann endlich so weit. Eine Flora-Cretica-Exkursion mit in-crete und seiner Frau sollte mich an das Ziel meiner Träume bringen. Im roten Jeep holten mich die beiden am Morgen aus Asites ab und auf ging’s, über Gazi hinauf in Richtung Anogia. Mit unzähligen Fotostopps natürlich, sobald die beiden mit geschultem Blumenblick ein verdächtiges Blatt oder Blümchen am Straßenrand entdeckten. Ich bin nach wie vor davon überzeugt, dass sich die beiden irgendwie ein Blumen-Radar haben einbauen lassen. So arbeiteten wir uns immer mehr in Richtung Nida-Hochebene empor. Die Landschaft wurde zusehends rauer, zerklüftet mit interessant geschichteten Gesteinsformationen, so als hätten Riesen mit den Steinen gespielt, diese zerbrochen und dann wieder voller Phantasie zusammengesetzt. Petrus war uns wohl gesonnen und präsentierte uns nach einem Aufstieg im strahlenden Sonnenschein Wolkenschwaden, nebelverhangene Berge, von denen der gleißende, weiße Schnee noch seine Zungen in Talrichtung streckte, Nebelfetzen, blauen Himmel und später wiederum hellsten Sonnenschein. Mikroskopisch kleine Vergissmeinnicht zeigte mir Julia oberhalb der verlassenen, dem totalen Verfall preisgegebenen Skistation. Vereinzelte Liftpfeiler lassen die Streckenführung erkennen ... vor meinem geistigen Auge sah ich dann kühne Abfahrer sich den Berghang herabstürzen ... bis mich ein Jubelschrei aus den Gedanken riss, Tom und Julia hatten ein seltenes Pflänzchen entdeckt.
LG Reinhilde
Wenn du nicht kämpfst, dich nicht bemühst, hast du nicht das Recht zu hoffen.
Dann war es so weit, wir fuhren auf den Talboden der Nida-Hochebene zu ... saftig grüne Wiesen, so weit das Auge reicht und Schafe, Schafe und nochmals Schafe, so viele Tiere auf einen Haufen hatte ich nicht einmal in Schottland gesehen. Stelis Stavrakakis, den ich gerade Askolimbros (Scolymus hispanicus) putzend in seiner Taverna vorfand, zeigte mir mit einem „apenandi pou einai ta prowata“ und einer weit ausholenden Handbewegung auf die gegenüberliegende Seite der Hochebene den ungefähren Weg zum Andartis.
Wir machten uns jedoch zuerst noch auf den Weg zur Ideon Andron-Höhle, vor deren Eingang noch ausreichend Schnee zu finden war. Bevor Tom und Julia beglückt einer ganz besonderen, seltenen Pflanze neben dem Höheneingang nachkletterten, spielte ich noch Tschu-Tschu-Lokomotive auf den Bahngleisen vor der Höhle, ehe ich mich dann dem stillen Zauber dieses Ortes hingab. Auf einer kleinen Anhöhe neben dem Höhlenschlund, mit einer phantastischen Aussicht auf die Hochebene ließ ich mir Karinas Erzählungen durch den Kopf gehen und verstand auf einmal, warum sie gerade diesen Ort, die Nida-Hochebene, für ihr Kunstwerk gewählt hatte. Ich konnte mich diesen intensiven Empfindungen so richtig hingeben und es gelang mir, sehr rasch den tiefen Zustand totaler innerer Ruhe zu erreichen – das ist etwas, das mir trotz meines ständig praktizierten autogenen Trainings in dieser absoluten Versenkung nur sehr selten gelingt (abgesehen übrigens von Paliani, dort funktioniert das auch). Ich habe also für mich einen dritten magischen Punkt auf Kreta gefunden, meine beiden rechten Winkel, eine Stelle am Strand von Malia, an dem die Wellen eben im rechten Winkel aufeinander treffen und ein Felsensitzplatz an der Schluchtwand von Agios Antonios in Ano Asites, haben also eine wunderbare Ergänzung bekommen.
Derart geistig erfrischt hatte ich dann auch ein tolles Blumen-Erfolgserlebnis, ich fand meinen ersten eigenen Aron-Stab. Könnte durchaus sein, wenn ich noch ein bisserl übe, dass mich Tom und Julia als Flower-Scout anstellen, nicht wahr? :grin: :ANGEL:
Geändert von Kretamum (7.May.2006 um 18:46 Uhr)
LG Reinhilde
Wenn du nicht kämpfst, dich nicht bemühst, hast du nicht das Recht zu hoffen.
Unter Toms Führung kletterte dann unser Jeep den Pfad wieder hinunter zu den grünen Weiden. Wir richteten uns also gegen „apenandi“ zu den Schafherden, dort wo das Steinmonument zu finden sein sollte. Aber wo kamen auf einmal diese vielen Schafherden her, wir waren doch schon gegenüber, eine Hügelflanke noch, einmal um die Kurve, dort muss er dann aber kommen, der Friedensengel, jetzt, jetzt .... ein Hirte wies uns dann Weg und endlich waren wir am Ziel angelangt.
Na to, o Antartis!! Mächtig ausgebreitet liegt er da, an der Flanke eines Hügels, sanft bewachsen an so mancher Stelle, da und dort wild überwuchert, die Natur hat Karinas Werk vollendet, eine Symphonie des Friedens und der Eintracht, Mensch und Natur in Harmonie. Nach einer Umrundung des Kunstwerkes kletterte ich den Hügel empor und betrachtete dann das Mahnmal in seiner imposanten Größe, überwältigt von Ergriffenheit und Andacht.
Karina, das war er jetzt, der versprochene Bericht. Es würde mich übrigens riesig freuen, wenn es mit unserem geplanten Septembertreffen klappen würde. In Ano Asites sind Sie jedenfalls jederzeit herzlich willkommen.
Ganz besonders liebe Grüße soll ich Ihnen von zweien Ihrer alten Freunde bestellen, dem netten Hirten, der uns den Weg gewiesen hat (siehe Foto, seinen Namen habe ich leider vergessen) und von Stelis Stavrakakis, der uns zum krönenden Abschluss dieses Tages mit einem köstlichen Omelette „me ola“ und einem Skolimos-Salat verwöhnt hat.
P.S.: Karina, meine "Louisa" (ein Kräutertee zum Entwässern, gut für Frauen) habe ich gestern noch am Markt in Iraklio gefunden, gerade eben duftet eine Tasse davon vor meiner Nase - danke für den Tipp!
Und in Kamilari war ich natürlich auch, Vangelis Xenakis hat mich gebeten, Ihnen die allerbesten Grüße zu schicken www.southerncrete.gr/plakalono
Geändert von Kretamum (7.May.2006 um 21:58 Uhr)
LG Reinhilde
Wenn du nicht kämpfst, dich nicht bemühst, hast du nicht das Recht zu hoffen.