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Thema: 2000 Athener Erinnerungen

  1. #1
    spotty Gast

    Standard 2000 Athener Erinnerungen

    Schade, dass die Digitalfotografie damals noch nicht hoffähig gewesen ist - so muss ich also die Scanverluste in Kauf nehmen und dafür um Verständnis bitten.
    Aber ansonsten war es eine prall gepackte Erlebniswoche. Ich beschränke mich hier auf MEIN Schlüsselerlebnis und hoffe, damit das Alltagsgrau ein wenig zu colerieren:


    Athen 2000
    Einmal laufen in historischer Aura (Und Autofahrerverhaltenshinweise)

    Das Faible für „altes Gemäuer“ wurde sicher nicht durch meine berufliche Beschäftigung mit verfallenden Altbauten zu Zeiten des untauglichen Sozialismusversuches auf deutschem Boden geweckt ... bereits in frühen Jugendjahren hatte ich utopische Literatur ebenso gern wie historische gelesen.
    Folglich war eine Woche in und um Athen irgendwie logisch und mein erster praktischer Versuch einer Internetbuchung, das im Jahre 2000 ja irgendwie immer noch Kinderschuhe trug – oder hatte ich womöglich nur die all übliche Skepsis gegen „alles neue“ gepflegt?

    Egal. Das Reisebüro unseres Vertrauens hatte das Hotel Divani Palace gebucht (natürlich nach der üblichen Kauf aller verfügbarer Reiseführer und der anschließenden Exceltabellenerfassung), und ich hatte mich getraut, das Mietauto im Netz zu organisieren. Ein in jeder Beziehung mutiger Entschluss, denn wer schon einmal in Athen in Fahrzeug durch das Gemenge aus zwei-, drei- und vierrädrigen Fahrzeugen gesteuert hat, weiß, wovon ich schreibe ...

    Es klappte beides: die Internetbuchung und das Fahren ziemlich fern deutscher Reglementierung. Es ist wohl nicht übertrieben zu behaupten, dass die Spottyfrau nie vorher und nie danach dermaßen angestrengt die Fußmatten im Fahrzeugfonds beobachtet und dabei trotzdem ängstliche Zischlaute en masse produziert hat ... und ich nie zuvor solchen Spaß beim unorthodoxen Bewegen eines Autos verspürt habe (dazu muss ich erläutern, dass mir das typisch deutsche persönliche Bindungsverhalten zum Auto in langen Jahren der beruflichen Nutzung abhanden gekommen ist ... so nach dem Motto: es ist ja nicht meins, und es ist versichert).

    Während ich also schnell erkannte, dass eine rote Ampel nicht zwingend einen Fahrzeughalt erfordert, wie eine grüne Ampel im Umkehrschluss auch nicht garantiert, dass da nicht aus „feindlicher Richtung“ was gefahren kommt ... und die Hupe das wichtigste Bauteil am Auto ist ... und man sich nur „athenisch“ verhält, wenn aus zwei Spuren drei gemacht werden ... und man sich ebenso griechisch gibt, wenn man – sollte es an den Hauptstraßen tatsächlich nach den Ampelfarben gehen – beim Erahnen des Grünwerdens aus zehnter Position der Warteschlange drängelnde Hupsignale in die abgasreiche und schweißtreibende Luft der griechischen Hauptstadt sendet ... während ich also wie ein Einheimischer zu fahren bemüht war, dankte meine Gefährtin am Abend jeden Tages wohl inbrünstig irgendwelchen Schutzengeln, die wohl tatsächlich an unserer Seite gewesen sind.

    Das Hotel ist übrigens sicher keine schlechte Wahl, wenn man Nahe der Akropolis und der wuseligen Altstadtzone, der Plaka, wohnen möchte.
    Wenn man irgendwann durch eine Verkettung glücklicher Zufälle und ein ganz klein wenig Ortsinn im engen Straßengewirr den richtigen Schlenker in die Einbahnstraße geschafft hat (psychologisch im Nachhinein interessant: man sieht immer mal wieder den übergroßen Namenszug auf dem Dach des Quartiers und fährt zum dritten Mal vorbei ...), reift irgendwann die Erkenntnis: es gibt kein Parkplatzproblem. Weil es keine Parkplätze gibt. Es erscheint rätselhaft, wie die bis auf den Zentimeter aneinander stehenden Fahrzeuge aus diesen nicht vorhandenen Lücken wieder herauskommen, und das dies echt schwierig ist, sieht man vielen auch an!
    Die Lösung? In der Ein- und Ausstiegszone halten, Warnblinker an und den Fahrzeugschlüssel mit Verschwörermiene dem Servicemann in die Hand gedrückt. Der kennt sich besser aus, und er verrät dann beim Schichtwechsel seinem Nachfolger, wo der „unser“ Auto am Folgetag suchen muss.

    Natürlich ist die Stadt auch mit ihren zahlreichen historischen Überbleibseln mehr als nur eine Reise wert, und selbstverständlich haben auch wir uns dem Standardprogramm nicht verschlossen: Akropolis als das oberste Muss, Hadrianbogen und Turm der Winde, die Agora und der Tempel des zeus ... in der näheren Umgebung Kap Sunion und Piräus (da fährt man mit der Metro hin) ... nicht zu vergessen den Kanal von Korinth, das beeindruckende Delphi und die Ausgrabungen von Akrokorinth und Mykene --- was soll man weglassen? Erholung ist natürlich etwas Anderes, aber nach Athen fährt man gewöhnlich auch nicht um Erholen.

    Im Internet und den Printmedien wird man mit reichlich Informationen zu all diesen - schon im Wortklang die Patina des Vergangenen erahnbar werdend – Sehenswürdigkeiten reichlich verwöhnt, so dass ich mich hier nur an MEIN Highlight dieser viel zu schnell vergangenen Tage erinnern möchte:

    Laufen im Sinne sportlicher Betätigung wurde damals auch von mir noch praktiziert (ich brachte knapp 15 Kilo weniger auf die Waage und an Excel-Tabellen-Rezepte war noch nicht zu denken), und so hatte sich schon vor dem Abflug so`n verrückter Gedanke in mir festgefressen: das alte Olympiastadion (das ja gar nicht sooo alt ist, sondern vor der ersten Neuzeitolympiade 1895 auf sehr geschichtsträchtigen Boden, nämlich anstelle des uralten Stadions errichtet wurde) sollte mein Ziel sein, und so hatte ich vorsorglich Laufschuhe und Sportsachen dabei.

    Und wenn ich mir erst einmal was in den Kopf gesetzt habe ... es konnte mich nicht wirklich schrecken, dass das Stadion verschlossen und bewacht schien – es wäre sogar völlig unproblematisch gewesen, dies Samstagnachmittag zu tun.
    Da nämlich fanden wir die Tore offen vor. Es war ein unbeschreibliches Gefühl, in jenem Marmorsessel zu sitzen und in das schmale Rund zu schauen, wo 1896 König Georg I. dem im geschichtsträchtigem Marathonlauf siegreichen Griechen Spiridon Louis seine Aufmerksamkeit gewidmet hatte ... und an der Stelle zu sein, wo im Jahre 393 n.Chr. Kaiser Theodosius die alten Spiele verboten hatte, weil ihm die kommerzieller Nutzung durch Berufssportler ein Dorn im Auge war. Okay, das Wissen ist natürlich angelesen, und für die letzte Erklärung habe ich nur ein breites Grienen.

    Ich überlegte also kurz an jenem Samstagnachmittag, ob ich mir inmitten des touristischen Getümmels eine Runde auf der grauen Bahn gönnen sollte. „Ohne Zuschauer“ ist mir auch heute noch lieber, und so beließen wir es bei ein paar Erinnerungen und einigen Bilderchen für spätere Reiseerinnerungen im Kretaforum. Das Problem und meine eigene Vorgabe war damit natürlich nicht gelöst – kommt Zeit, kommt Rat und Morgenstund` hat ja ab und an Gold im Mund.

    Auch wenn es in der griechischen Hauptstadt im Grunde genommen in keiner der 24 Tages- und Nachtstunden ruhig ist (der Nachtschlaf wurde im Wechsel durch Müllfahrzeuggeräusche, schreiende Katzen und offensichtlich an Valentino Rossi denkende jugendliche Motorradhelden gestört), so erschein mir das zeitige Morgengrauen ein geeigneter Zeitpunkt, den Gedanken Taten folgen zu lassen. Glücklicherweise wusste der freundliche Herr am Empfang, wo „sie“ denn am Vortage das Auto untergebracht hatten, und ich erklärte auf seinen ungläubigen Blick hin, dass mir gegen 04:00 MEZ nach laufen zumute war. Gern hätte ich seine Gedanken erfahren ...

    Natürlich haben im Übergang von Nacht zu Tag auch Sehenswürdigkeitenbewacher Ruhe. Also übersah ich die Mischung aus Panik und Angst im Spottyfraublick, erklärte noch mal kurz die Handhabung der diversen Beweismittelsicherungsgeräte (Fotoapparat – leider undigital, und Filmkamera) und schwang mich kurz entschlossen über verschlossene Pforten.
    Ich spürte die schwarze Tartanbahn unter den Füßen und lief an historischer Stätte. Die Gedanken spazierten weit in eine immer noch nicht vollends erforschte Vergangenheit, und natürlich war das Laufen ganz anders als im heimischen Rabensteiner Forst. Im dunklen Blau der Morgendämmerung zeichneten die Bauten der Akropolis ein markantes Profil, und als ich an den marmornen Sesseln vorbeitrabte, rasselte die Gänsehaut unablässig als sichtbares Zeugnis meiner Emotionen.

    Es erstaunte mich, wie eng die Kurven gezogen waren – für meine Endgeschwindigkeit natürlich kein Problem, aber wenn da mal jemand „richtig“ rennt, den trägt es glatt von der Bahn, würde ich meinen. Ich aber setzte meine Füße gedankenverloren und ein wenig der Wirklichkeit entrückt auf die nasse Piste und versuchte, beim Passieren des Fotopunktes möglichst sportlich zu erscheinen. Ob es mir gelungen ist, vermag ich nicht realistisch zu beurteilen.

    Spottyfrau hatte mit den fotooptischen Geräten reichlich zu tun und wahrscheinlich für einen kurzen Moment vergessen, dass wir „Verbotenes“ taten, und auch heute noch ist mein Gesichtsausdruck auf dem Video reichlich verklärt ...

    Nach vier Runden küsste ich die Bahn (klar, für das Video musste auch ein wenig Show sein!) und hatte das Gefühl, damit MEIN Athenerlebnis gehabt zu haben.
    Einige Tage später habe ich dann in Delphi noch einmal ein ähnlich enges, natürlich um so älteres Stadion kennen und belaufen gelernt – und seltsamerweise war dann doch das emotionale Empfinden im Athener Stadion ungleich größer, beeindruckender und bis heute anhaltend gewesen!

    Als wir dann im Hotel zurück waren, hatte ich das Gefühl, als ob die verständnislose Ungläubigkeit immer noch die Gesichtszüge des Rezeptionisten beherrschte ...

    Internethinweise
    * Historie des Stadions und der Spiele
    * Das Hotel Divani Palace
    * Die Agora
    * Die Akropolis
    * Marathonlauf
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  2. #2
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    Standard AW: 2000 Athener Erinnerungen

    hallo Spotty, ein schöner Bericht.:)
    wenn ich mir die Zahlen auf den Fotos richtig deute, wart ihr so um den 22/23.4.2000 da. Da hätten wir uns eigentlich umrennen müssen:grin:
    Genau da waren wir auch in Athen, allerdings nur einen Tag. Hauptsächlich waren wir auf Evia (Euböa).
    Gruß Michael

    Zum Arbeiten zu alt, zum Sterben zu jung...
    aber für Kreta topfit!



    Αν σε κλωτσήσει ένας γάιδαρος, δεν έχει νόημα να τον κλωτσήσεις κι εσύ.

  3. #3
    renagigi Gast

    Standard AW: 2000 Athener Erinnerungen

    Hallo Spotty,

    schöne Lektüre für die Mittagspause, die jetzt viel zu schnell vorbei ist. :)

  4. #4
    spotty Gast

    Standard AW: 2000 Athener Erinnerungen

    Zitat Zitat von mk310149 Beitrag anzeigen
    ... wart ihr so um den 22/23.4.2000 da. Da hätten wir uns eigentlich umrennen müssen:grin:
    Ja, jetzt wo du es sagst, Micha - war doch nicht viel los damals ...

    Wir waren acht Tage da, und es hätte auch gut doppelt so lang dauern können und trotzdem gäbe es immer wieder einen Grund, da noch mal "nachzuschauen" ...
    Aber jetzt *müssen* wir ja nach Kreta

    Gruss

    Spotty

  5. #5
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    Standard AW: 2000 Athener Erinnerungen

    Spotty .... ich bin gaaaaaaanz traurig - Du hast mich auf der Akropolis nicht ein einziges Mal angesehen :grin::schild11:

    Eh klar, bei dieser Frisur (aber das war eine Windboe von hinten, ehrlich!! :grin:)
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    LG Reinhilde

    Wenn du nicht kämpfst, dich nicht bemühst, hast du nicht das Recht zu hoffen.

  6. #6
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    Standard AW: 2000 Athener Erinnerungen

    Ich bin nur Schrittempo gelaufen...:grin:
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    Gruß Michael

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  7. #7
    spotty Gast

    Standard AW: 2000 Athener Erinnerungen

    Zitat Zitat von Reinhilde Beitrag anzeigen


    ...Eh klar, bei dieser Frisur ...
    Frisur? Was für eine Frisur?
    *Duck und weg*

    Spotty

    (Der gut schreiben kann über *Frisuren*, seit in AG 2007 der Langhaarrasierer sein andauerndes "Aussehen" wesentlich beeinflusste --- also, nicht für ungut, meine liebe Reinhilde --- ich werde mir doch nicht den Heurigen vermasseln, oder?

  8. #8
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    Standard AW: 2000 Athener Erinnerungen

    Naaajaa Spotty ... ganz knapp geht sich das noch aus mit dem Heurigen :grin:
    Das Foto stammt übrigens aus 1977, die Angelegenheit ist sohin schon verjährt :laugh: - wenn nur dieser blöde Wind nicht gewesen wäre :biggthump
    LG Reinhilde

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